Thema von Wishmaster im Forum Adventskalender 2015
So, liebe Freunde, bald ist es soweit: nur noch fünf Tage bis Heiligabend! Die Jüngeren unter uns freuen sich auf Ferien, die Älteren auf Urlaub - die Studenten freuen sich bestimmt auch auf irgendwas.
Eigentlich wollte ich mit diesem Türchen ein paar Fotos vom wunderschön geschmückten Stadtplatz meines Heimatortes hochladen, aber da wirklich überhaupt kein Schnee liegt und es die letzten Tage meistens eher trüb und neblig war, lasse ich das lieber mal.
Stattdessen möchte ich euch meine Lieblings-Klavierversion von "Stille Nacht" ans Herz legen. Es ist dieser Tage leicht, Weihnachten nicht mögen zu wollen. Religiös geprägte Feiertage werden allgemein kritisch beäugt; seit Mitte November entkommt man in kaum einer Werbung mehr irgendeiner noch so an den Haaren herbeigezogenen Anspielung auf die Festtage; es wird erwartet, sich mit der Familie zusammenzusetzen, von der man vermutlich die Hälfte nicht sonderlich gut leiden kann; jeder, so scheint es, ist irgendwie gestresst und unfreundlich: hoffentlich kommt mein Paket noch rechtzeitig an. Hoffentlich freuen sie sich über meine Geschenke. Hoffentlich ist es das, was ich mir wünsche. Und überhaupt: an allen Ecken und Enden blinkt und fiept und pfeift es, Konsum! Kommerz! Materialismus! Was ist Weihnachten wert, wenn ich genau abwägen muss, wie viel Geld ich für welche Person ausgeben sollte, damit sich der Rest nicht benachteiligt fühlt? So wird es einem zumindest suggeriert.
Ich schlage vor, das alles zu ignorieren. Denn wenn man so im Wohnzimmer sitzt, es draußen dunkel ist und nur die Lichterkette oder die Kerzen am Christbaum leuchten, die Kugeln im reflektierten Schein glitzern und man selbst eine Tasse mit einem heißen Getränk nach Wahl in den Händen hält, während im Hintergrund leise Musik läuft - dann kann sich auch der größte Zyniker des speziellen Zaubers dieser Jahreszeit kaum erwehren.
Ich wünsche euch noch weiterhin eine schöne Adventszeit. Gestaltet sie so, wie es euch Freude bereitet, und lasst es euch nicht diktieren.
Thema von Wishmaster im Forum Politik und Gesellschaft
So langsam lichtet sich das Feld, und es kristallisieren sich die wahrscheinlichsten Bewerber aus beiden Lagern heraus: auf Seite der Demokraten wäre da zum einen Hillary Clinton - die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wahl gewinnen und Obamas Politik ansatzlos weiterführen würde, was beileibe nicht das Schlechteste wäre. Clinton gilt als hervorragende Rednerin, knüppelharte Verhandlungsgegnerin und besitzt die nötige Erfahrung und den Rückhalt des vermutlich größten Teils der amerikanischen Bevölkerung, vom linken und rechten Rand respektive mal abgesehen. Aber auch Bernie Sanders, der sich selbst als "nicht sonderlich religiös" und als Sozialist bezeichnet, hat in den vergangenen Monaten einen Obama-haften Hype um seine Person erfahren - nachvollziehbar, wie ich finde. Sanders hätte das Zeug, tatsächlich mal frischen Wind ins festgefahrene Gefüge der US-Politik zu bringen. Allerdings bezweifle ich, dass seine großteils ziemlich jungen Anhänger als treibende Kraft für einen Wahlsieg ausreichen.
Ja, und bei den Republikanern ist da natürlich Donald Trump, eine perfekte Karikatur des Zustands der GOP: keine Inhalte, kein Hirn, aber viel Geld und ein zu großes Mundwerk. Er ist eine so exakte Wiederspiegelung, eine so überspitzte Comicfigur, dass ich mir immer noch nicht so sicher bin, ob er das alles wirklich ernst meint. Aus dem Nichts ist mittlerweile Dr. Ben Carson zweitbeliebtester Bewerber - ein Gehirnchirurg, der leider selbst nicht über ein ebensolches zu verfügen scheint, und mit einer Menge Geschwurbel über Gott, Schwule und Frauen am Tea-Party-Rand fischt. Ziemlich erfolgreich, offensichtlich.
Allgemein finde ich, dass die Republikaner ein erschreckendes Bild abgeben: es scheint mittlerweile für jeden ernsthaften, hoffnungsvollen Kandidaten erforderlich zu sein, in jedem Satz das Wort "Gott" mindestens dreimal unterzubringen, sonst braucht er gar nicht erst anzutreten. Andererseits hoffe ich, dass somit den Demokraten die Präsidentschaft mehr oder weniger in den Schoß fällt, denn dass Typen wie Trump, Carson, Cruz, Bush und Co. genügend moderate Stimmen zusammenkratzen, fällt mir schwer zu glauben.
Wie denkt ihr darüber? Gibt es Kandidaten, die einen zweiten Blick wert wären? Wer ist der gefährlichste unter ihnen, wer hat euch überrascht? Welchen Ausgang erhofft ihr euch?
Ich wünsche mir natürlich, dass Bernie Sanders gewinnt, aber Hillary Clinton wäre ein akzeptabler Kompromiss, denke ich. Allerdings sollte sich ein Land ernsthafte Gedanken machen, wenn seine drittbeste Option für das Präsidentenamt einmal Jeb Bush ist.
Thema von Wishmaster im Forum Film, Fernsehen und Vi...
Bin ich der Einzige mit einer Affinität für Horrorfilme, oder gibt's da noch mehr so abgestumpfte Gorehounds im Forum?
Horrorfilme gibt es ja in vielen Farben und Formen - die berüchtigten kranken Torture-Porn-Sachen (Saw, Hostel,...), die italienischen Klassiker von Argento und Co., subtilen Grusel wie The Woman In Black oder Zimmer 1408 (leider viel zu selten), Fun Splatter wie Tucker & Dale vs. Evil etc.
Besteht Interesse an einem solchen Thread? Wenn ja, könnte man sich ja mal austauschen
Thema von Wishmaster im Forum Literatur und Schreiben
Jeder Leser kennt es: den Moment, wenn man einen Satz liest, der einen einfach umhaut. Man sitzt da mit Gänsehaut am ganzen Körper und dieser unbestimmten Euphorie, die sich ausbreitet, und möchte immer wieder nur diesen einen Satz lesen und den Augenblick nie verstreichen lassen. Was sind eure liebsten Stellen in Büchern oder Gedichten? Teilt sie uns doch mal mit Spoiler lassen sich unter Umständen nicht vermeiden, dafür würde ich den Warnsmiley empfehlen.
"Wheresoever she was, there was Eden." (Mark Twain: The Diaries of Adam and Eve)
"Once there were brown trout in the streams in the mountains. You could see them standing in the amber current where the white edges of their fins wimpled softly in the flow. They smelled of moss in your hand. Polished and muscular and torsional. On their backs were vermiculate patterns that were maps of the world in its becoming. Maps and mazes. Of a thing which could not be put back. Not be made right again. In the deep glens where they lived all things were older than man and they hummed of mystery." (Cormac McCarthy: The Road)
"It matters not how strait the gate / How charged with punishments the scroll / I am the master of my fate / I am the captain of my soul." (William Earnest Henley: Invictus)
Thema von Wishmaster im Forum Adventskalender 2014
Einen schönen Nikolaustag wünsche ich euch nachträglich, liebe Otherboardler. Ich dachte einfach, ich eröffne einen Thread für beide Tage, damit die nicht so verwaist sind.
Verzeiht bitte, dass ich mir nichts Großartiges zurecht gelegt habe, ich wollte nur kurz diesen Thread eröffnen, weil ich am Wochenende meine kleine Cousine gesehen habe. Es ist wahr: Kinder sind der einzige Weg, um diese unbeschwerte Freude, die wohl die allermeisten unter uns damals verspürt haben, als wir immer mehr Kerzen auf dem Adventskranz anzünden durften, noch einmal zu erleben. Heute, als Erwachsener, habe ich ständig tausend Dinge im Kopf: mache ich einen guten Eindruck in der Arbeit, wann bekomme ich mein Gehalt, sollte ich mit diesem und jenem vielleicht mal zum Arzt, habe ich irgendwann auch einmal Glück in der Liebe... So ganz den Kopf frei haben und einfach nur Vorfreude und gespannte Aufregung in jeder Faser zuzulassen, fällt uns heutzutage schwer, vielleicht ist es gar unmöglich. Natürlich, das Erwachsenenleben bietet auch viele Vorteile. Ich möchte auch gar nicht unbedingt noch mal Kind sein. Es ist ein zu weiter Weg von damals zu heute, ich habe zu viel gelernt, zu viel erfahren, als dass ich das für einen flüchtigen Moment des puren Glücks über Bord werfen möchte. Aber ab und zu, wenn Plätzchen auf dem Tisch stehen, es draußen langsam dunkel wird und vielleicht, mit etwas Glück, die Familie einmal einträchtig beisammen sitzt, dürfen wir uns etwas Nostalgie erlauben; dann erinnern wir uns gerne an jene Tage, als wir selbst noch mit kindlicher Unbescholtenheit auf den Heiligabend gewartet haben.
In diesem Sinne, liebes Otherboard: einen frohen zweiten Advent - versuchen wir, unsere Sorgen einmal Sorgen sein zu lassen.
Thema von Wishmaster im Forum Literatur und Schreiben
Jeder, der sich selbst als Hobby-Autor betätigt, kennt es: man hat eine tolle Idee für eine Geschichte, die Charaktere schreiben sich wie von selbst, die Geistesblitze für bestimmte Kapitel oder auch nur einzelne Sätze schreiben sich wie von selbst - nur wenn man die ganzen einzelnen Elemente dann zu einem sinnvollen Ganzen verbinden soll, fällt einem auf, dass man sich herzlich wenig Gedanken über die Feinheiten der des Plots gemacht hat. Oder man schreibt ein Gedicht, wie es der ein oder andere im Forum ja gerne mal tut, und alles passt - aber auf diese eine wunderschöne Zeile, die man so ungern ändern möchte, fällt einem einfach kein Reim ein. Oder man schreibt so vor sich hin, ist ganz glücklich, diesmal doch auf die Details der Story geachtet zu haben, und dann verrennt man sich in einer Sackgasse, oder fällt in das gewaltige Plotloch, das man selbst unversehens ausgehoben hat.
Aber dafür gibt es ja den Kreativbereich des Otherboards! Postet doch mal euer Problem, und wir versuchen gemeinsam, eine Lösung dazu zu finden.
Hallo liebe Otherboardler, nach einem bemerkenswerten Schlussspurt aller Beteiligten ist er doch noch erfolgreich zu Ende gegangen - der 7. Schreibwettbewerb geht in die heiße Phase drei Texte habe ich erhalten, bitte stimmt für euren Favoriten und kürt einen Sieger! Die Umfrage läuft zehn Tage.
Hüte
Mein Wecker klingelt um sieben Uhr morgens, das tut er immer. Ich bleibe liegen, öffne die Augen einen Spaltbreit, seufze und krieche aus dem Bett in Richtung Bad. Dumpfes Neonlicht empfängt mich und mein blasses Gesicht mit der Zahnbürste im Mund, der Badewannenrand ist kalt; ich lese gegen das rhythmische Wackeln der Zahnbürste mühsam einen Artikel aus einer Zeitschrift vom letzten Jahr. Ich betrachte meine Zehen, bevor sie in grauen Socken verschwinden, meine Hüften halten den Hosenbund an Ort und Stelle, ich trinke einen Schluck Wasser aus dem Wasserhahn. Sturm fegt draußen die Blätter von den Bäumen. Niemand ist zu sehen. Seltsam, heute ist ein Tag wie alle Tage, ich werde ins Institut gehen und gegen sechs Uhr wiederkommen. Die Blätter werden um meine Füße rascheln und die alte Nachbarin von gegenüber wird mir von ihrem ewigen Fensterplatz aus einen trüben Blick zuwerfen, meine Kollegin wird in der Mittagspause ein bisschen weinen und von ihren Kindern erzählen, die sie kaum noch sieht, nachdem ihre Exfrau das Sorgerecht bekommen hat. Irgendwann wird der Computer abstürzen und es wird viel Arbeit liegenbleiben, die ich nicht erledigen kann, während ich auf den technischen Dienst warte.
Das Geräusch meiner Wohnungstür, die ins Schloss gezogen wird, hallt im Treppenhaus wider; an den Betonstufen, dem streifigen Putz der Wände. Es riecht nach Raumspray. Mit den Händen in den Jackentaschen mache ich mich auf den Weg nach unten. "Einen Hut gefällig?" "Was?" Perplex starre ich die kleine Person an, die mir gegenübersteht. Sie kann nicht älter sein als elf oder zwölf Jahre, um den Hals trägt sie mehrere Ketten aus bunten Perlen, ihre Haare stehen wirr von ihrem Kopf ab, den sie schräg in den Nacken gelegt hat, um mir in die Augen zu sehen. Direkt neben der Haustür hat sie sich postiert, vor dem schwarzen Mieterbrett mit den Aufrufen an Frau B., endlich ihr Fahrrad aus dem Kellergang zu räumen und der Ankündigung, dass der Sperrmüll, der vor der Haustür liegt, leider erst in zwei Wochen abgeholt werden kann. "Möchten Sie einen Hut haben, bittesehr?" Beinahe herausfordernd blickt dieses Kind mich an. Eigentlich kann ich Kinder nicht ausstehen. In unserem Haus reißen sie die Schilder von den Briefkästen und lassen dauernd die Eingangstür offen stehen. Doch dieses Kind sieht anders aus, ich habe es hier noch nie gesehen. Neben sich hat es eine große Kiste stehen, in der durcheinander die verschiedensten Hüte liegen. Ich entdecke einen spitzen Zaubererhut, eine Melone aus Filz, einen seidig schimmernden mit lila Blumen und sogar einen Helm. "Verkaufst du hier Hüte?" "Nein, wozu denn?" "Brauchst du vielleicht Geld? Bist du in Schwierigkeiten? Sieh mal, wenn du Hilfe brauchst..." "Achwas!", lacht mein Gegenüber. "Was tust du denn dann hier?" "Ich verteile Hüte. Das sehen Sie doch." ich ernte ein Augenrollen. Allmählich läuft mir die Zeit davon, um rechtzeitig loszugehen, doch etwas hält mich davon ab, das Hutmädchen einfach stehenzulassen. Vielleicht ist es auch nur Mitleid, obgleich sie nicht sonderlich unglücklich scheint. "Was sind denn das für Hüte? Wo kommen sie her?" "Ach, von hier und dort...sie kommen einfach zu mir. Aber ich kann sie doch nicht alle für mich behalten!" "Sagmal, klaust du vielleicht?" Wieder bekomme ich einen halb spöttischen, halb zurechtweisenden Blick zugeworfen. Als ob dieser Gedanke völlig absurd wäre, weit hergeholt und unrealistisch. Also beschließe ich, deshalb nicht weiter zu grübeln, sondern beuge mich vorsichtig hinunter und berühre mit der Hand einen Strohhut, dessen Geflecht schon etwas abgewetzt ist und an dessen Krempe ein Büschel Federn klemmt, die offenbar einem großen, grauen Vogel ausgefallen sind. Flauschig schmiegen sich die Federn in meine Hand und der Hut raschelt leise. "Gefällt er Ihnen?" Nun lächelt das Mädchen mich offen an. Zwei Zahnlücken offenbaren sich in ihrem breiten Gesicht, und ihre Augen strahlen kornblumenblau. "Ja, schon...es ist ein hübscher Hut, ohne Zweifel", stammele ich, unsicher, was sie von mir erwartet. Vielleicht ist das alles auch nur ein Trick, ein faules Ablenkungsmanöver, und gleich stelle ich fest, dass mein Portemonnaie und mein Telefon aus meiner Tasche fehlen? Doch auch diesen Gedanken verwerfe ich. Warum sollte sich jemand dafür an einen solchen Ort stellen, noch dazu so auffällig. "Probieren Sie ihn doch einmal an!", werde ich energisch aufgefordert, und sogleich wandert der Hut aus der Kiste in meine Hand, wo ich ihn nervös hin und her drehe. Mit einem kleinen Seufzer setze ich ihn mir vorsichtig auf den Kopf, eigentlich möchte ich ihn nur der Geste halber kurz tragen und dann höflich wieder zurückgeben. Aber dieser Hut, der nur locker meinen Scheitel berühren sollte, rutscht wie von allein bis zu meinen Ohren, umschließt meinen Kopf und ich kann seine breite Krempe aus den Augenwinkeln sehen. Wenn ich den Kopf bewege, spüre ich die Federn sanft wippen. Ich muss einen lächerlichen Anblick abgeben. Doch das Hutmädchen klatscht nur in die Hände und strahlt. "Sehen Sie sich an! Da haben Sie ihren Lebenshut gefunden! Beeindruckend schnell, muss ich sagen. Die Nachbarin unter Ihnen hat fast eine halbe Stunde gebraucht, und mit dem Herrn aus dem Parterre muss ich wohl gar heute Abend noch einmal anprobieren." "Was willst du denn damit sagen?" "Na, dass Sie wohl doch ganz gut wissen, was sie brauchen! Sie haben sich sofort einen Lebenshut ausgesucht, und was soll ich sagen, er passt Ihnen wie angegossen." Ich kann nicht umhin, zu gestehen, dass das wirklich wahr ist. Es fühlt sich an, als hätte ich diesen Hut Zeit meines Lebens getragen. "Nun wagen Sie es, treten Sie über die Schwelle, probieren Sie ihn aus!" Das Hutmädchen wedelt mit der Hand in Richtung Haustür. Diese sieht aus wie immer, mit ihrer vergilbten Milchglasscheibe und der Türklinke aus Messing, so wie alle Haustüren in diesem Viertel gemacht sind. Langsam trete ich ein paar Schritte dorthin, die Augen auf die Klinke gerichtet, während oben eine weitere Wohnungstür zu hören ist, die geräuschvoll ins Schloss fällt. Schritte auf der Treppe im dritten Stock. Auf einmal in Eile, gehe ich entschlossen zur Haustür, öffne sie und stehe draußen auf dem Bürgersteig. Welch ein Wind hier weht! Er fährt mir unter die Kleidung, spielt mit meinem Haar und ich kann nicht anders, als die Arme auszubreiten, mich ihm entgegenzuwerfen und ein paar Hüpfer zu tun. Da sehe ich den Sperrmüll, der an der Straße steht. Drei Kinder spielen Verstecken, sie rufen einander und ducken sich dann lachend hinter den Möbelstücken. Neben ihnen tragen zwei Frauen gerade einen runden Tisch mit sich fort, sie haben bunte Mützen mit glitzernden Steinen auf. "So ein schöner Tisch, ich werde dir eine Decke dafür besticken, Mila", sagt die eine, "dann kannst du immer Gäste empfangen!" Um meine Füße herum rascheln die Blätter. Gold und Gelb liegen sie überall auf dem Weg; im Wind bilden sie kleine Wirbel und Verwehungen. Mein Fuß rührt mit der Spitze darin herum, ich schiebe die Blätter mit den Beinen beiseite und bewege mich so auf einen großen Laubhaufen zu. Mit einem kleinen Schrei werfe ich mich rücklings ins Laub, das mich weich auffängt, sich an meinen Körper anschmiegt und in dem ich liegen kann wie in einem Bett. Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken und betrachte den Himmel. Er spannt sich weit zwischen den Häusern, ein blaugraues Zelt über mir, über den Kindern, über Mila und ihrer Freundin. Hier könnte ich ewig liegen bleiben. Es ist, als verginge die Zeit überhaupt nicht, das Laub dämpft alle Geräusche. Mein Lebenshut beschützt meinen Kopf.
Da vernehme ich direkt neben mir einen quiekenden Laut. Erstaunt fahre ich hoch. Eine zweite Gestalt ist rücklings in den Laubhaufen gefallen und hat mich dabei knapp verfehlt. Anfangs traue ich meinen Augen kaum, doch dann erkenne ich, wer es ist: Die alte Nachbarin von gegenüber. Erschrocken blickt sie mich an, bis wir beide lachen müssen; sie wirft mit einer Handvoll Laub nach mir, dann klären sich ihre Augen und sie betrachtet verträumt die Federn, die an meinem Strohhut stecken. Ihre pergamentenen Finger streichen behutsam über den Flaum und wandern dann zu ihrem eigenen Kopf. Nun erst fällt mir auf, dass sie ebenfalls eine außergewöhnliche Kopfbedeckung trägt. Es ist ein schimmernder Blumenhut, aus Satin oder Seide. Auf ihrem Hut sind lila Veilchen.
Der Baum
Vor fünfhundert Jahren, verborgen im Wald Stieß der Baum durch das feuchtgrüne Moos Seinesgleichen umgab ihn, beschützte den Trieb Der damals noch hilflos, zart und bloß.
Es lebte damals in Wittenberg Ein Mann, der als Luther bekannt Er lehnte sich auf gegen Kirche und Papst Und ward Reformator genannt.
So zog man das Schreckgespenst Inquisition Zur Verfolgung der "Ketzer" heran Doch Freiheit von Unterdrückung und Joch Schlug zu viele Menschen in Bann.
Himmelwärts ragte der Wipfel des Baums Scheute das Rasen des Sturmes allein Doch nach vielen Jahrzehnten in seliger Ruh Brach Krieg übers Land herein.
Dreißig lange Jahre vergoss man nun Blut Wer lebte, der hatte nur Glück Man ließ schließlich nichts als schwelenden Grund Und Millionen Gräber zurück.
Der Baum sah zu, sah den Wandel der Welt Sah Napoleons Aufstieg und Fall Sah zu, wie in Wien Fürst von Metternich Eine Rückkehr zum Alten empfahl.
Man versuchte darauf die Gründung des Staats Und scheiterte letztlich daran Doch trotzdem ward deutlich, dass das Volk Sich als solches zu fühlen begann.
König und Kaiser regierten noch lang Doch schließlich kam Bismarck empor Der berechnend und mit großer List Die Diplomatie zur Kunst erkor.
Unter Wilhelm II trieb die Welt in den Krieg Der alte Baum sah aus sicherem Hort Soldaten guter Dinge nach Westen ziehen Die meisten von ihnen blieben dort.
Danach versuchte man es mit Demokratie Von innen zerfressen und schwach Von Hindenburg hob Hitler ins Amt Und die Republik zerbrach.
Es folgten Jahre voll Gräuel und Hass Im Winter in dunkelster Nacht Wurden Juden wie Vieh durch den Wald gehetzt Bis der nächste Schuss irgendwo kracht.
Die Bomben fielen nicht allzu weit weg Der Wind blies den Rauch in den Wald Die Flammen rollten durch jede Stadt Und machten vor niemandem Halt.
Der Baum sah die Mauer, dort wo er stand Die mächtigen Herren waren dabei Und rissen aus Eitelkeit und aus Gier Ein einiges Land entzwei.
Und als endlich der eiserne Vorhang fiel Und Ost und West verschmolz Benetzte Novemberregen den Baum Und tränkte das morsche Holz.
Während der Mensch gefangen im Trott Seines kurzen Lebens war Hat der Baum all jenes und mehr erlebt Und leuchtet noch immer jedes Jahr.
Schön, wenn der Mensch wie die Eiche wär'! Wir leben und sterben und suchen den Sinn. Sie reckt ihre Krone ins Abendrot Und blickt immer nur zur Sonne hin.
Text 3
Es war noch recht früh, gerade einmal sechs. Sie war so eben von einem Spaziergang in einem nahe gelegenen Park zurückgekehrt. Es war Herbst. Im Park waren die üblichen Verdächtigen unterwegs gewesen; Mütter mit Kinderwägen, eifrige Jogger, ein paar Hundebesitzer und auch einige ältere Leute. Sie zählte sich zu letzteren. Alfred war schon daheim, er war in der Küche. Durch die offene Balkontür hörte sie das Radio und das Zischen von heißem Fett. Er hörte gerne Radio, und immer sehr laut, denn er war schon etwas taub. Sie saß auf dem Balkon und schälte einen Apfel. Es war noch angenehm warm zu dieser Uhrzeit, sie hatte nur eine Strickjacke an. Vom Balkon aus konnte man über die Dächer der Stadt sehen, es war ein wunderbarer Anblick, besonders jetzt, wenn das Sonnenlicht schräg fiel. Gerade als sie den Apfel fast zu Ende geschält hatte, tauchte aus dem Nichts - buchstäblich aus der Luft ? ein Mensch auf, direkt vor ihr auf dem Balkon. Zumindest war es dem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen ein Mensch, aber gleichzeitig konnte es wohl unmöglich ein Mensch sein. Menschen pflegen nicht, sich aus der Luft zu materialisieren, dachte sie. Sie ließ den Obstschäler sinken. ?Wer sind Sie??, fragte sie. Was sind Sie, dachte sie bei sich, fand es aber unhöflich, das zu fragen und außerdem schloss sie die Möglichkeit von Halluzinationen nicht aus. ?Ich bin der Tod?, sagte der Tod melodramatisch und schaute sie erwartungsvoll an. ?Oh. Dann halluziniere ich wohl?, sagte sie. Der Tod sah eigentlich wie ein Mensch aus, fand sie, allerdings wie ein sehr müder Mensch und wie ein Mensch von undefinierbarem Alter. Der Tod seufzte. ?Es ist immer das Gleiche, keiner will mir glauben -?, er unterbrach sich: ?Entschuldigen Sie, dass ich mich ohne Einladung setze, aber ich habe einen ziemlich langen Tag hinter mir.? Er setzte sich. ?Glauben Sie mir?, fuhr er fort, ?Sie halluzinieren nicht. Ich bin wirklich da. Auch wenn ich es Ihnen nicht beweisen kann - genauso wenig kann ich Ihnen beweisen, dass Ihr ganzes Leben ein langer Traum war oder dass Sie doch wirklich alles erlebt haben. Außer, Sie erwarten irgendwelche billigen Zaubertricks von mir ? für die bin ich nun wirklich zu alt, obwohl ich sie zugegebenermaßen früher ganz unterhaltsam fand.? Sie versicherte ihm, dass sie keine billigen Zaubertricks erwartete. ?Glauben Sie mir einfach, dass das hier alles wirklich geschieht. Ich hätte einfach als Sensenmann auftauchen sollen, dann wissen die Leute zumindest sofort, wer man ist, andererseits -?, er senkte seine Stimme verschwörerisch, ?ich komme mir doch etwas lächerlich vor, immer in diesem klischeehaften Sensenmannaufzug aufzutauchen - und ich kann ja schließlich so aussehen, wie ich gerade Lust habe. Das Schlimmste ist, dass manche einen dann nicht ernst nehmen, die denken, das wäre ein schlechter Kostümscherz. ? Sie fragte, beziehungsweise sagte mehr: ?Ich soll also sterben?? ?Richtig?, nickte der Tod, offensichtlich erfreut, dass sie so schnell verstanden hatte. ?Und - wie haben Sie das entschieden, dass ich gerade jetzt sterben soll?? Der Tod schaute beiläufig auf seine Armbanduhr - er trug tatsächlich eine bei sich - und antwortete dann. ?Naja, jeder Mensch hat eine begrenzte Lebensdauer. Es ist in etwa so, als ob jeder ein Los zöge, wenn er geboren wird, es steht eben von Anfang an fest. Es leben nun mal nicht alle Menschen gleich lang. Es ist alles sehr willkürlich, wenn Sie so wollen.? Er stand auf. ?Auf jeden Fall ist es für Sie jetzt Zeit, sich von der Erde zu verabschieden.? Sie musste lachen. Es war alles doch etwas absurd. ?Und ich soll jetzt einfach so mit Ihnen mitkommen?? ?Genau?, sagte der Tod. Pause. ?Und wenn ich mich weigere?? Der Tod seufzte wieder laut auf. ?Warum müssen sich die Menschen immer weigern! Erst glauben sie einem nicht und dann kommt das ganze Jammern, ?Nein, ich will noch nicht, ich habe die Blumen noch nicht gegossen? oder ?Aber ich wollte doch noch nach Tibet!?, und da frag ich mich nur: Ach wirklich, gab es dafür vorher keine Gelegenheit?? Er runzelte verärgert die Stirn. Eine kurze Pause folgte, in dem der Tod nachdenklich auf die Dächer der Stadt schaute. ?Natürlich sterben manche Menschen sehr früh, wenn sie noch Kinder sind oder gar bei der Geburt, wenn sie wirklich noch nicht viel gelebt haben. Andere Menschen strotzen so vor Leben, die muss ich dann geradezu überwältigen. Überwältigen ist wirklich die beste Methode, das müsste ich bei jedem machen. Aber dafür habe ich gerade keine Kraft. Ich habe wirklich einen langen Tag hinter mir.? So sah er auch tatsächlich aus. Fast tat er ihr leid. Sie nahm den Apfel wieder in die Hand, der ihr aus der Hand gerutscht war, schälte den Apfel dann zu Ende und viertelte ihn. ?Hören Sie mal?, sagte sie schließlich. ?Ich glaube nicht daran. Ich möchte Sie ja nicht beleidigen, aber das ist doch alles sehr lächerlich. Ich glaube nicht daran, dass der Tod in Menschenform zu einem sprechen kann. Oder dass der Tod überhaupt als eigenständige Person existiert. Noch weniger glaube ich daran, dass von der Geburt an feststeht, wann jemand stirbt, das ist doch alles grober Unsinn. Menschen sterben, weil sie krank werden oder weil sie zu alt sind oder durch ein Unglück oder durch die Hand eines anderen Menschen oder aus weiteren zehntausend Gründen.? Sie legte den Obstschäler beiseite und blickte ihn an. ?Außerdem habe ich überhaupt nicht vor, zu sterben. Ich bin nicht krank, ich bin noch nicht so alt und wenn Sie mich ermorden wollen, dann fangen Sie nicht an, vorher noch lange Reden zu schwingen.? Sie stand auf, ging auf den Tod zu, der immer noch stand, und schob ihn dann langsam, aber bestimmt in Richtung Haustür. ?Ich habe wirklich besseres zu tun, als jetzt zu sterben, glauben Sie mir. Zum Beispiel habe ich gerade einen Apfel geschält und geviertelt, der noch ganz braun wird, wenn ich ihn nicht gleich esse. Und mein Mann kocht gerade - Sie möchten doch sicherlich nicht, dass er umsonst für zwei gekocht hat. Übrigens?, sie lachte, ? die Blumen habe ich auch noch nicht gegossen und mein Mann würde das sicherlich vergessen. Sicher?, sagte sie zum Abschluss und bugsierte ihn über die Türschwelle, ?das Leben ist nicht immer schön? Aber alles in allem lebe ich doch ganz gerne und momentan ist mir einfach nicht nach Sterben.? ?Es war aber sehr interessant, sich mit Ihnen zu unterhalten?, fügte sie noch hinzu. ?Kommen Sie doch in ein paar Jahrzehnten wieder. Ich würde mich freuen. Schönen Tag noch?, sagte sie und schloss die Tür. Den Türknauf noch in der Hand legte sie das Ohr an das Holz und horchte. Sie hörte nichts. Er war wohl tatsächlich verschwunden. Es wunderte sie, dass er nicht wirklich protestiert hatte. Aber, dachte sie dann, während sie zum Balkon zurückkehrte, auch der Tod hat viel zu tun und nicht viel Zeit. Und er hatte ja auch von Anfang an schon sehr erschöpft ausgesehen. Unter Schmunzeln schüttelte sie den Kopf und biss in ein Stück Apfel.
Gooooood morning Vietnam, hier nun also der siebte Schreibwettbewerb unseres Forums erlaubt sind alle Arten von Texten, und das Thema lautet Leben. Wie auch immer ihr das interpretieren möchtet, ist natürlich euch überlassen. Der Einsendeschluss ist (vorerst) der 10. August. Die Abstimmung wird dann, wie meistens, anonym stattfinden.
I wanna play a little game, Otherboard Stellt euren MP3-Player, Ipod oder was euch sonst an Musik-Wiedergabegeräten zur Verfügung steht auf Shuffle und seht mal, was bei euch herauskommt.
1. Dieses Lied ist der allgemeine Titeltrack der Apokalypse.
2. Dieses Lied spielt, wenn ihr euren ersten Zombie tötet.
3. Dieses Lied spielt, wenn ihr von einer Horde Untoter verfolgt werdet.
4. Dieses Lied spielt, wenn ihr einen geliebten Menschen töten müsst.
5. Dieses Lied spielt, wenn ihr eine Gruppe von Überlebenden findet.
6. Dieses Lied spielt, wenn ihr euch in einen von ihnen verliebt.
7. Dieses Lied spielt während des letzten Gefechts.
8. Dieses Lied spielt, wenn ihr denkt, alles überstanden zu haben.
9. Dieses Lied spielt, wenn ihr eine Bisswunde an euch findet.
10. Dieses Lied spielt im Abspann.
Ich werde es gleich mal ausprobieren und bin schon gespannt, wie mein persönlicher Horrorfilm musikalisch unterlegt sein wird.
Thema von Wishmaster im Forum Adventskalender 2012
Liebes Otherboard, mir gebührt die Ehre, das letzte Türchen des Adventskalenders vor der Apokalypse zu öffnen. Morgen endet der Maya-Kalender (tut er nicht, aber wir haben hier eine Verschwörungstheorie, da sind Fakten nebensächlich), und daraus folgt natürlich ganz ohne Zweifel und völlig logisch das Ende der Welt.
Was hat das Otherboard nicht schon alles erlebt! Wir haben den Kollaps von foren-city überstanden und uns neu (und besser, wie ich behaupten möchte - ein Kunststück, das z.B. Fantastik leider nicht gelungen ist) aufgebaut, wir haben Mitglieder kommen und gehen sehen, wir haben in unserem Rollenspiel die Zombie-Invasion hereinbrechen lassen (inklusive stilechtem Unhappy-Ending) und wir haben so manch hitzige Diskussion über Ton und Themen des Forums geführt.
Und damit soll ab morgen Schluss sein, nur wegen so einem dahergelaufenen indigenen Volk, das nicht einmal seine eigene Ausrottung vorhersehen konnte? Nein, nicht mit mir, Freunde! Wenn ich heute abend und morgen nicht so oft online bin, dann liegt das daran, dass ich noch kurz die Welt retten muss!
Da gleich drei Texte die gleiche Anzahl an Stimmen haben, ist hier die Stichwahl. Die Abstimmung läuft bis einschließlich nächsten Mittwoch. Die Spannung steigt
Text 3 - Unbenannt
Dunkel
Ich erinnere mich glasklar an alles. Der Anfang war schrecklich. Ich war die Enge gewohnt, hatte nie etwas anderes gekannt, doch diese übertraf die Vorige bei weitem.
Hell
Meine Iris zog sich ruckartig und schmerzhaft zusammen. Die Kälte schlug mir entgegen, bedeckte meine ganze Haut. Stimmen um mich herum, sie waren so nah, durcheinander, ihre Melodien schwollen diffus auf und ab. Nur die Vertrauteste von ihnen blieb stumm. Ihr Atemgeräusch jedoch war in beinah unverminderter Lautstärke zu hören, wenn auch auf einmal aus großer Entfernung. Ich fühlte mich äußerst unwohl.
Auf einmal ein kurzer, heftiger Schmerz, ein scharfes Geräusch, das mit dem Schmerz zu tun haben musste. Unvermittelt öffnete sich mein Mund, die Kälte kroch in mein Inneres, ich versuchte, zu trinken, doch es gab nichts zu berühren, die Lippen griffen nur Leere. Eine ungeheure Anstrengung, ich konnte mich selbst hören, wie ein Laut aus mir herauskam, der anders klang als die Laute um mich herum. Eine Stimme lachte, sehr schrill klang es, viel zu nah an meinem Ohr. Ich schloss die Augen.
Dunkel
Als ich erwachte, lag ich auf Wärme, die zwar nichts mit der anderen Wärme zu tun hatte, doch vieles andere stimmte wieder: Da war das regelmäßige Pochen, direkt unter mir. Und ich roch. Es war, als hätte die Wärme einen Geruch, der auch mit dem Pochen zu tun hatte. Das alles gehörte zusammen. Ein Gewicht drückte mich fest, bewegte sich über mir, berührte meinen Kopf sehr zart. Ein ungewohntes Gefühl nach den gerade erst durchlebten Schmerzen und der Enge. Es bewegte sich weiter über meinen ganzen Körper, ich spürte seine Grenzen zu meinen Grenzen, konnte erahnen, wo ich selbst aufhörte. Es hörte ebenso unerwartet wieder auf, dafür strich etwas Gegenstandsloses über meine Haut. Die Wärme bewegte sich, hob und senkte meinen Körper, und beinahe war es, als hätten sie und ich schon immer zusammengehört.
Hell
Meine Augen schienen zu platzen, als etwas hart dagegendrückte, sie berührte, sodass ich sie nicht schließen konnte. Einen Moment sah ich Sterne, danach leuchtete etwas, es schmerzte, und dennoch konnte ich nicht anders, als dem gleißenden Licht zu folgen, das sich schnell bewegte. "Hmmm", machte etwas, es war ein Laut, wie ich ihn schon oft gehört hatte, doch noch nie nach dem seltsamen Ereignis. Das Licht verschwand, aber kurz darauf erschien es wieder, ich schaute es an, es war das erste, was ich wirklich sah. Weiter und weiter bewegte sich das Licht, ich musste den Kopf drehen, um es betrachten zu können. Es bewegte sich vor meinen Augen hin und her, auf und ab. Es schien beinahe zu tanzen. Ich verlor mich in dem Strahlen, wollte die Augen nicht mehr schließen, es war das Schönste, was mir bisher passiert war. Da erlosch es wieder, und erneut vernahm ich dasselbe tiefe "Hmmm". Zweimal. "Hmmm."
Als ich ein Jahr später, in Beherrschung der Sprache, jenes Erlebnis erwähnte, glaubte man mir nicht.
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Hell
Jedes Mal, wenn ich die Augen öffnete, konnte ich über mir die Umrisse der Neonröhren erahnen, die mich, alle um mich herum und die Geräte in weißgelbes Licht tauchten. Doch so sehr ich mich auch bemühte, sie blieben verschwommen, ebenso die Lamellen der Deckenvertäfelung. Ich versuchte nicht einmal, dem Arzt einen Blick zuzuwerfen, dazu fehlte mir schlicht die Kraft. Diese entsetzlichen Schmerzen, sie raubten mir jeden Rest von Selbstbeherrschung, schon lange liefen die Tränen haltlos über meine Wangen, sammelten sich in meinen Ohrmuscheln und kitzelten zwischen schweißnassen Haarsträhnen. "Es ist bald vorbei, nicht mehr lange", raunte mir jemand zu, jemand anderes drückte kurz meine Hand, doch ich schaffte es nicht, den Druck zu erwidern. Hatte ich mir das jemals so vorstellen können? Es schien nicht aufzuhören, mit jeder Minute, jeder Schmerzwelle wurde mir schwindeliger. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass es vielleicht nie wieder aufhören würde. Da quietschte auf einmal jemand: "Wie süüüß! Herzlichen Glückwunsch!", und mir wurde endgültig schwarz vor Augen.
Dunkel
Nur langsam kehrten meine Sinne zurück, fiel mir wieder ein, wo ich war und warum. Hatte ich es tatsächlich geschafft? Vorsichtig spürte ich dem Schmerz in mir hinterher, doch er schien bereits abzuebben, war kaum die Erinnerung an das, was ich kurz zuvor durchgemacht hatte. Noch immer schien es mir unvorstellbar zu sein, also ließ ich die Augen vorsichtshalber geschlossen, versuchte, mir vorzustellen, dass alles nur ein Traum gewesen sein könnte. Doch just wurden meine Gedanken unterbrochen von einem Schrei, wie ich ihn in der Art nie gehört hatte, nicht laut, doch von einer wütenden Empörung kündend. Und gleich darauf das Kichern einer Frau: "Ach, so ein Racker!" Ich schaffte es nicht, hinzusehen. Im nächsten Moment würde alles real werden, unumkehrbar, doch nun lag ich nur da, atmete, spürte die Tränenreste auf meinen Wangen und lächelte. Ich spürte ein kaum wahrnehmbares Gewicht. Dann schlug ich die Augen auf.
Hell
Da lag es. Ein Bündel, nicht einmal gewaschen und noch immer mit weißlicher Schmiere bedeckt. Etwas nur annähernd Menschliches kauerte auf meiner Brust, das wie aufgeblasen wirkende Gesicht gegen den Schweiß meiner Haut gedrückt. Es hatte die leicht hervortretenden Augen fest geschlossen. Atemlos hob ich eine schwach zitternde Hand, und zaghaft, als könnte ich es zerquetschen, berührte ich das Bündel. Der Schmierfilm war warm, meine Hand wirkte auf einmal beinah grotesk in ihrer Größe, und mein Atem ging schneller, als es sich unter meinem Streicheln zu bewegen begann.
Doch noch ehe ich mich an diese Situation gewöhnen konnte, trat der Arzt neben mich, in den Fingern eine kleine, silberne Stablampe. Seine Finger, noch größer als die meinen, zogen an den Lidern der Augen, bis eine Iris in verwaschenem Grau zum Vorschein kam, darin Stecknadelpupillen, darum herum keine Wimpern, wo andere welche haben. Augen wie Uhrgläser. Mit der Lampe leuchtete er in beide Augen, aus jeweils verschiedenen Winkeln, beugte sich hinunter, um besser sehen zu können, und kam dabei meiner Brust unangenehm nahe. Mit einem Mal richtete er sich wieder auf, schaute irritiert drein und gab ein tiefes Brummen von sich. Ehe ich ihn fragen konnte, ob etwas nicht in Ordnung sei, leuchtete er erneut mit seiner kleinen silbernen Lampe, bewegte sie immer rascher hin und her, auf und ab, dabei behielt er die grauen Uhrglasaugen stets im Blick. "Hmmm", brummelte er, in einem tiefen Bass, "Hmmm." Endlich getraute ich mich, zu flüstern: "Was ist denn los? Muss ich mir Sorgen machen?" "Keineswegs", entgegnete er und sah mich warm an, "im Gegenteil. So etwas habe ich noch niemals erlebt. Es zeigt nicht nur Reflexe, sondern tatsächlich scheint es...dem Licht zu folgen..."
Irritiert hob ich den Kopf, um dem Bündel auf meiner Brust in die Augen zu sehen. Doch sie hatten sich bereits wieder geschlossen, und aus dem Mund strömten warme, gleichmäßige Atemzüge.
-
Ein Jahr später, zu seinem Geburtstag, wünschte sich mein Kind eine Lampe. Ich kaufte ihm eine Taschenlampe, wir malten zusammen Schattenspiele an die Wand, spaßeshalber blendete ich kurz in seine grüngrauen Augen. Doch statt sie niederzuschlagen, riss es sie auf, sodass die schwarzen Wimpern sie beinahe zu rahmen schienen, und blickte unverwandt in das Licht hinein. "Schau nicht so direkt hin", mahnte ich, "das schadet den Augen, weißt du." Mein Kind erwiderte: "Natürlich, aber...es gibt erst ein einziges Mal, dass ich so etwas Schönes erlebt habe. Und es ist schon so lange her. Ich erinnere mich doch genau." Lachend wuschelte ich ihm durchs Haar und ging in die Küche, um den Kuchen anzuschneiden.
Text 4 - Jahresherbst
Der Tag wird Wärme dunkel und grau im Zimmer
Die Sonne geht Feuer unter und weg im Kamins
Die Zeit ist Freude ewig und gleich im Herzen
Das Ende kommt Feste traurig und schnell im Haus
Text 6 - Rotkäppchen
Schon viel zu lange bin ich hier allein Und such' die entschwundene Liebe mein Es heulen die Wölfe, es fliehen die Ratten Schleich' ich durch die Pfade im schützenden Schatten
Dann seh ich dein Antlitz, so weiß wie der Schnee So weiß wie der Mond über offener See Es heulen die Wölfe, es fliehen die Ratten Lauf' ich dir leis' nach im nachtschwarzen Schatten
Ich werd' dich beschützen, nichts kann dir geschehen Wenn du nur bei mir bleibst - kannst du das verstehen? Es heulen die Wölfe, es fliehen die Ratten Schon spring' ich dich an aus dem eiskalten Schatten
So fand ich die Liebe verloren so lang Und lausche nun täglich ihrem Engelsgesang Uns scheuen die Wölfe, uns fürchten die Ratten Sind wir nun zu zweit dort im todbleichen Schatten
Der fünfte Schreibwettbewerb hat eine erfreulich rege Teilnahme erfahren! Sechs Texte fanden ihren Weg in mein Postfach (meinen jetzt mal mitgezählt), von denen es mir schwer fällt, einen persönlichen Favoriten zu küren. Die Umfrage läuft bis nächsten Dienstag.
Text 1 - Haus der Dunkelheit
Es war einmal vor langer Zeit, da stand ein Haus in Dunkelheit. "Geht nicht hiein in dunkler Nacht", hat man als Warnung angebracht. Man hielt sich dran, ging nicht hinein, nichtmal im hellen Sonnenschein.
Äste knacken, Blätter rauschen, niemand will das Haus durchlaufen. Hört die Geister, hört ihr Lachen, machen mit dir schlimme Sachen. Bleib stehen Kind, bleib fern von hier, denn das Haus, es schadet dir. Es hört nicht drauf, es geht hinein, verloren war's im Sonnenschein.
Der Geist singt seine Lieder, denn er kehrt nie mehr wieder. In dem Reich der Dunkelheit ist er verdammt zur Einsamkeit.
Die Geister kamen schnell herbei, niemand hörte den Kinderschrei. Der Wind allein weiß, was geschah, weil er mit in dem Hause war. Er trug es fort, tief in die Schatten, wo die Geister Seelen hatten. Niemand sah es jemals mehr, das Haus hat keine Wiederkehr.
Der Geist singt seine Lieder, denn er kehrt nie mehr wieder. In dem Reich der Dunkelheit ist er verdammt zur Einsamkeit.
Hört die Lieder, hört die Worte, geht nicht in das Haus hinein. Dieser gibt es vieler Orte, wo du kannst nicht sicher sein.
Der Geist singt seine Lieder, denn er kehrt nie mehr wieder. In dem Reich der Dunkelheit ist er verdammt zur Einsamkeit.
Text 2 - Unbenannt
Es wird nie wieder so gut sein. Ein letzter Gedanke vor der Flucht. Ich beginne zu rennen. Ich höre auf zu denken.
Flucht in den Wald. Licht und Schatten spielen ihr Spiel auf meinem Gesicht. Weißes Licht und grüner Schatten. Nadelwälder sind schwärzer.
Die Lichtung ist weiß. Sie bringt meine Gedanken zurück. Es wird nie wieder so gut sein. wird Gewissheit. Ich will für immer bleiben. Grün, weiß. Nur nicht das Bunt der Welt.
Denn wenn das Alleinsein vollkommen ist, dann bleibt die Erinnerung vielleicht klar. Zu viel Leben ist nur ein Schatten über dem Gewesenen. Ist es möglich von Erinnerungen zu leben? Hoffnung. Versuch? Ich höre auf zu denken.
Text 3 - Unbenannt
Dunkel
Ich erinnere mich glasklar an alles. Der Anfang war schrecklich. Ich war die Enge gewohnt, hatte nie etwas anderes gekannt, doch diese übertraf die Vorige bei weitem.
Hell
Meine Iris zog sich ruckartig und schmerzhaft zusammen. Die Kälte schlug mir entgegen, bedeckte meine ganze Haut. Stimmen um mich herum, sie waren so nah, durcheinander, ihre Melodien schwollen diffus auf und ab. Nur die Vertrauteste von ihnen blieb stumm. Ihr Atemgeräusch jedoch war in beinah unverminderter Lautstärke zu hören, wenn auch auf einmal aus großer Entfernung. Ich fühlte mich äußerst unwohl.
Auf einmal ein kurzer, heftiger Schmerz, ein scharfes Geräusch, das mit dem Schmerz zu tun haben musste. Unvermittelt öffnete sich mein Mund, die Kälte kroch in mein Inneres, ich versuchte, zu trinken, doch es gab nichts zu berühren, die Lippen griffen nur Leere. Eine ungeheure Anstrengung, ich konnte mich selbst hören, wie ein Laut aus mir herauskam, der anders klang als die Laute um mich herum. Eine Stimme lachte, sehr schrill klang es, viel zu nah an meinem Ohr. Ich schloss die Augen.
Dunkel
Als ich erwachte, lag ich auf Wärme, die zwar nichts mit der anderen Wärme zu tun hatte, doch vieles andere stimmte wieder: Da war das regelmäßige Pochen, direkt unter mir. Und ich roch. Es war, als hätte die Wärme einen Geruch, der auch mit dem Pochen zu tun hatte. Das alles gehörte zusammen. Ein Gewicht drückte mich fest, bewegte sich über mir, berührte meinen Kopf sehr zart. Ein ungewohntes Gefühl nach den gerade erst durchlebten Schmerzen und der Enge. Es bewegte sich weiter über meinen ganzen Körper, ich spürte seine Grenzen zu meinen Grenzen, konnte erahnen, wo ich selbst aufhörte. Es hörte ebenso unerwartet wieder auf, dafür strich etwas Gegenstandsloses über meine Haut. Die Wärme bewegte sich, hob und senkte meinen Körper, und beinahe war es, als hätten sie und ich schon immer zusammengehört.
Hell
Meine Augen schienen zu platzen, als etwas hart dagegendrückte, sie berührte, sodass ich sie nicht schließen konnte. Einen Moment sah ich Sterne, danach leuchtete etwas, es schmerzte, und dennoch konnte ich nicht anders, als dem gleißenden Licht zu folgen, das sich schnell bewegte. "Hmmm", machte etwas, es war ein Laut, wie ich ihn schon oft gehört hatte, doch noch nie nach dem seltsamen Ereignis. Das Licht verschwand, aber kurz darauf erschien es wieder, ich schaute es an, es war das erste, was ich wirklich sah. Weiter und weiter bewegte sich das Licht, ich musste den Kopf drehen, um es betrachten zu können. Es bewegte sich vor meinen Augen hin und her, auf und ab. Es schien beinahe zu tanzen. Ich verlor mich in dem Strahlen, wollte die Augen nicht mehr schließen, es war das Schönste, was mir bisher passiert war. Da erlosch es wieder, und erneut vernahm ich dasselbe tiefe "Hmmm". Zweimal. "Hmmm."
Als ich ein Jahr später, in Beherrschung der Sprache, jenes Erlebnis erwähnte, glaubte man mir nicht.
-
Hell
Jedes Mal, wenn ich die Augen öffnete, konnte ich über mir die Umrisse der Neonröhren erahnen, die mich, alle um mich herum und die Geräte in weißgelbes Licht tauchten. Doch so sehr ich mich auch bemühte, sie blieben verschwommen, ebenso die Lamellen der Deckenvertäfelung. Ich versuchte nicht einmal, dem Arzt einen Blick zuzuwerfen, dazu fehlte mir schlicht die Kraft. Diese entsetzlichen Schmerzen, sie raubten mir jeden Rest von Selbstbeherrschung, schon lange liefen die Tränen haltlos über meine Wangen, sammelten sich in meinen Ohrmuscheln und kitzelten zwischen schweißnassen Haarsträhnen. "Es ist bald vorbei, nicht mehr lange", raunte mir jemand zu, jemand anderes drückte kurz meine Hand, doch ich schaffte es nicht, den Druck zu erwidern. Hatte ich mir das jemals so vorstellen können? Es schien nicht aufzuhören, mit jeder Minute, jeder Schmerzwelle wurde mir schwindeliger. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass es vielleicht nie wieder aufhören würde. Da quietschte auf einmal jemand: "Wie süüüß! Herzlichen Glückwunsch!", und mir wurde endgültig schwarz vor Augen.
Dunkel
Nur langsam kehrten meine Sinne zurück, fiel mir wieder ein, wo ich war und warum. Hatte ich es tatsächlich geschafft? Vorsichtig spürte ich dem Schmerz in mir hinterher, doch er schien bereits abzuebben, war kaum die Erinnerung an das, was ich kurz zuvor durchgemacht hatte. Noch immer schien es mir unvorstellbar zu sein, also ließ ich die Augen vorsichtshalber geschlossen, versuchte, mir vorzustellen, dass alles nur ein Traum gewesen sein könnte. Doch just wurden meine Gedanken unterbrochen von einem Schrei, wie ich ihn in der Art nie gehört hatte, nicht laut, doch von einer wütenden Empörung kündend. Und gleich darauf das Kichern einer Frau: "Ach, so ein Racker!" Ich schaffte es nicht, hinzusehen. Im nächsten Moment würde alles real werden, unumkehrbar, doch nun lag ich nur da, atmete, spürte die Tränenreste auf meinen Wangen und lächelte. Ich spürte ein kaum wahrnehmbares Gewicht. Dann schlug ich die Augen auf.
Hell
Da lag es. Ein Bündel, nicht einmal gewaschen und noch immer mit weißlicher Schmiere bedeckt. Etwas nur annähernd Menschliches kauerte auf meiner Brust, das wie aufgeblasen wirkende Gesicht gegen den Schweiß meiner Haut gedrückt. Es hatte die leicht hervortretenden Augen fest geschlossen. Atemlos hob ich eine schwach zitternde Hand, und zaghaft, als könnte ich es zerquetschen, berührte ich das Bündel. Der Schmierfilm war warm, meine Hand wirkte auf einmal beinah grotesk in ihrer Größe, und mein Atem ging schneller, als es sich unter meinem Streicheln zu bewegen begann.
Doch noch ehe ich mich an diese Situation gewöhnen konnte, trat der Arzt neben mich, in den Fingern eine kleine, silberne Stablampe. Seine Finger, noch größer als die meinen, zogen an den Lidern der Augen, bis eine Iris in verwaschenem Grau zum Vorschein kam, darin Stecknadelpupillen, darum herum keine Wimpern, wo andere welche haben. Augen wie Uhrgläser. Mit der Lampe leuchtete er in beide Augen, aus jeweils verschiedenen Winkeln, beugte sich hinunter, um besser sehen zu können, und kam dabei meiner Brust unangenehm nahe. Mit einem Mal richtete er sich wieder auf, schaute irritiert drein und gab ein tiefes Brummen von sich. Ehe ich ihn fragen konnte, ob etwas nicht in Ordnung sei, leuchtete er erneut mit seiner kleinen silbernen Lampe, bewegte sie immer rascher hin und her, auf und ab, dabei behielt er die grauen Uhrglasaugen stets im Blick. "Hmmm", brummelte er, in einem tiefen Bass, "Hmmm." Endlich getraute ich mich, zu flüstern: "Was ist denn los? Muss ich mir Sorgen machen?" "Keineswegs", entgegnete er und sah mich warm an, "im Gegenteil. So etwas habe ich noch niemals erlebt. Es zeigt nicht nur Reflexe, sondern tatsächlich scheint es...dem Licht zu folgen..."
Irritiert hob ich den Kopf, um dem Bündel auf meiner Brust in die Augen zu sehen. Doch sie hatten sich bereits wieder geschlossen, und aus dem Mund strömten warme, gleichmäßige Atemzüge.
-
Ein Jahr später, zu seinem Geburtstag, wünschte sich mein Kind eine Lampe. Ich kaufte ihm eine Taschenlampe, wir malten zusammen Schattenspiele an die Wand, spaßeshalber blendete ich kurz in seine grüngrauen Augen. Doch statt sie niederzuschlagen, riss es sie auf, sodass die schwarzen Wimpern sie beinahe zu rahmen schienen, und blickte unverwandt in das Licht hinein. "Schau nicht so direkt hin", mahnte ich, "das schadet den Augen, weißt du." Mein Kind erwiderte: "Natürlich, aber...es gibt erst ein einziges Mal, dass ich so etwas Schönes erlebt habe. Und es ist schon so lange her. Ich erinnere mich doch genau." Lachend wuschelte ich ihm durchs Haar und ging in die Küche, um den Kuchen anzuschneiden.
Text 4 - Jahresherbst
Der Tag wird Wärme dunkel und grau im Zimmer
Die Sonne geht Feuer unter und weg im Kamins
Die Zeit ist Freude ewig und gleich im Herzen
Das Ende kommt Feste traurig und schnell im Haus
Text 5 - Unbenannt
Der Wald als einzige Masse vor ihr, dunkler als die Nacht. Der Mond scheint nicht. Pia bringt die Kerzen, denn sie hat ohnehin ein Feuerzeug. Vilma die Karten. Es sind Pokerkarten, normalerweise. Jetzt sind sie in der Tasche, mit klammen Fingern greift sie danach, ein Gummiband fest darum. Das Knirschen dünner Reifen auf dem längst festgefahrenen Schotter. Es sind Fahrradreifen, Pias Reifen. Kein Licht. Pia hat noch nie auf so etwas geachtet. Jetzt ist sie da. Hey - Hey. Hast du alles. Die Karten, ja. Kerzen. Dann können wir los. Der Waldrand zeigt in Taschenlampenlicht einen Pfad, den Vilma schon nicht mehr gekannt hätte. Dort oben haben wir Hütten gebaut. Wir wollten dort einmal schlafen. Ja, gehen wir dort hin. Den Hang hinauf dauernd das Hängenbleiben an Brombeerranken, Stolperfallen, Fußangeln. Schweiß in der Herbstnachtkälte. Hier, hier war es. Siehst du, der umgestürzte Baum, daran haben wir. Kälteschauder. Es ist zu kalt, denkt Vilma, trotz allem ist es zu kalt. Ja, und hier durften wir kein Feuer machen, wir haben es nie getan. Stellen wir die Kerzen dort hin? Stellen wir sie dort hin. Wir hatten Angst, erwischt zu werden. Wenn nun der Wald gebrannt hätte. Da, setzen wir uns da hin. Es ist zu kalt, wir können nicht. Die Karten kann man nur legen, wenn man sitzen kann. Kerzenflackern reicht nicht bis auf die Höhe einer erwachsenen Frau. Nun flackern die Kerzen schon. In Vilmas klammkalten Händen die Spielkarten, Glücksspiel. Ich glaub, das ist ein König hier. Das ist Kreuz. Warum hast du die Taschenlampe. Die Stimmung. Es ist ja Nacht. Sie sind ja im Wald. Pikbube? Ach, was weiß ich. Halt mal ins Licht. Pik. Zitter doch nicht so. Ich mag nicht mehr. Gehen wir ein bisschen. Mir ist kalt. Jetzt sind die Kerzen ausgeblasen. Wo hat sie denn die Taschenlampe? Es ist dunkel um die Freundinnen. Sei nicht so! Schalt doch das Licht ein, bitte!
Text 6 - Rotkäppchen
Schon viel zu lange bin ich hier allein Und such' die entschwundene Liebe mein Es heulen die Wölfe, es fliehen die Ratten Schleich' ich durch die Pfade im schützenden Schatten
Dann seh ich dein Antlitz, so weiß wie der Schnee So weiß wie der Mond über offener See Es heulen die Wölfe, es fliehen die Ratten Lauf' ich dir leis' nach im nachtschwarzen Schatten
Ich werd' dich beschützen, nichts kann dir geschehen Wenn du nur bei mir bleibst - kannst du das verstehen? Es heulen die Wölfe, es fliehen die Ratten Schon spring' ich dich an aus dem eiskalten Schatten
So fand ich die Liebe verloren so lang Und lausche nun täglich ihrem Engelsgesang Uns scheuen die Wölfe, uns fürchten die Ratten Sind wir nun zu zweit dort im todbleichen Schatten
Mir obliegt die Ehre, den fünften Schreibwettbewerb zu eröffnen, was ich hiermit tue
Das Thema lautet Licht & Schatten. Das könnt ihr wörtlich oder als Metapher verstehen - ganz wie ihr wollt. Und um Missverständnisse zu vermeiden: es müssen auch nicht beide Seiten im Text vorkommen, obwohl natürlich auch das möglich ist.
Einsendeschluss ist der 20. November.
Dann wünsch ich euch viel Spaß und Kreativität! Haut in die Tasten
Thema von Wishmaster im Forum Film, Fernsehen und Vi...
Ich dachte, da es einen solchen Thread im alten Forum auch schon gab, sollten wir hier doch auch einen dafür eröffnen
Kick-Ass
Kick-Ass parodiert die klassische Superhelden-Geschichte á la Spider-Man: der nerdige Loser Dave beschließt eines Tages, das Böse zu bekämpfen, bastelt sich sein Kostüm und geht als "Kick-Ass" auf Verbrecherjagd. Dabei wird er bei seinem ersten Einsatz gleich mal fast umgebracht. Dadurch wird sein Körper im Krankenhaus mit Stahlplatten verstärkt, und er nimmt seine Mission wieder auf. Dank MySpace und YouTube entwickelt er sich zu einem wahren Phänomen - aber nicht nur andere, echte Superhelden werden auf ihn aufmerksam, sondern auch der Gangster Frank D'Amico. Der Anfang gerät zugegebenermaßen etwas platt, aber der Film nimmt immer mehr Fahrt auf. Zum Ende hin fast schon zu viel - der Ton schlägt ein wenig arg rasant von komisch zu tragisch um. Trotzdem - Kick-Ass bietet fantastische Choreographien, zahllose Anspielungen auf Comics, einen verdammt guten Soundtrack und überraschend blutig ausgefallene Kämpfe - gerade Hit Girl und Big Daddy gehen nicht gerade zimperlich zur Sache. Die Schauspieler überzeugen, vor allem Chloe Moretz als elfjährige Killerin Hit Girl, und auch Nicolas Cage ist in seiner besten Rolle seit langem zu sehen. Und Hit Girl ist halt einfach die coolste Alles in allem:
Thema von Wishmaster im Forum Literatur und Schreiben
Die Texte hier kennt ihr wahrscheinlich schon aus dem Otherboard. Ich veröffentliche sie hier nochmal in teilweise leicht veränderter Form
Zwei Menschen am Abend
Sie sah ihn an. Er sah sie an. Hand in Hand, Schulter an Schulter standen sie auf einem Hügel und blickten in die untergehende Sonne. Der kalte Abendwind ließ sie frösteln, und ihre nackten Füße im Gras fühlten sich schon fast taub an. Wie lange sie schon hier standen - sie wusste es nicht. Sie wusste auch nicht, ob sie nicht viel öfter hier oben hätten stehen sollen, und nicht nur an diesem Tag. Der Anblick der Stadt unter ihnen, die sich wie ein zähes, graues Meer im Tal ausbreitete, kam ihr fremd vor. Der Himmel, in ein sanftes, schwaches Gelb getaucht, wurde von wirbelnden Wolkenschlieren umspielt. Alles wirkte... abgedunkelt. Wie von Staub bedeckt. Ein feiner Geruch lag in der Luft. Sie schnupperte. Es roch nach Zimt. Sie wusste nicht, wieso, aber es spielte keine Rolle. Dieser letzte Abend musste einfach nach Zimt riechen. Sie schüttelte den Kopf über ihre abschweifenden Gedanken. Gab es nichts Wichtigeres?
Sie hatte keine Angst mehr. Zu Beginn, als klar wurde, was ihnen bevorstand, hatte sie Angst gehabt, aber nun stand er neben ihr, und sie war nicht allein. Sie konnten ohnehin nichts ändern, wovor sollten sie sich dann fürchten? Der letzte Tag war angebrochen, und nichts vermochte die Sonne am Untergehen zu hindern. Sie freute sich fast darauf, wenn es nach Zimt roch, wie schlimm konnte es dann schon sein? Nichts würde mehr sein, wie es war, nichts würde mehr sein. Sie atmete tief durch, schloss die Augen und stellte sich vor, der Staub würde wieder verschwinden, und die Sonne würde wieder scheinen, wie sie es immer getan hatte und nie wieder tun würde.
Der Wind schwoll zu einem Sturm an, und jede Böe brachte die Apokalypse ein Stück näher.
Nach dem Ende
Ein großer, schwarzer Vogel mit einem gewaltigen Schnabel landete auf einem schmutzig weißen Gegenstand. Früher hätte man ihn als "Rabe" bezeichnet, aber das wusste er natürlich nicht, und es war niemand mehr da, der sich an den Namen des Tieres erinnerte. Genau genommen war überhaupt niemand mehr da. Wie lange mochte es her sein? Hundert, vielleicht zweihundert Jahre? Es war kein schleichender Prozess, wie eine Seuche, die mit einem Opfer beginnt und schließlich die gesamte Bevölkerung der Erde auslöscht. Es war auch keine Naturkatastrophe, zum Beispiel ein gigantischer Asteroid, der den Planeten auseinanderreißt. Es geschah einfach. Es widersprach allen Gesetzen der Logik, setzte alles, was man für gesichert hielt, außer Kraft. Es gab nichts, was sieben Milliarden Menschen von einer Stunde auf die andere vernichten konnte. Und dennoch war es passiert. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das rundliche Ding, auf dem der Rabe sich niedergelassen hatte, als Schädel. Die ausdruckslosen, leeren Augenhöhlen blickten ins Nirgendwo, hin zu einem unbestimmten Punkt am westlichen Horizont, an dem gerade eine blutrote Sonne unterging und die langsam verfallenden Gebäudeskelette in leuchtende Farben tauchte. Es war ein schöner Anblick. Der schwarze Vogel wandte die dunklen Augen von der anbrechenden Nacht ab und flog davon.
Loslassen
Sie griff nach seiner Hand. Die kalten, steifgefrorenen Finger fühlten sich an, als wären sie bereits tot, und sie zuckte kurz zurück. Um sie herum war nichts, nur schwarze, weite Leere, an diesem Ort gab es nur sie beide. Der Schnee wirbelte, vom Wind getrieben, um ihre Gesichter, und die Flocken waren wie eisige Stiche auf ihrer Haut. Panik ergriff sie, schnürte ihr die Luft ab. Verzweifelt versuchte sie, ihn noch einmal anzusehen, einen letzten Blick in seine Augen zu erhaschen, doch unerbittlich riss der Sturm seine Konturen mit sich fort, zerrte ihn in das Nichts. Und sie ließ los.
Was bleibt
Wenn die Dunkelheit kommt, dann strahlen wir hell Leuchtend wie Feuer, wie die Sonne so grell Und Licht ist alles, was bleibt.
Wenn die Krieger fliehen, ziehen wir in die Schlacht Erhobenen Hauptes in all unsrer Pracht Und Kraft ist alles, was bleibt.
Wenn die Liebe fällt, dann steigen wir auf Hoch hinauf in den Sternenlauf Und Treue ist alles, was bleibt.
Wenn die Zeit sich neigt, dann dauern wir an Dann streifen wir ab unsren irdischen Bann Und ewig ist alles, was bleibt.
Thema von Wishmaster im Forum Politik und Gesellschaft
Zweifacher Wahlerfolg für Rot-Grün in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz - besser hätte es gar nicht kommen können die Rechtskonservativen sind auf die Plätze verwiesen. Grade die FDP versinkt mit beeindruckender Geschwindigkeit in der Bedeutungslosigkeit.