arthur.

Sie saß wieder auf der Bank. Megan war nach einer Weile wieder zurückgekehrt. Man hatte das Jubeln der terranischen Soldaten auf der anderen Seite des Kraters hören können, das Klatschen. Sie würden alle sterben... oder schlimmer.

Megan legte ihre Hände wieder auf die Kamera, die sie nun neben sich platziert hatte. Unten in der Stadt begann wieder das monotone Rattern eines terranischen Maschinengewehrs. Irgendwie mussten die Bewohner an Waffen gekommen sein - denn die echten Soldaten würden erst jetzt hinunter gehen.
"Wie..." Arthur wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Er war Journalist, er hatte schon vieles gesehen, was andere nicht gesehen hatten (oder jemals sehen wollen würden), aber manchmal fehlten ihm immer noch... die passenden Worte. "Wie hieß er?", fragte er leise, das letzte Wort verschluckend.
Megan schwieg kurz. "Dashdar." Es fiel ihr sichtlich schwer, den Namen zu sagen. "Dashdar Tsa'dan."

Es war wieder still. Das Maschinengewehr ratterte weiter. Ra-tatatatata. Nachladen. Ra-tatatatata.
Irgendwann grinste Megan plötzlich. Dann begann sie zu kichern. Sichtlich verwirrt starrte Arthur sie an, während, sie die Augen zusammenpetzte und sich zurückhalten musste, nicht hell hinauszulachen. Es war etwas... unpassend. Manchmal war Megan einfach so sprunghaft in ihrer Gefühlslage, dass es gleichzeitig gruselig und befremdlich war. Maschinengewehrfeuer - mit Kichern.
"Ich habe ihm immer die Krallen angemalt. Also, an den Händen und Füßen. Rosa stand ihm verdammt gut, so zu seinen hellen Schuppen. Oh, die waren so schön rauh." Sie hielt sich die Hand vor den Mund, und ihre Wangen wurden leicht rot. "Als würdest du eine Schlange streicheln. Kleine Schuppen. Beige."
Arthur runzelte die Stirn. Eigentlich hatte er gedacht, dass Megan irgendwie anfangen würde, zu weinen oder gar nicht mehr zu reden. Stattdessen schien sie der Gedanke an ihren alten nichtmenschlichen Freund zu erfreuen.
"Er sah immer so guuuuut aus. Die Mädels haben mir zugestimmt, weißt du, sie haben gesagt, ich hätte für einen Menschen einen guten Geschmack... naja, die meisten meiner menschlichen Freunde konnten damit nicht so recht etwas anfangen. Aber ich hab sie auch zu uns gebracht - interkultureller Austausch."
Arthur war immer mehr verwundert. Hatte sie gerade verdeckt gesagt, dass sie auch weibliche Lar in ihrem Freundeskreis hatte? Es wurde immer verrückter.
"Was glaubst du, als ich ihnen das erste Mal Nagellack gezeigt habe - oh, das war wundervoll. Dashdar hat natürlich immer mitgespielt. Oder Milch! Milch, das haben die nie so recht verstanden. 'Warum würdest du Tiersekrete trinken wollen...', das haben sie immer gesagt. Dafür hab ich manches bei ihnen nicht verstanden - das Shitanzeugs. Widerlich! Kaffee fanden die dafür abstoßend. Außer Dashdar."
Sie plapperte und plapperte, als hätte Arthur eine Art Korken gezogen, und wie bei einer Champagnerflasche kamen all die alten Erinnerungen heraus, die sich angestaut hatten. Dashdar hier, Dashdar da - und die Freundinnen. Sie erzählte (in nahezu Lichtgeschwindigkeit), wie sie sich über Eierlegen und Lebendgeburten unterhalten hatten, wilde Parties, Kulturaustausch, Religionspraxis, Essen, Sprache - und plötzlich redete sie auf einer überaus seltsamen Sprache voller Zischlaute (und es klang wie ein Dialog voller Sarkasmus und Ironie, als würde sie zwei Leute imitieren), und wechselte wieder zurück auf Englisch. Dashdar! Dashdar! Projektwoche! Gemeinsame Wohnung!

Dann stoppte sie, sank langsam zurück. Es erschien, als würde alle Energie aus ihr gewichen sein, der ganze Elan. Die Kamera stand immer noch da, wo sie die ganze Zeit auf der Bank gestanden hatte. Ihr Arm war von der Kamera geglitten, und lag nun schlaff zwischen ihrem Körper und dem Gerät.
"Dann war er weg.", sagte Megan leise. Sie umschrieb ein Loch in ihrer Brust mit ihrer rechten Hand. "Irgendwie war es so, als wäre alles anders geworden. Die Distanz zu den Lar... weißt du, die sind eigentlich wie wir. Menschen. Nur größer, und sie sehen aus wie überdimensionale Echsen. Aber... sie sind keine Monster, wie man es immer so sagt." Sie sah Arthur an. "Mit dem Krieg waren es dann irgendwie keine Menschen mehr, sondern Schatten, die an mir vorbeizogen. Oh, ein Mensch, igitt."
Er sah weiterhin in den Krater. Arthur hatte die ganze Zeit zugehört, den Sturzbach an Emotionen und Geschichten aufgesogen wie ein Schwamm.

"Wow." Das war alles, was er hervorbringen konnte. Er erinnerte sich, wie er damals in der Schule verschlagen worden war. Die Krallen hatten blutige Kratzer hervorgerufen, und er war als kleiner Junge ins Krankenhaus gebracht worden. Was ist passiert, hatte der Arzt gefragt, und Klein-Arthur mit der dicken Brille hatte gemeint, dass drei Lar ihn verschlagen haben, nur weil er ein 'Weichhäutler' sei.

Und der Arzt hatte gesagt: "Naja, das ist normal. So ticken diese Viecher." Damit drückte er ihm ein alkoholgetränktes Tuch auf die Wunden an seinem Arm.

Das Maschinengewehr feuerte weiter. Ra-tatatatatata.

ishtar.

Der bläuliche Scheins des Hologramms erfüllte den halbdunklen Raum und vermischte sich mit dem durch die Fenster einfallenden Tageslicht. Das Ethertec-Logo rotierte eine ganze Weile in der Luft, bis es sich ruckartig in einen Würfel verwandelte. Dieser teilte sich immer weiter auf - in immer kleinere Würfel, die immer feiner und feiner wurden, während manche Würfel sich auflösten. Mit der Zeit konnte man die Landschaft erkennen, die entstand. Eine Art Loch inmitten einer weitläufigen, leicht hügeligen Ebene, darin ein Wirrwarr aus Häusern und Türmen eingebettet. Aus den groben dreidimensionalen Pixeln , wurde ein fast schon unheimlich reales Bild der Minensiedlung im Krater, getüncht in das leuchtende Blau des Hologramms, welches 50 Zentimeter über der metallischen Tischoberfläche schwebte.

Tosh schmatze weiter und hielt seine Hände in die Projektion, und eine Art Raster umschloss diese. Probeweise macht er ein paar Bewegungen, worauf sich das Bild der Siedlung im Kreis drehte, und einmal größer, das andere mal kleiner wurde. Ushtar war sichtlich angetan von diesem kleinen, leistungsfähigen Voxel-Projektor. Der breitschultrige Lar pfiff leicht durch seine Zähne, während sich in seinen Augen das blaue Licht spiegelte. Rasha starrte weiterhin emotionslos in eine Ecke des Zimmers, und man sah nur kurz, wie ihre Augen sich gen Hologramm richteten.

"Wo hast du so ein Spielzeug her?", fragte Ishtar spöttisch Tosh. Er war dafür bekannt gewesen, oftmals sein Equipment zu zerlegen oder zu ramponieren. Dieser grinste nur, und die speichelgetränkten Shitanfasern zwischen seinen Zähnen glänzten im künstlichen Licht.
"Das - ", sagte er daraufhin theatralisch, und zoomte auf den Krater. " - ist unser Ziel. Eine Minensiedlung auf der vielleicht größten planetaren Absteige der Galaxis." Er hob das Hologramm leicht an, und eine rot pulsierende Schicht erschien unter der Erdoberfläche. 6 Kilometer tief.
"Und deswegen ist sie so wertvoll. Deswegen macht Ethertec sich die Hände schmutzig, um den Weichhäutlern eins auszuschlagen. Diese Schicht wird die Vormachtstellung der Lar in der Galaxis und vor allem in der neutralen Zone sichern - als neuer Außenposten."
Illaq lehnte sich nach vorne. "Was ist das für Zeug?", fragte er, während er mit seinem Finger auf die rote, unregelmäßige Ebene unter der Erde zeigte.
"Der Schlüssel zum Sieg.", anwortete Tosh flapsig, und senkte die Karte wieder in die Ursprungsposition ab. Das Rot verschwand in der Tischoberfläche. "So stand es in der Akte."

Ishtar war etwas skeptisch. Ethertec hatte fast sein gesamtes technisches Equipment mobilisiert, um diesen Planeten einzunehmen - für eine Schicht eines namenlosen Erzes mit unbekannten Anwendungsbereichen. Die Vorgesetzten schienen wohl aber zu wissen, was sie zu tun haben, die Menschen zeigten schließlich auch großes Interesse an der Siedlung.
Tosh fokussierte einen Punkt auf der Karte. "Da sind wir. Der Wohnblock des Lar-Viertels." Mehrere Wegpunkte erschienen auf der Karte, nachdem er (begleitet vom obligatorischen Schmatzen) 'Ziele' gesagt hatte. "Das sind Posten der menschlichen Kämpfer. Eingenommene Föderationsposten im Zentrum, alte Ballungszentren am großen Basar, der Raumhafen. Unser Ziel wird es sein, den Weg für unsere Soldaten zu ebnen und uns Informationen zu beschaffen, mit denen wir die lokale Vormacht der Menschen entscheidend schwächen können. Waffenlager, Lazarette, und so weiter. Die Artillerie wird dann den Rest erledigen." Ishtar wusste genau, was "den Rest erledigen" bedeutete.

Tosh zoomte wieder heraus. Eine orangenfarbene Fläche erfüllte ein nördliches Becken, jenseits des Kraterrandes. Es war eingerahmt von mehreren Hügelketten, und war in grauer Vorzeit mal eine Oase gewesen, die in den Jahrhunderten ausgetrocknet war. "Hier sind die Truppen von Vengeance. Das Ethertec-Mutterschiff hat uns Scandaten übermittelt. Schwere Infanterie, Panzer, LAVs, Heli-Dropships sowie mehrere schwere Mechs. Wir glauben, dass sich das nur die erste Truppe ist. Ihr schwerer Kreuzer im Orbit wird noch mehr bereithalten. Ihr wisst - die Menschen und ihre Technologie sind zäh. Funktional, klobig, hässlich - aber tödlich." Mehrere Pfeile entsprangen der orangenen Fläche, und senkten sich in den Krater, oder umschlossen dessen Rand. "Sie werden hineinströmen, von Norden, und den Rand mit ihren Boden-Boden-Waffen bestücken, mit denen sie uns aus der Ferne zerschießen werden." Tosh warf wieder eine Portion Shitan ein. "Angriffsprotokoll."

Eine Reihe grüner Pfeile senkte sich von Süden aus dem Himmel ab, und eines der südlichen Becken füllte sich mit grüner Farbe. Weitere Pfeile ergossen sich aus dem Himmel auf den Kraterrand, in den Krater hinein oder in die weite Ebene jenseits der Siedlung. Genau in der Stadtmitte, entlang der großen Straße und dem großen Basar, trafen orangene und grüne Pfeile aufeinander. Das Areal, das vorher bläulich geschienen hatte, pulsierte nun in einem bedrohlichen Rot.
"Unser Truppen werden per Dropship hinunterkommen. Die Anak-Königinnen an Bord unseres Mutterschiffes haben die erste Generation Arbeiterdrohnen produziert, die zweite ist in Arbeit, die unsere Kampfroboter unterstützen werden. Die Dropships werden RCCD-Truppen [Anmerkung: Remote Controlled Combat Drones], mehrere schwere Mechas mit Mehrzweckwaffen sowie Boden-Boden-Panzer abwerfen. Alles von oben ferngesteuert. Ethertec hat die Kampfroboter-Truppen seit dem Erstkontaktkrieg ordentlich aufgestockt. Die Anak werden als Unterstützer und Kanonenfutter herhalten, die das Equipment in Schuss halten werden. Wir und ein paar Pioniere sind die einzigen Lar-Truppen, die hier unter sein werden. Besondere Vorsicht ist folglich angesagt." Die grünen Pfeile wurden länger, und drehten dann wieder nach oben aus dem Bild heraus ab. "Die Dropships werden ein paar Bomben auf die Menschen abwerfen, und dann geht's erst richtig los. Comprende?" Tosh machte es Spaß, dieses Menschenwort zu benutzen. Es war Teil irgendeiner minderbemittelten Sprache und bedeute soviel wie "verstanden?", das hatte er Ishtar einmal erklärt.

Alle nickten ab, nur Rasha mal wieder etwas lustloser und weniger auffällig.
Tosh zeigte auf einen der Wegpunkte außerhalb der rot pulsierenden Zone. "Unser erstes Ziel. Ein alter Föderationsposten, den die Menschen eingenommen haben. Schlecht ausgerüstete Rebellen. Unser Aufwärmprogramm. Wir holen ein paar Akten raus, verziehen uns wieder und dann klappern wir die restlichen Ziele ab." Tosh leckte sich seine Zähne im Mund ab. "Ich bin mit dem Carrier oben - unsichtbar, lautlos. Ich werde euch mit Informationen versorgen. Illaq, Ushtar - ihr zwei bleibt hinten, und gebt Rasha und Ishtar notfalls Feuerschutz. Die zwei gehen jeweils von vorne und hinten rein. Ausräuchern, Daten holen, Extraktion."
Illaq nickte wieder ab. Er war sicherlich kein Mann der großen Worte, wenn es um Anweisungen ging. Ushtar folgte ihm genauso.
Rasha hingegen wirkte unüberzeugt, und ihre Augen waren leicht zusammengepetzt. "Das klingt ja alles schön und gut, Tosh - wir sind keine Anfänger. Aber der ganze Plan mit den Gerätschaften klingt zu gut, um zu funktionieren. Glaubst du, die Truppen marschieren hier einfach ein, schmeißen ein paar Bomben ab, ballern herum und Vengeance verpisst sich augenblicklich?", meinte sie spöttisch. Ihre Augen funkelten, und sie starrte Tosh direkt an. Ein durchbohrender Blick. Tosh hingegen grinste und meinte trocken:
"Wir nutzen den Überraschungsmoment, Rasha. Unser Equipment ist durchtechnisiert - unsere Soldaten sind selbst gar nicht hier unten, sondern nur Roboter, die sie fernsteuern. Die Anakmassen sind unerschöpflich." Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite. "Glaubst du wirklich, dass die Weichhäutler etwas dem entgegenzusetzen haben, außer ihre klobigen Waffen, die beinahe auseinanderfallen? Sie haben so einen weichen Körper. Wir werden sie durchstoßen wie ein Speer. Nichts kann schiefgehen."
Rasha wandte sich wieder ab und starrte in die Ecke des Raumes.

Ishtar hingegen dachte an die Worte. Nichts kann schiefgehen. Das hatte man ihm früher auch gesagt. Irgendwie war es aber immer eine hohle Phrase - schiefgehen, das konnte irgendetwas immer. Aber man trichterte den Lar immer ein, dass sie unbesiegbar wären. Und doch, wenn sie ein oder zwei Kugel treffen würde - dann würden sie bluten. Aber richtig. Dunkelrote Massen, die einfach nicht aufhören wollen. Ihre Haut war dick, ihre Körper stark, doch ihr Mut - verdammt, die Lar verkrochen sich auf ihren Schiffen und entsandeten robotische Stellvertreter. Und die waren auch nur eine Ersatzidee gewesen.

"Ishtar?", fragte Tosh plötzlich. Dieser erwachte aus seinen Gedanken und nickte reflexartig ab, worauf er meinte: "Ich hab' verdammt lange darauf gewartet."
Tossh grinste breit, und steckte sich wieder Shitan in den Mund. Dann schlug er mit seinen flachen Händen auf den Tisch, die Krallen trafen das Metall, und rief energiegeladen:

"An die Arbeit! Zeigen wir den Weichhäutlern, wer wirklich am längeren Hebel sitzt!"

ishtar.

Der Raum war klein und staubig. Der Dreck bedeckte gleichmäßig den ausgetretenen und verkratzten Betonboden, wahrscheinlich entstanden durch den Staub aus der Luft, der durch die offenen Fenster hineinströmte. Eine versiffte Matraze, die von seltsamen braun-roten Flecken geziert war, fügte sich perfekt in die Trostlosigkeit des leergeräumten Raumes ein. Dazu kam noch ein Haufen ausgetrockneter, ehemals bluttriefender Haufen von Stoffetzen dazu, der sich in einer der hinteren Ecken angesammelt hatte. Ein widerlicher Geruch erfüllte den Raum aus genau dieser Ecke, irgendetwas musste wohl unter dem Haufen liegen - aber keiner wollte nachschauen, was sich dort genau verbarg.

Illaq lag auf dem Bauch, sein Scharfschützengewehr durch das Zweibein abgestützt. Durch das Visier beobachtete er die Gegend vor dem ausgeräumten Haus, in dem sie sich vor ihrem Einsatz sammeln sollten. Ishtar fragte sich, wie er auf all den Brusttaschen voller Munition schon so lange liegen konnte. Er musterte die Gegend schon seit fast einer Stunde, und seit dem Briefing in der entkernten Wohnbatterie waren schon mehrere Stunden vergangen, danach hatten sich alle noch ihre Waffen aus den Kisten in den Korridoren zusammengesucht. Während Illaq sich eine schwere Railgun-Sniper aus einer der hintersten Ecke des Hauses rausgesucht hatte, hatte sich Ushtar mit einem einfachen Sturmgewehr begnügt. Rasha hingegen überraschte - sie war plötzlich mit einer halbautomatischen Armbrust aufgetaucht, mit Bolzenmagazinen an ihrem Körper verteilt. Dafür waren also die ganzen Gürtel gewesen. Ishtar hingegen blieb konventionell, er konnte durch sein Exoskelett mehr tragen als der Rest der Truppe und hatte sich so ein vielseitiges Equipment an Waffen auf den Rücken geschnallt, mit dem er auch früher immer unterwegs gewesen war.
Nach der ganzen Sammelarbeit und Vorbereitung war es schon Mittag gewesen, und bis sie unbemerkt am Meetingpoint waren, schon früher Abend. Die Abendröte zeichnete sich schon am Kraterrand ab, die Schatten wurden länger. Alles im Zeitplan. Tosh war irgendwo über der Siedlung, unsichtbar und ohne Radarquerschnitt in seinem kleinen Carrier, und gab von Zeit zu Zeit Informationen durch. Doch meistens saßen sie schweigend in der stinkenden Bude, während Illaq das gegenüberliegende Gebäude musterte - ein blauer Betonklotz, an dem der Putz abblätterte. Das es mal ein Föderationsposten gewesen war, bevor es die Menschen eingenommen hatte, passte zum Erscheinungsbild. Die Fassade war am Bröckeln.

"Alpha.", ertönte es plötzlich aus dem Knopf in Ishtars Ohr. Tosh gab wieder etwas durch, dieses Mal an ihn.
"Alpha hier.", erwiderte er, begleitet von einem reflexiven Abnicken. An wen denn überhaupt? Sein Gegenüber war gar nicht hier.
"Wir starten." Tosh schmatze laut. Wie immer. "Wir haben Freigabe. Wiederhole, Freigabe. S'al zé arthunth." Mutter war bereit. Die Mutter - ihr Arbeitgeber. Ishtar sah zu den anderen drei, die mithörten. Illaq nickte ab, weiterhin durch das Visier starrend, während Ushtar aus seinem Rucksack eine kleine Scanbeacon herausholte. Auch er nickte schweigend ab. Rasha kauerte in der Ecke, während ihre tiefgrünen Schuppen mit der Dunkelheit in dem staubigen Raum verschmolzen. Nur ihre Augen stachen hervor, wie zwei kleine Lagerfeuer in der Dunkelheit. Sie steckte ein Bolzenmagazin in ihre Armbrust, gefolgt von einem fast unbemerkbaren, langsamen Nicken in Zeitlupe.
Illaq gab ein Zeichen. Zwei. Oben konnte er durch ein Fenster sehen, in dem wohl zwei Menschen waren. Im Verlauf der langen Warterei hatte er mitgezählt, wie viele Menschen über den sandigen Platz vor dem Posten gelaufen und in dem Gebäude selbst hinter den Fenstern vorbeigehuscht waren. Sieben. So viele waren es insgesamt. Oder mehr, wenn ein paar sich in all den Stunden nicht bewegt hatten und verdeckt geblieben waren. Mit einer kleinen Geste, dem Ausstrecken des Daumens an der Waffe, zeigte er an - "keine bis niedrige Gefahr". Ushtar war währendessen dabei, die Beacon aufzustellen, indem er die Aufstellbeine ausklappte.

Ishtar sah wieder zu Rasha, und nickte erneut. Daraufhin schlängelte sie sich, in einer grazilen und flüssigen Bewegung, aus dem Fenster an der Seite des Raumes und landete in einer schmalen, müllüberfluteten Gasse. Es schnipste leise. Ishtar folgte ihr, rutschte über die schmale Fensterbank aus dem stinkenden Raum heraus, und fiel nach ungefähr drei Metern Höhe in einem der Müllhaufen. Altmetall, gemischt mit Papier und Plastik. Sein Exoskelett fing den Aufprall mit einem leisen Surren auf, als die Kolben zusammengepresst wurden. Rasha kauerte unten hinter einem offen stehenden Container, aus dem sich Massen unsortierten Drecks auf den sandigen Boden ergossen. Irgendwann war hier mal Asphalt gewesen, dieser hatte sich schon längst in schiefe Bruchstücke aufgeteilt, die der rote Sand bedeckt hatte.

Ishtar zeigte nach vorne, an die Stelle, an der die Gasse in den kleinen Platz vor dem Föderationsgebäude mündete. Er würde vorne reingehen, Rasha hinten. Ohne irgendeine erkenntliche Regung glitt Rasha hinter dem Container hervor, presste sich an die Hauswand auf der selben Seite und gab ein stummes "Ok", bevor sie in einer der eingetretenen Türen auf ihrer Seite verschwand. Die Menschen hatten das Areal ausgeräuchert, die Häuser waren leer - sie würde einfach durchlaufen und durch den Hinterhof reingehen. Wenn ein Mensch dort sein sollte, würde er schon tot sein, bevor er den Bolzen in seinem Rücken bemerken würde.
Mit einem leisen Knacksen ertönte Toshs Stimme erneut. "Beacon steht. Delta hat Übersicht. Scan läuft." Ishtar würde nicht antworten. Er würde jetzt vorne hineingehen - über den Platz, durch den langgezogenen Schatten der Häuserkette huschen und durch den kleinen Notausgang auf der Vorderseite hinein.
"Alpha - warten. Bravo - bewegen. Hintereingang frei."
Ishtar holte tief Luft. Wenn die zwei Menschen hinter dem oberen Fenster wegschauen würden, würde er am Zug sein. Das erste Mal seit dem Ende des Krieges. Vier Jahre. Es mischte sich Freude mit etwas, was er nicht beschreiben konnte - Schuld? Angst? Ekel? Sie lachte über diesen Gedanken, und flüsterte leise in seinem Kopf: "Schuldig... du bist... schuld..."

"Alpha - los. Bravo - los. Charlie, Delta - überwachen."

Er sprintete, durch den Schatten der Häuser, und presste sich schließlich an die blau verputzte Wand des Gebäudes, das er ausräuchern sollte. Die Tür war neben ihm, versehen mit einem rostigen Hebel, der sie öffnen würde.

"Alpha, Bravo - starten. Wiederhole - starten."

Die Tür schwang leise auf, und er trat ins Innere des Gebäudes.


im orbit. Mission Control.

Durchsage. Achtung, Durchsage: Operation beginnt jetzt. Wiederhole, Operation beginnt. Jetzt.

Alle RCCD-Piloten auf Gefechtsstationen, VR-Utensilien anlegen und den Kampfmodus aktivieren. Waffen entsichern, Drohne zum Abwurf bereitmachen. Dies ist keine Übung.
Mecha-Piloten - Gefechtsstation. Schwere Geschütze aktivieren. Zum Abwurf bereit machen.
Panzerpiloten - Gefechtsstation. Teams zusammentreffen, Systeme hochfahren, Waffen nachladen. Auf Distanzkampf bereit machen.
Lar-Pioniere - dem zugeteilten Battalion beitreten. Schwere Rüstung bereithalten. Sie betreten eine Gefahrenzone. Ausrüstung abchecken. Bereithalten.
Ausführung des Angriffsprotokolls auf Befehl des obersten Generalstabs. Alle Befehle werden befolgt. Auf Desertieren steht die dem Gesetz entsprechende Strafe.

*knarz*
Anak - Schiffe besetzen. Der Schwarm ist bereit zum Kampf. Befolgt die Befehle der Königinnen.
*knarz*

Ethertec sieht die Zukunft. Zeigt keine Gnade. Kämpft für eure Zukunft.
Mission Control out. Systeme online - Verbindungen werden initialisiert. Analyse - stabil. Remote Control aktiviert. Knotenpunkte stehen.

Bereitschaftsmodus aktiv.

ishtar.

Extrawarnung bezüglich detailliert beschriebener körperlicher Gewalt.

Es war schummrig im Inneren. Ishtar schloß leise die Tür, und presste sich an die Wand. Der Putz bröckelte ab, als seine schuppige Haut die Wand berührte. Lauwarmer Beton, rauh, kleine Fasern und Krusten, die sich langsam davon ablösten, abgeschmirgelt durch Wind und Sand. Er war in einem schmalen Gang, von dem mehrere Türen abgingen. Das Ende wurde von einer aufsteigenden Treppe markiert, die in eine Art Treppenhaus mündete. Auf dem Boden war der obligatorische rote Sand verteilt, stellenweise waren Überbleibsel dunkler Flecken (Blut?) auf dem Boden, begleitet von Stoffbahnen und Haufen zerknüllten Papiers. Ein kleiner Aktenschrank in einer Nische war weit aufgerissen, die Akten verteilt im Gang und von Füßen zertreten.

"Alpha. Bin drin.", flüsterte Ishtar in sein kleines Mikrofon, dass vor seinem Mund hing. Wenn jetzt jemand die Treppe runterkommen würde, wäre er ungeschützt und wahrscheinlich durch Schüsse schwer verwundet oder direkt tot. Sein Exoskelett und die darunter liegende Compoundrüstung schützten vor ein paar direkten Treffern, aber mehr nicht. Dann würde er langsam ausbluten, als würde ein Sturzbach sich aus der Wunde ergießen, der niemals enden wolle. Wenn ein Lar einen oder zwei direkte Treffer in den Torso kassierte, war es meistens vorbei.

Tosh schmatzte. Trotzdem schien er konzentriert zu sein, Ishtar hörte ein leises Rattern im Hintergrund. "Delta. Status." Ushtar hatte die Beacon benutzt, um einen Scan des Gebäudes durchzuführen. Temperaturgefälle, Druck, Lebenszeichen, Dichteverteilung. Er würde nun die Wahrscheinlichkeit haben, mit der sich Menschen in einzelnen Arealen des Gebäudes befinden würden. Genaue Positionen waren jedoch unmöglich.
Ushtars Stimme ertönte. "Charlie, gesichert. Alpha, Raum zwei links. Bravo, geradeaus, Ecke links." Präzise. Rasha hatte einen im Gang. Sie würde aufpassen müssen. Ishtar schlich an der Wand entlang, während er sich weiter an den Beton presste. Tür eins. Sie war angelehnt, durch das zerbrochene Glas sah er den entkernten Raum. Blutige Laken auf dem Boden, wahrscheinlich ein kleines Lazarett für kürzlich Verwundete. Er ging weiter, leise. Tür zwei. Das Glas war noch drin - Milchglas. Die Tür war aber auch nur angelehnt, aus leichtem Aluminium. Der Mensch würde darin sein. Ishtar dachte nach - schallgedämpfte Pistole oder Klingen. Er hatte keine Informationen, wo genau die Person stand. Die Klingen würden ihn ungeschützt gegenüber Schusswaffen sein lassen, jedoch absolut lautlos sein. Selbst ein Schalldämpfer machte eine Pistole nicht lautlos. "Klingen...", sagte die Stimme in seinem Hinterkopf. Meistens hatte sie Recht gehabt.

"Bravo - Ziel eliminiert. Raum eins.", sprach Ushtar. Erstes Blut für Rasha.

Er drückte leise an die Tür, die ohne einen Mucks aufschwang. Der Mensch hatte ihm seinen Rücken zugewandt, er trug nur eine alte, zerfledderte kugelsichere Weste mit ein paar metallen Schulterplatten. Seine Waffe lag auf dem Tisch, auf den er sich stützte. Er studierte offensichtlich eine Karte - eine aus Papier. Wie altmodisch. Der Raum war wohl mal ein Büro gewesen, bis die Plünderer gekommen waren und sich die selbst für ihre Standards veralteten Computer geklaut hatten, drei Schreibtische - einer in der Mitte, an dem der Mensch stand, zwei an den Seiten. Ein kleines Fenster, durch das das Licht einfiel, Leuchtstoffröhren an der Decke. Ishtar schlich hinein, geduckt.

"Bravo - Ziel eliminiert. Treppe rauf, links, Gang. Zwei Ziele." Rasha war schnell.

Der Mensch blickte weiter nach unten auf die Karte. Kleine Pins markierten Positionen, direkt in die Tischplatte gerammt. Ishtar sah die Stelle, die er treffen würde - hinten, durch das Herz, vorne raus. Halten, warten, ablegen. Er richtete sich langsam auf, kleine Schritte auf den Menschen zu. Eine Kaffeetasse stand neben dem Menschen, Dampf stieg auf. Widerliches Zeug. Er brachte seinen rechten Arm in Position. Die Klinge würde aus dem Apparat an der Seite des Exoskelettes herausfahren, und blitzschnell das Fleisch durchstoßen.

"Bravo - zwei Ziele eliminiert. Zwei weitere geradeaus um die Ecke." 4-0 für die schweigsame Lar mit den grünen Schuppen.

Es ging sehr schnell. Die Klinge durchstoß die zweckgemäße Ausrüstung des Menschen, dessen Körper ruckartig zusammenzuckte. Seine Wirbelsäule bog sich nach hinten, die Brust nach vorne gedrückt. Ishtar spürte keinen Widerstand. Weiches Fleisch, wie Tosh gesagt hatte. Er presste seine Hand auf den Mund des Menschen, zog ihn zu sich. Seine Krallen bohrten sich in das Gesicht des Menschen, der versuchte zu schreien, doch er konnte nicht - sein linker Lunkenflügel fiel zusammen wie ein Kartenhaus, und er brachte nur ein dumpfes Röcheln hervor, das durch die schuppige Hand Ishtars gedämpft wurde. Ihre Körper waren verschlungen, und Ishtar starrte geradeaus, während der Mensch in seinem Schwitzkasten zappelte. Ein Fisch auf dem Trockenen. Er senkte seinen Echsenkopf und drückte ihn an das weiche Gesicht des Menschen, dessen weit aufgerissene Augen hin und her zuckten, immer wieder hinübersahen zu Ishtar. Aus der Ferne konnte man meinen, sie würden sich umarmen, wie sie ihre Köpfe zusammenlegten, sich aneinanderdrückten. Körperkontakt war überall ein Zeichen der Zuneigung. Ishtar spürte, wie das Herz aufhörte zu schlagen - es war glatt durchstoßen worden, nun nur noch ein Haufen wirkungslosen Gewebes, das sich zwischen zwei Luftsäcken befand. Er drückte weiter - er war noch nicht ganz durch. Die Weste wölbte sich vorne, als die Klinge vorne zum Vorschein kam und die Kleidung zerschnitt, begleitet von roter Körperflüssigkeit, die sich aus der Wunde ergoss und die Klinge färbte. Rote Schlieren.

"Bravo - zwei Ziel eliminiert. Gesäubert. Warte auf Alpha." 6-0. Er war langsam, dafür stilvoller.

Die Stimme meldete sich wieder.
"Magst du es, zu töten...?", fragte sie leise, wanderte durch seinen Kopf, vorne, hinten, links, rechts. "Qualvoll...?" Der Mensch zuckte weiter, strampelte mit den Beinen. Ishtar konnte es beenden, doch er wollte nicht. Er sah weiterhin geradeaus, seine Wangen an das Menschengesicht gepresst. Er spürte, dass er schmunzeln musste, und er drückte mit seinen Klauen am Gesicht fester zu.
Die Stimme lachte. Sie stand vor ihm, auf der anderen Seite des Tisches, in allen Facetten ihres wundervollen Aussehens, fast schon lebensecht. Es war sein Kick. Adrenalin. Seine Befriedigung. Der Moment fühlte sich gut an. Sie war da.

Der Mensch hatte aufgehört zu strampeln. Sein Körper erschlaffte, während er zusammensank und seine Augen einen Punkt fixierten. Ishtar ließ langsam los. Er zog die Klinge heraus, begleitet von einem widerlich-schmatzenden Ton, und ließ den Menschen zu Boden fallen wie einen Sack Kartoffeln. Er rieb die blutbefleckte Waffe an der Weste des Menschen ab, erst die eine, dann die andere Seite, dann schnappte sie zurück in den Apparat an seinem Unterarm. Eine rote Pfützte bildete sich an der Steller, an der der Mensch lag, und sie wurde immer größer und größer.

"Alpha - Ziel eliminiert. Gesäubert. Ausräumen." 6-1 für Rasha. Sie genoss es nicht.

Manchmal fragte Ishar sich, warum er seinen Beruf so vermisst hatte. Vielleicht waren es die intensiven Erlebnisse, die er währenddessen hatte, die Dinge, die sein Gehirn unter der Stimulierung durch die Neuroports ausspuckte, vielleicht war es der Geruch von frischem Blut oder das Gefühl, einen Menschen weniger im Universum zu haben. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem. Es war Krieg - es gab keine Regeln und Moral mehr.

"Gute Arbeit.", meinte Tosh schmatzend. "Rasha hat gewonnen."

Ishtar verließ den Raum, ohne den Toten in der Blutpfütze erneut zu betrachten.

arthur.

Der Horizont hatte sich lila gefärbt, verbunden mit einem Hauch von Orange und Rot, als sie gerufen wurden. Das Tageslicht schwand, während die brennend heiße rote Wüste langsam in ein uniformes Schwarzblau getaucht wurde. Es wurde kühler, der Wind blieb jedoch lauwarm. Hier wurde es nie kalt.

Megan hatte die Kamera wieder auf das Stativ aufgestellt. Das Broadcast-Lämpchen pulsierte, Arthur saß hinter der Kamera. Mehrere Föderationssoldaten huschten immer wieder durch die Gegend, versorgten den Ruz-Kommandanten vor ihm mit Informationen. Papierbahnen mit Daten und verkratzte Audionachrichten, in die Unendlichkeit komprimiert von der veralteten Technik der Empfängermaschinen, die sie zur Verfügung hatten. Jede Frage Arthurs bezüglich der aufgeheizten Situation wurde abgewimmelt, während immer ein neuer Soldat mit Informationen durch das Bild lief. Sie waren live - Breaking News, die jedoch noch keine Informationen in die Ferne der Galaxis liefern würden.

Megan hatte sich in der Ferne hingesetzt, auf einen der wackligen Stühle. Langsam legte sich die Hektik, und die Soldaten verschwanden. Es wurde still in dem Container, der von einer gelblichen Leuchtstoffröhre erhellt wurde. Der Blick des Kommandanten war finster - die Massen an Informationen aus Papier hatten sich auf einen handgroßen Notizzettel verkleinert, den er in seiner rechten Hand hielt und immer wieder mit dem Daumen glattstrich.

Er holte tief Luft. Dann sagte er folgendes, während eine gewisse Furcht in seiner Stimme mitschwang, ein ängstliches Kratzen im Halse, das er jedoch verbergen wollte:
"Offizielle Stellungnahme der Lar. Das erste lar'sche Raumschiff wurde von einem terranischen Frachter namens "Caduceus Issemelia" angegriffen und vollständig geplündert. Der General geht zwar von einer normalen Plünderung aus, doch hat aufgrund dieses Ereignisses Terra offiziell den Krieg erklärt. Der Krieg wird auf dem Boden als auch in der Athmosphäre und dem leeren Raum stattfinden. Der General betont, die neutrale Zone wieder zu ihrer Neutralität zurückführen zu wollen, indem er der terranischen Regierung wie auch Vengeance Inc. den Einfluss in diesem Gebiet entziehen möchte. Die Besatzung der "Caduceus Issemelia" wurde unweit vom Tatort entfernt gefasst und inhaftiert." Mit jedem Wort war seine Stimme schwächer geworden, bis sie am Ende nur ein leises Fiepsen geblieben war.
Der Ruz sah auf, irgendwo zwischen die Kamera und Arthurs Augen. Seine Augen waren weit geöffnet, ein fiebriger Blick mit zitternden Händen.

Arthur schwieg. Er legte seinen Notizblock beiseite, verschränkte die Arme und rückte seine Brille zurecht. Die Kamera war weiterhin aktiv. Es war totenstill, bis auf die leisen Windzüge, die die Außenseite des Containers streichelten. So weit war es gekommen - Krieg. Vollständig, keine einfachen Bürger mehr, die sich die Köpfe einschlugen. Jetzt waren die echten Militärs dran.

"Morgen früh kommen sie. Mit dem Sonnenaufgang.", stotterte der Ruz, wahrscheinlich wusste er nicht, was er als Kommandant in dieser Situation machen sollte. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, wahrscheinlich aus einer Mischung aus Scham und Angst. Auch Arthur wusste, dass sich morgen eine Masse aus Robotern, Kampfmaschinerie und animalischen Insekten auf diese Gegend ergießen würde, um die Menschen ein für alle Mal von hier zu vertreiben. Und er war mittendrin.


ishtar.

Sie hatten ein paar Daten zusammengekratzt und waren aus dem Posten abgehauen. Tosh hatte gesagt, sie sollten sich für die Nacht ein sicheres Versteck suchen, entfernt von der Front. Die Lar-Miliz würde sich den Außenposten frühzeitig krallen.
Die Sonne war verschwunden, und die Stadt war bis auf ein paar vereinzelte Brände dunkel. Manchmal hörte man Schüsse oder Explosionen, doch eine Art dunkler Vorhang hatte sich über die nun lauwarme Gegend gelegt. Meist war es still. Nur der Wind zog durch die Gassen, wirbelte den Sand auf und wehte Papierfetzen durch die Gegend.

Sie hatten in einem alten Haus Zuflucht gefunden, auch dieses war vollkommen leergeräumt worden, stank aber nicht so wie das, in dem sie noch vor ein paar Stunden ausgeharrt hatten. zertrümmerte Tontöpfe waren auf dem staubigen Boden verteilt gewesen, und mehrere fleckige Kissen mit hypnotischen Stickmustern, aus denen die synthetische Plastikfüllung herausquoll. Illaq hatte sich eines in den Nacken geklemmt, seine Nachtsichtbrille aufgesetzt und war an der Wand lehnend zusammengesunken. Seine Wache würde erst später beginnen, genauso wie die von Ushtar, der in der Ecke des Raums hing und seinen Kopf an die Wand lehnte. Sein Mund stand offen, und immer wieder schnarchte er leise. Ihre Waffen lagen auf ihrem Schoß, sollte etwas passieren, wären sie bereit. Ruhe würden sie nicht finden - nur kurze Entspannung, unterbrochen von Wachphasen. Bis morgen würden sie in dieser dunklen Wohnung ausharren, bis mit dem Sonnenaufgang die Offensive startet. Irgendwelche menschliche Deppen hatten einen Lar-Frachter überfallen Grund genug für eine Kriegserklärung von Ethertec. Angriffsprotokoll aktiv, 6:34 mit der ersten Morgenröte. Kein Zurück.

Ishtar lehnte sich an die Wand, die Hände im Schoß verschränkt. Er erkannte nur unscharfe Silhouetten, sowie ein kleines Fenster, in dem er den schwarzen Sternenhimmel sah. Rasha saß irgendwo neben ihm. Sie hatte seit dem Einsatz nichts mehr gesagt, selbst als ihr die zwei anderen zu ihrem Erfolg gratulieren wollten - sie war einfach vorbeigelaufen. Kein Geplänkel, nur der Job zählt.

Er hatte sich Zigaretten in einer der Brusttaschen eingesteckt, als sie heute Morgen ihren Einsatz gestartet hatten. Ishtar suchte die Tasche mit seiner linken Hand, fand eine Zigarette und zog sie heraus, während er parallel mit der rechten sein Feuerzeug aus seiner Hosentasche hervorholte. Ein orangener Schein erfüllte den dunklen Raum, als er sie sich anzündetete. Er konnte einen Blick auf Rasha erhaschen, sie starrte mit ihren bernsteinfarbenen Augen in die Luft irgendwo in der Mitte des Raumes, ihre Beine verschränkt, und sie lehnte sich mit den Ellenbogen auf ihre Oberschenkel, während ihr Schwanz hinter ihr auf dem Boden lag. Ihre Armbrust lag in ihrem Schoß - durchgeladen. as Feuerzeug ging wieder aus und Ishtar nahm einen tiefen Zug.

"Warum hast du ihn nicht schnell umgebracht?", fragte Rasha plötzlich. Ishtar war etwas überrascht, der Rauch zog in seine Lunge, und er musste husten. Er versuchte es so leise wie möglich zu halten, und spuckte neben sich auf den Boden. Sein Hals und seine Kehle kratzten. "Tosh hat immer gesagt, du wärst schnell. Tödlich. Konsequent.", hackte Rasha nach. Ishtar nahm die Zigarette wieder in seine Finger, ein kleiner roter Fleck inmitten der Dunkelheit, das war die brennende Spitze.
Er würde nicht die Wahrheit sagen. Selbst Tosh wusste es nicht so genau. Er wusste, dass da etwas war, etwas tief in Ishtars Psyche, dass ihn antrieb und gleichzeitig aufhielt, ihm Zufriedenstellung gab und ihn ihm selben Moment anekelte. Er war dabei gewesen, als es passiert war, und er kannte die Diagnose, die die Wissenschaftler gestellt hatten, als sie feststellen mussten, dass es gewisse... Probleme mit dem System gab. Vielleicht wusste er es. Vielleicht auch nicht. Keiner konnte sie zurückholen, in die echte Welt. Doch in seinem Geist, in der unvorstellbaren Verschmelzung aus Technik und Nervengewebe - da sprach sie zu ihm, lebte weiter. Heute hatte er sie vor sich gesehen. Verdammt, sie hatte ihn angefasst, um dann ihren Finger durch das Blut auf der Brust des Menschen zu ziehen und diesen genüsslich abzulecken. Dann hatte sie ihn geküsst, genau auf die linke Wange, eingefroren in der Zeit.
Er würde dieser Rasha, die mit ihm in diesem dunklen Raum saß, nichts davon erzählen.

"Es war mein Erster seit Jahren.", erwiderte Ishtar schließlich. Es war ein Teil der Wahrheit, warum er es heute so genossen hatte. Dann zog er wieder an seiner Zigarette, und puste den Rauch durch seine Nasenlöcher und den Mund über sich in die Luft.

Die Stille kehrte zurück in die Dunkelheit.