Es schadet aber auch nicht, das zu lesen, weil da auch Gegenargumente zu deiner Behauptung aufgeführt sind, die sicherlich zu einer differenzierteren Betrachtung beitragen könnten
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
Was das Kinder unterschätzen betrifft - mag sein, dass du ein hochintelligentes Kind gewesen bist, Susanne, das von alleine darauf gekommen ist, dass einige Passagen in einigen ihrer Kinderbücher hoch problematisch (weil rassistisch/sexistisch/...) sind, ich zumindest war es eindeutig nicht. Klar, auch ich habe manche Dinge hinterfragt - aber trotzdem habe ich "Der Löwe ist los" oder "Tim im Kongo" o.Ä. gerne gelesen und hatte nicht das Gefühl, dass da Untermenschen dargestellt werden, wie es ja eindeutig der Fall ist. Und ich fürchte, sowas hat Spuren hinterlassen. Woher soll ein Kind überhaupt auf die Idee kommen, dass ausgerechnet diese Stelle in diesen Büchern irgendwie scheiße ist? Ein Kind, das selbst noch nie Diskrimminierungserfahrungen gemacht hat wird diskrimminierende Strukturen kaum ohne Hilfe von älteren Menschen erkennen können.
(Und dass ich Kinder nicht unterschätze sieht man doch daran, dass ich vielen Erwachsenen ebenfalls den kritischen Geist abspreche, sich selbst am Haarschopf aus dem Sumpf rassistischer Traditionen zu ziehen - Lindgren etwa war sicher eine ganz wundervolle Person und ich liebe viele ihrer Bücher sehr. Und in Takatukaland-Hinsicht wollte sie offensichtlich gerade ANTI-rassistisch sein. Und hat es nicht hinbekommen. Wenn eine so liebe, intelligente Frau daran scheitern kann, warum sollte ich annehmen, dass ein Kind das kann? Wir nehmen als Normalität an, was uns als Normalität vorgelebt wird. Und sollten versuchen, diese zu hinterfragen.)
Ich hab keine Ahnung mehr wie ich als Kind war. Und ich rede nicht nur von Tim im Kongo. Ab und zu versuche ich auch mal Sachen zu schreiben, die nicht nur auf einem Argument oder auf mir selbst basieren zu schreiben. Ist selten, passiert aber manchmal ;D
Ansonsten: Wuey Tatze, willkommen zurück unter den Lebenden!
Everything not saved will be lost. - Nintendo "Quit Screen" message
Der Laserdrucker ist das Nachtschattengewächs unter den Eichhörnchen. - Der DIE WELT-Praktikant
Also, mir ist das eigentlich relativ egal ob das aus den Büchern gestrichen wird oder nicht - aber, weißt du, genau da liegt das Problem. Es ist mir egal, weil ich genervt davon bin, weil ich andere Dinge für wichtiger halte, allgemein und auch um die Gleichberechtigung durchzusetzten. Alles in Allem erreicht man damit wohl nur das die Leute die den Respekt vor dem Werk eines Autors höher stellen als den, ja als was eigentlich? Als die Gleichberechtigung? Nein - denn der Autor hat sich in einigen Fällen sicher nicht direkt gegen die Rechte der Schwarzen Bevölkerungsteile gerichtet sondern nur einen damals Alltäglichen Ausdruck benutzt. In diesem Fall ist eine "Korrektur" aus heutiger Sicht verständlich. In manchen (ich habe keine Ahnung in wie vielen, aber es dürften wohl besonders aus den eher älteren Werken nicht wenige sein) Texten wurde dieserlei Ausdrücke aber auch ganz bewusst genutzt. Dann hat man eigentlich kein Recht darin herumzupfuschen, sondern es wäre besser, zumindest aus Sicht des Urheberrechts und eben des oben genannten Respekts vor dem Werk eines Autor das Buch halt nicht zu lesen wenn einen das stört. Aber, wie gesagt. Das sind halt nur Überlegungen dazu. Eigentlich ist mir das nicht besonders wichtig, ob in einem Buch Neger oder Schwarzer oder stark pigmentierter steht. Meinen Kindern würde ich Neger eher nicht vorlesen - stark pigmentierter aber auch nicht. Und ich glaube genau hier wird es interessant und setzt auch die eigentliche Kritik der Menschen an die davor warnen das wertvolles Kulturgut zerstört werden könnte (wird). Natürlich, also zumindest hoffe ich das, ist mit dem 'wertvollen Kulturgut' nur in den seltensten Fällen der Ausdruck an sich gemeint, noch nichteinmal die Ideologie die damit vermittelt wird. Es wird vielmehr davor gewarnt es nicht zuweit zutreiben und dann eben dabei ('es kann nicht sein was nicht sein darf') wirklich wertvolle Dinge außer Kraft zu setzten oder zu zerstören. Ich halte diese Kritik freilich für verfrüht, denn soweit mit der Gleichberechtigung sind wir, da habt ihr Recht, nun noch wirklich nicht. Aber so schlecht finde ich die Kritik daran eigentlich nicht - sie erinnert die Feministen/Antifaschisten/Anhänger der Gender-Theorie schon jetzt daran das es vielleicht doch einige Dinge gibt die man nicht unbedingt antasten sollte.
Ich mag es bloß allgemein nicht wenn irgendjemand mir vorschreiben will wie ich zu leben habe und was das beste für mich ist. Egal wer und egal warum.
EDIT: "Meinen Kindern..." - Wenn ich welche hätte. Fällt mir nur so grad beim noch mal Überfliegen auf
Die Dinge sind was sie sind und nicht etwas anderes.
(Und zur Debatte - wie gesagt, ich denke nicht, dass jemand befürchten muss, dass auf einmal eine staatliche Kontrollbehörde jedes neuerscheinende Buch kontrolliert und zensiert, oder dass Bücher aus Bibliotheken entfernt und verbrannt werden. Die Verlage, die rassistische Begriffe in Kinderbüchern ersetzt haben haben das ja freiwillig (!) getan. - Und ich denke auch nicht, dass historische Texte beschnitten und gefälliger gemacht werden sollten. Wenn in der Bibel Gott irgendwelche Völkerausrottet und steht, dass die Frau dem Manne Untertan sei, dann sollte das dort stehen bleiben, als überliefertes Kulturgut, und eben kritisch erörtert und historisch betrachtet werden. - Ich würde aber, anders als ihr, Kinderliteratur anders einordnen und anders behandeln. Kinderliteratur ist eine sehr komplizierte, sehr schöne und wertvolle Sache und sollte sorgsam behandelt werden...)
ZitatKinderliteratur ist eine sehr komplizierte, sehr schöne und wertvolle Sache und sollte sorgsam behandelt werden...
Stimmt auch wieder!
This. Das Problem liegt doch letzlich darin, dass Eltern nicht klarmachen, inwiefern Kinder eventuell "veraltete" Inhalte in alten Kinderbüchern, die auch zu unserem Kulturgut gehören, zu interpretieren und zu bewerten sind. Hab letztens erst wieder den Struwwelpeter oder Max und Moritz in der Hand gehabt... ich denke, man verfehlt seinen Erziehungsauftrag, wenn man absolut unreflektiert aus diesen Büchern einfach nur vorliest ohne dem Kind die Bedeutungen zu erklären. Eher kommt man dann als Psycho rüber, wenn das Kind meint Daumenlutscher würden echt die Finger abgeschnitten bekommen
xD Naja... also ich hab die Bücher ja ganz gerne gelesen... und trotzdem habe ich die Ideologie nicht verinnerlicht... aber, man kann es ja mal ausprobieren. Bin gespannt ob das was bringt!
Die Dinge sind was sie sind und nicht etwas anderes.
Ich stimme Super Sam voll zu. Bedauerlicherweise nehmen sich nicht viele Eltern die Zeit, mit ihren Kindern gemeinsam zu lesen und dann über das Gelesene (was auch immer es war) auch zu sprechen. Hier liegt im Wesentlichen das Problem, nicht in der Literatur an sich. Sie haben keine Zeit oder glauben zumindest, keine zu haben. Dabei wird nur eine geringe Minderheit wirklich desinteressiert an den eigenen Kindern sein. Ich denke eher, die meisten sind im ewigen Hamsterrad unserer Gesellschaft gefangen. Nun seid ihr alle noch recht jung, aus meiner Perspektive selbst die Älteren unter euch. Die vielgerühmte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist letztendlich nur möglich, wenn man die Obhut über seine Kinder in andere Hände gibt. Klar versucht man verantwortungsbewusste Tagesmütter oder Institutionen zu finden (wenn sie denn im Verhältnis zum eigenen Verdienst erschwinglich sind), nichtsdestoweniger gibt man dennoch die Verantwortung ab. Wenn man dann nach dem Tagewerk Zeit für seinen Nachwuchs hat, ist man viel zu häufig zu gestresst vom Hamsterrad, um ihnen noch die notwendige aufmerksame Geduld entgegenzubringen, die sie verdient hätten. Traurig, aber wahr. Das Hamsterrad anhalten....unmöglich. Man kann sich entscheiden heraus zu springen, andere Prioritäten zu setzen und hat dann die entsprechenden beruflichen Konsequenzen zu tragen. Manchmal merkt man erst nach einer solchen Entscheidung, wie sehr einen die eigenen Kinder im Alltag vermisst haben. Ich weiß, wovon ich spreche.
Gerade las ich einen Artikel über gerechte Sprache und warum sie wichtig ist. Ich fand ihn recht lesenswert, weil einerseits angesprochen wird, dass Sprache kein starres Konstrukt ist, sondern sich weiterentwickelt, sich verändert und durch Menschen geprägt/geformt werden kann.
Falls es jemandem zu lang/kompliziert ist: Es wird gesagt, dass der Ablauf von öffentlicher Sprachkritik immer ähnlich abläuft. Als Beispiel wird Joachim Hermann herangezogen, der in einer Fernsehshow neulich sagte, Roberto Blanco sei ja "immer ein guter N**** gewesen". Dann empören sich Leute darüber, und diejenigen, denen das nichts macht (die also in diesem Fall nicht schwarz sind und sich von dem Wort nicht beleidigt fühlen müssen) machen sich darüber lustig und behaupten, die "political correctness" in diesem Land sei schon viel zu weit gekommen und bla.
ZitatRassistische Sprache wird geäußert, dies wird kritisiert, diese Kritik wird ins Lächerliche gezogen, bis am Ende alle wieder darüber lachen können ? also die Weißen zumindest ? und in ein paar Monaten geht alles wieder von vorne los.
Es wird (nochmals) darauf eingegangen, dass Rassismus und diskriminierende Strukturen NICHT losgelöst von Sprache existieren, und dass es eine Falschannahme ist,
ZitatDass Sprache etwas sei, das ?richtig? im Duden und zahlreichen Grammatiken steht, das sich in Fragen der Rechtschreibung und Zeichensetzung erschöpft [...]
Und, ja, das hatten wir uns ja schon alle irgendwie gedacht:
ZitatSprache [ist] eine Grundlage des respektvollen Miteinanders unter Menschen
Interessant fand ich persönlich das Eingehen auf historische Sprachkritik. Die hat es nämlich schon früher gegeben, z.B. wurde/wird versucht, die Sprache des Nationalsozialismus aufzuarbeiten, unter anderem angestoßen durch den jüdischen Romanisten Victor Klemperer. (Dessen Werk "LTI" hat einen Wikipedia-Artikel und vielleicht les ich es auch mal in echt, btw.)
Es wird darauf eingegangen bzw. in verständliche Worte gefasst, warum sensible (=nicht diskriminierende) Sprache wichtig ist und warum ständig und in jeder Situation über Sprache, meist über die eigene, nachgedacht und reflektiert werden sollte.
ZitatDie Aufgabe, die angemessenen Worte zu finden, bekommt dabei, sofern wir über andere reden, selbstverständlich auch eine moralische Dimension ? ob uns das passt, oder nicht.
Sprache ist ein Medium, das uns formt, mit dem wir aber auch gleichzeitig Einfluss auf die Welt nehmen können.
Obwohl ich mir an einigen Stellen ein bisschen mehr Stringenz gewünscht hätte, fand ich den Artikel doch gut, weil er sehr neutral auf das eingeht, was ich als wichtig erachte, und es in klaren Worten beschreibt.
Und während ich ihn las, musste ich an folgendes Zitat denken, das ihr sicher auch kennt (es kommt aus einer Fernsehserie, glaube ich):
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
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15.09.2015 11:44
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