Ich weiß nicht, ob einige von euch nicht vielleicht schonmal etwas dazu gehört oder gelesen haben, aber heute fiel mir wieder mal ein Phänomen auf, für das ich mich selbst schämen sollte.

Ich selbst bin ja eigentlich definitiv für Konsumverzicht, und ich lese auch gerne Zeug dazu... Berichte von Leuten, die das z.B. ein Jahr lang probieren, nichts "neues" zu kaufen (außer Essen), oder einfach bestimmte Dinge nicht zu kaufen...

Heute sah ich, ganz banal, eine Frau in der Bahn, die eine sehr abgeschabte Tragetasche dabeihatte, bei der das Logo schon abblätterte. Ich dachte: "Hm, eigentlich ist das doch eine Auszeichnung, so eine Tragetasche zu benutzen. Es zeigt, dass die Frau dem immer-wieder-neu-Wahn widersteht, den unsere Gesellschaft, die Wirtschaft und jede einzelne Fußgängerzone uns weismachen will, sondern stattdessen durchhaltefähig bleibt, und trotz des Impulses, sich etwas Neues zu kaufen, bei ihrer Tasche bleibt, die ja immer noch gut trägt, nur eben nicht mehr nach neugekauft aussieht."

Ich selbst bin so semi-erfolgreich in meinen Versuchen, auf sinnlose Käufe zu verzichten. Manchmal überkommt es mich doch und ich kaufe Kleinkram, den ich eigentlich nicht braucht, oder bin der festen Überzeugung, dass die neue Wohnung tatsächlich vier (!) neue Lampen bräuchte, nur weil da vier Kabel an der Decke sind, wo theoretisch Lampen angebracht werden könnten. Ich versuche, nur Second Hand zu kaufen, und tu es dann doch nicht immer, wenn ich zum Beispiel in einen Ethno-Shop o.ä. gehe.

Irgendwie fiel mir dann aber auch ein, dass diese Berichte bezüglich "wie verzichte ich auf möglichst viele Dinge" immer nur von Leuten kommen, die das Geld theoretisch hätten. Es wirkt heroisch, wenn sie sich etwas nicht kaufen, das sie sich eigentlich leisten könnten, wenn sie darauf verzichten, ein Auto zu haben. Während es umgekehrt so viele Menschen gibt, die sich solche Dinge tatsächlich nicht anschaffen können, die eben mit einer jahrealten Tragetasche herumlaufen, weil das Geld für eine neue stattdesen für den nächsten Lebensmitteleinkauf draufgeht.

Aus dieser Perspektive wirkt es fast zynisch, wie ich und viele andere Menschen in meiner Situation diejenigen lobhudeln, die "bewussten" Verzicht betreiben. Warum wird es auf einmal ehrenvoll, wenn eins reich ist und deswegen standhaft am chicen Klamottenladen vorbeigeht? Warum kommen nur solche zu Wort und nicht diejenigen, die solchen Verzicht jahrelang und teilweise auf noch viel grundlegenderen Ebenen der eigenen Existenz betreiben (müssen)?

Ich selbst sehe mich nicht als reichen Menschen, aber habe das Gefühl, dass sich das nach Ende meines Studiums wohl irgendwann ändern kann, und somit empfinde ich das nicht als belastend. Für mich hat Verzicht etwas von Abenteuer, und für die meisten anderen, die solche Artikel gerne lesen, solche Dokus gerne sehen, wohl auch. Es hat etwas rebellisches, sich gegen Konsum zu sperren, und es wird auch sozial belohnt.

Ein drastisches Beispiel sind auch die "Urban Outfitters", die Löcher in ihre nagelneuen Klamotten fabrizieren und Stricksachen herstellen, die schon Pseudo-Flicken an den Ellbogen haben. Menschen, die das tragen, bezahlen viel Geld, um auszusehen wie Leute, die sich keine neuen Klamotten leisten können. Das Perverse und paradoxe daran ist mMn ziemlich offensichtlich.

In New York gibt es, soweit ich weiß, Kampagnen zum Verzicht aufs Auto/für mehr Fahrradnutzung, und den "Trend" des Urban Gardening, also Nutzpflanzen auf öffentlichem Territorium setzen o.ä. Es gibt Reportagen darüber, Interviews mit Menschen, die das machen...
Irgendwann wies eine Journalistin darauf hin, dass, die hier interviewten Menschen alle Weiße sind, die Geld haben. Verlässt eins Manhattan und schaut die Vororte an, sind Fahrräder und Nutzgärten häufiger zu sehen, allerdings eben von Leuten, die das tun, weil sie es brauchen. Weil sie sich kein Auto leisten können, und weil es sie finanziell entlastet, einen Teil ihrer Lebensmittel selbst anzubauen. Diese Menschen werden nicht gelobhudelt, obwohl sie dem Klima genauso guttun wie jene, die "bewusst" aufs Auto verzichten.

Letztendlich wurde es mir dann auch irgendwann bewusst, dass in dem Verzicht-Trend auch eine gehörige Portion "Klassismus" liegt (also abwerten von Ärmeren, Ausnutzen von Machtpositionen durch Leute mit Geld).
Wie ist das zu lösen? Eigentlich will ich ja auch, dass Leute verzichten. Am besten sogar, ohne dass so ein Hype darum veranstaltet wird, aber scheinbar geht es nicht ohne...sonst wäre es den meisten doch wieder egal. Heiligt in diesen Fällen der Zweck die Mittel? Ist es gut und notwendig, Leuten Honig ums Maul zu schmieren, damit sie sich den Kauf des neuen SUV vielleicht doch noch einmal anders überlegen, dafür aber meinen, sie würden jetzt "total nachhaltig" leben, und im schlimmsten Fall auch noch arme Leute abkanzeln mit "ach, stell dich nicht so an, ich weiß auch, wie es ist, zu verzichten!"?

Das war jetzt ein drastisches Beispiel, aber die Intention kommt wohl rüber. In diesem Sinne...diskutiert!

Zitat von Kleo

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Letztendlich wurde es mir dann auch irgendwann bewusst, dass in dem Verzicht-Trend auch eine gehörige Portion "Klassismus" liegt (also abwerten von Ärmeren, Ausnutzen von Machtpositionen durch Leute mit Geld).

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Magst du mir erklären, worin du die Abwertung konkret siehst? Ich komm da zu später Stunde nicht von alleine drauf.
Zu dem Hype: ich weiß nicht, in welchem Ton die Berichte aus New York gehalten wurden, aber es ist eben ein echt total krass revolutionäres Konzept, wenn man im Kapitalismus nicht mehr kauft, obwohl man könnte.

Entschuldige, das war jetzt super konstruktiv - die nächsten Tage mach ich mir mal mehr Gedanken.

Hm, ich seh ein, dass das tatsächlich ein wenig absurd ist. Es ist ähnlich absurd, wie es absurd ist, so zu tun, als sei es heroisch, darauf zu verzichten, dumme sexistische Witzchen zu machen oder rassistische Begriffe zu verwenden. - Dinge zu tun, die selbstverständlich sind oder zumindest sein sollten, ist kein heroischer Akt. Und wenn alles "gutes tun" mit so einer Selbstbeweihräucherung verknüpft ist stellt sich doch die Frage nach der Ernsthaftigkeit und der Motivation. Eigentlich sollte eins Dinge tun, weil eins sie für richtig und gut hält, nicht, weil eins sich selbst dabei so sehr gefällt. Sprich: Was die moralische Bewertung einer Person betrifft halte ich es für arg fragwürdig, wenn "Verzicht" von Seiten eh schon privilegierter, reicher, weißer Menschen auf einmal als großes Verdienst dargestellt wird. Was die moralische Bewertung der Handlung selbst (nicht des/der Handelnden!) betrifft ändert das wohl nichts - Der Effekt ist der selbe (abgesehen von etwaigen gesellschaftlichen Auswirkungen).
Kurz: Es ist einer Kuh egal, ob sie nicht gefressen wird, weil X sich mit dem eigenen Vegetarismus so gefällt und Lobeshymnen von Mitmenschen erwarten kann, oder weil X es für falsch hält, Tiere zu essen. Trotzdem ist X in beiden Fällen unterschiedlich zu bewerten denke ich.

Letztlich heißt das aber auch, dass es unterschiedlich zu bewerten ist, ob ich xy tue, weil ich keine andere Wahl habe, oder ob ich xy tue, weil ich mich dafür entscheide. - Würde X kein Fleisch essen, weil X davon immer schlecht wird, wäre es für die Kuh genauso gut, wie wenn X kein Fleich äße, weil X das für unmoralisch hält. Trotzdem sind beide Fälle unterschiedlich zu bewerten, bezogen auf die handelnde Person X, denke ich.
Und insofern halte ich es durchaus für einen Unterschied, ob ein Mensch kein Auto kauft, weil er das nicht kann, oder weil er es für falsch hält. - Unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Situationen sind mit unterschiedlichen moralischen Fragen konfrontiert. Eine Person, die in einer Lebenssituation ist, in der es zu erwarten wäre, dass sie x macht, sich aber dagegen entscheidet trifft eine Entscheidung. Eine Person, die x garnicht machen könnte nicht. Insofern ist das "x nicht machen" bei der ersten Person ein Verhalten, was wir moralisch bewerten können, im zweiten Fall ist es überhaupt keine Entscheidung. Was sollte eins da bewerten?

Wie dem auch sei - weg von dem ganzen Abstrahieren, Sezieren, Zerstückeln - ich verschwende zu viel, kaufe zu viel und sollte mein Konsumverhalten ändern. Ohne, dass ich micht deswegen toll fühle. Eigentlich sollte das normal sein...
(Ein vollkommener Konsumverzicht ist sicher ein schönes Experiment, vielleciht auch ganz löblich, aber kein Muss, denke ich. Das Problem ist nicht, dass Menschen Dinge konsumieren. Das Problem ist Art und Masse des Konsums. Wir brauchen nicht noch eine alles-oder-nichts-Forderung.)

Aller

Ich finde ihr alle habt irgendwie Recht. Denn ersteinmal seit ihr alle der Meinung, das der Verzicht an sich etwas positives ist. Zweitens, ist es richtig das es eine Unterschied ist, ob ich auf etwas verzichte weil ich muss, oder weil ich will. Und drittens ist in jedem Fall schändlich sich damit zu brüsten!

Ist halt auch wieder die Frage, ob "der Verzicht" an sich so etwas positives ist... Ich würde das ungern so pauschalisieren.
Denn für mich ist es schon ein Unterschied, ob auf etwas verzichtet wird, weil die Überflüssigkeit des Ganzen erkannt wurde, oder ob es im Rahmen eines abenteuerlichen Experiments passiert, das die Person vorrangig veranstaltet, um damit sich selbst zu testen. Mehr eine psychische, eine Egosache also. Hier ist für mich auch die Grenze in Ernährungsdingen: Vegan zu leben, um damit Tiere und Umwelt zu schonen, ist schön, aber vegan zu leben um der eigenen Gesundheit/Esoterik willen und das auch noch auf Rohkost/Vollwertkost etc. auszudehnen, ist in meinen Augen dämlich.

Letztendlich läuft es aber wohl wohl auf dasselbe hinaus, was den Effekt auf den Rest der Welt betrifft...

Ein neuer Gedanke: So lächerlich ich diese Kolumnen bezüglich "ein Jahr ohne XY" meist irgendwie finde (inzwischen), eventuell können sie auch anderen Leuten neue Anstöße geben. Vielleicht ist es sinnlos, so etwas in diesem extremen Maße durchzuziehen, aber es könnte zumindest vermitteln: "Dieser Mensch hat komplett ohne Plastik gelebt, dann wirst du es doch immerhin schaffen, nicht in jedem Geschäft eine Plastiktüte mitzunehmen."
Oder: "Dieser Mensch fährt niemals Auto, dann wirst du es doch schaffen, wenigstens zum Einkaufen im Nachbardorf mit dem Fahrrad zu fahren."

Was mich eigentlich nur an der Öffentlichkeitswirksamkeit dieser ganzen Debatte nervt, ist der erwähnte Klassismus, denn die meisten Menschen, die wirklich auf vieles verzichten, und das unfreiwillig, kommen eigentlich nie zu Wort. Neulich hab ich eine Talkshow gesehen (tatsächlich! Als Stream auf irgendeiner Website), in der es um Verzicht auf Besitz ging, und es wurden natürlich viele Experimentierer_innen eingeladen, eine ehem. Nonne, und eine einzige (!) Frau, die tatsächlich verzichten musste, weil sie arm war. Bzw. arm gewesen war, denn statt dass eine Person eingeladen wird, die tatsächlich Hartz IV beziehen muss oder so... nein, sitzt da eine Dame, die durchaus sehr reich war, und nur aufgrund falscher Anlageberatung privatinsolvent gegangen war, wovon sie sich inzwischen wirtschaftlich wieder erholen konnte. Ich war etwas sprachlos, dass in einer Talkshow, in der es um Verzicht geht, keine einzige Person zu Wort kommt, die tatsächlich gezwungenermaßen ein Leben lang auf Dinge verzichten muss, die anderen selbstverständlich sind. Klassismus in Reinform. (Wenn eine arme, arbeitslose Person es erzählt, ist es weniger spannend, denn die macht es ja nicht aus coolen Gründen, da hören wir lieber nicht zu.)

Hm, zumindest in D geht Armut nicht zwangsläufig mit einem Verzicht einher, der weniger Verschwendung, Ressourcenverbrauch usw. zur Folge hat, oder? Häufig ist es sogar umgekehrt - dass Kleidung, die nicht fünf mal um den Globus gereist ist teurer ist, dass Plastikbeutel kostenlos hinterhergeworfen werden, wiederverwendbare Stofftaschen hingegen etwas kosten, eingeflogenes Obst billiger ist, als vor Ort produziertes Biozeug, bei McDonalds isst es sich recht günstig usw. - Sprich: Es ist ein erzwungener "Verzicht" auf Luxus, der aber nicht unbedingt vergleichbar ist mit den Arten von "bewusstem" Verzicht, von dem bislang die Rede war.

Ich seh schon ein, dass tatsächlich eine gewisse (klassistische) Selbstgefälligkeit weißer Reicher WestlerInnen (und damit verknüpfte Herabwertung Anderer) eine Rolle spielt, wie Schildkröte und Kleo angedeutet haben - aber gerade bezogen auf Kleos letzten Post möchte ich doch noch ergänzen, dass das neben zu Beginn von mir genanntem auch noch andere Gründe hat. Bezogen auf Leute, die anders könnten, geht es halt um eine aktive Entscheidung, über die eins reden kann, bei der Motivationen diskutiert werden können, hinter der ein Gedanke steht. Das ist bei armutbedingtem Verzicht nicht zwangsläufig der Fall. Bei letzterem steht der Verzicht nicht von Alleine als Thema im Raum - und wenn, dann als ein "Armutsphänomen", was soziale Fragen aufwirft, aber nicht als politischer Standpunkt, moralische Frage usw. - was nicht heißt, dass es nicht interessant wäre, den Fokus stärker auch in diese andere Richtung zu lenken.

Das "Ein Jahr ohne xy"-Gedöns finde ich vom Konzept her insofern seltsam, als es so durch und durch als "Experiment" konzipiert ist, am besten noch mit einer gewissen Abenteuerlust verknüpft. Ein Versuch auf Zeit - nämlich für ein Jahr. - Das spricht sich selbst ein wenig die Ernsthaftigkeit ab, oder?

Wisst ihr, das alles erinnert mich irgendwie an die Zeit von Ludwig des XIV. Dort hat die Hofgemeinschaft auch Schäfer im Schlossgarten gespielt. wisst ihr was ich meine...

Ein sehr schöner vergleich

Natürlich sind nicht alle Leute, die so etwas versuchen, nur "spiel"orientiert. Jasper hat mMn schon recht damit, dass solche Ein-Jahres-Experimente nicht ernsthaft sein können, wenn die Person das sowieso nur tut in dem Wissen, hinterher wieder zum alten, bequemen Lebensstil zurückzukehren. Und natürlich gibt es auch welche, die im Laufe dieser Zeit merken, dass es auf Dauer gar nicht so unmöglich ist, wie es am Anfang schien, und als Folge davon ihren Lebensstil dauerhaft so umkrempeln...oder zumindest teilweise, was ja auch schon positiv zu werten ist.

Ich finde es wirklich immer noch sehr schwierig, darüber zu urteilen. Selbst in meiner Position als Veganerin weiß ich, dass ich das nicht bleiben muss, ich habe zwar kein Verlangen nach Fleisch, aber wenn ich sagen würde: Ich schaffe das nicht, mein Körper leidet darunter, ich schaffe es psychisch nicht, etc... dann müsste ich ein paar Kommentare einstecken, aber ansonsten wäre es unproblematisch, wieder Eier und Milchprodukte zu konsumieren. Ich glaube nichtmal, dass mir jemand deswegen böse wäre. Von daher hat es auch etwas von einem Experiment. Ich denke mir auch: Wirst du das dein Leben lang machen? Wirst du irgendwann aufgeben? Was ist, wenn du aus Versehen mal schwanger wirst und ein Kind zu versorgen hast? Aber vielleicht ändert sich auch irgendwann die Gesellschaft, und vegan zu leben wird viel einfacher als bisher, weil viele Leute es tun? (mehr als die derzeitigen 0,6%...)
Ich weiß es nicht, und kann nicht in die Zukunft sehen, also leb ich so in den Tag hinein...es bleibt spannend xD

Neulich wurde mir vorgeworfen, dass ich nur deswegen vegan sei, weil ich so privilegiert bin, und mir die ganzen coolen Bio-Vegan-Produkte bei Alnatura etc. leisten könnte, und ich wollte der Person entgegenwerfen, dass ich von 600 Euro im Monat lebe (ohne Miete knapp 300) und sie sich ihr Urteil an den Hut stecken kann. Andersherum, wie schon erwähnt... vielleicht fällt es mir nur deswegen leicht, weil ich weiß, dass es sich irgendwann ändern wird, dass ich nicht immer so wenig Geld zur Verfügung haben werde und somit nicht diese Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit entsteht, die "echte" Armut nunmal meist mit sich bringt.

Wahrscheinlich können wir alle nicht wirklich nachvollziehen, wie es ist, arm zu sein, bis wir es selbst mal erlebt haben. Aber wie soll sich das auch je ändern, wenn arme Menschen medial immer derartig übergangen werden?

Mal eine prinzipielle Frage: wo seht ihr denn den Verzicht-"lifestyle"? Mir ist noch nie eine Person begegnet, die sich da total mit gebrüstet hat. Natürlich gibt's diesen Witz, dieses Klischee, von jemandem, der mit dem Porsche Cayenne beim Biomarkt vorfährt, aber tatsächlich begegnet ist mir sowas noch nie.
Natürlich gibt's dann Artikel und Dokumentationen über Vorhaben wie guerilla gardening, etc., aber ich stelle mir vor, dass das weniger mit Selbstdarstellungswünschen der Beteiligten zu tun hat, als damit, dass irgendwelche Journalisten/Berichterstatter auf der Suche nach einer Story waren.

Ja, schon klar das sich Hinz und Kunz nicht damit brüsten. Zumindest nicht öffentlich. Aber ich rege mich auch mehr über, sagen wir mal die Charity Queen auf!

@ Kaktus: Doch, leider habe ich sowas schon einige Male erlebt. Oft auch in Kombination mit einem Anspruchs- und Absolutionsdenken... "Wir kaufen schon immer alles auf dem Wochenmarkt ein, da können wir doch zumindest (...)", etc. (In diesem Fall ging es, glaube ich, um den Konsum von Hackbraten.)

Und ich sehe des öfteren SUVs vor dem Biomarkt stehen, vielleicht aber auch, weil ich so misanthropisch bin und darauf achte

Abgesehen davon gebe ich dir im letzten Punkt recht: Eigentlich wollte ich eher die Repräsentation von sowas in Fernsehen und Presse anprangern, die mNn ein tiefergreifendes, den meisten unterbewusstes problem darstellt. Allerdings denke ich auch, dass die meisten, die auf sowas angesprochen werden, es eher toll finden, jetzt was über ihren coolen Lebensstil erzählen zu können, statt sich Gedanken zu machen, warum ausgerechnet SIE dafür ausgewählt wurden...und dass das eventuell etwas mit Privilegien zu tun haben könnte.

Dazu gibt es zwei Seiten!
Eigentlich dachte ich ursprünglich nämlich , dass die Menschen dadurch irgendwie gleicher (Gibt's das Wort überhaupt?) werden.
Es stimmt aber beides!

Hm, zum kurz angesprochenen Veganismusthema - das mag für arme Menschen in Sibirien ein Problem sein, in Deutschland, zumindest jedenfalls in Großstädten, ist das ohne größere Probleme möglich und auch finanziell letztlich eher unproblematisch. Es sagt ja niemand, dass es immer einfach ist, auf Dinge zu verzichten und sich so zu verhalten, wie eins das für richtig hält. Aber am finanziellen Aspekt scheitert es wohl selten - eher an soziokulturellem Strukturzeug, das an Geld gekoppelt ist.
Ich hab mich jedenfalls, während ich ein Jahr in Straßburg gelebt hab (wo die Situation für Veganerinnen eher schlechter ist als in gleichgroßen deutschen Städten), durchgehend vegan ernährt, ohne dass das ein großer, toller Verzicht gewesen wäre, irgendeine "Leistung" oder sonstwas. Und finanziell war das auch kein Problem - ich habe für Nahrungsmittel wohl so um die 3? pro Tag bezahlt. - Sprich: Die Probleme, die Menschen damit haben können, sich auf eine vegane oder annähernd vegane Ernährung umzustellen können psychologischer Art sein, soziokultureller Art, können vom sozialen Umfeld, Erkrankungen, besonderer Abhängigkeit von bestimmten Lebensmitteln o.Ä. abhängen - aber teurer ist es nicht zwangsläufig. Zumal eins halt nicht die Alnatura-Edelprodukte kaufen muss. Das kann ich mir auch eher selten leisten.
(Trotzdem - klar, ich habe es da leichter als andere Menschen. Ich habe keine Allergien, habe ein finanziell einigermaßen gut gestelltes Elternhaus, eine Familie, die mir keinerlei Probleme diesbezüglich macht, sondern im gegenteil mich unterstützt, ein soziales Umfeld, in dem Veganismus/Vegetarismus recht akzeptiert und verbreitet ist, wohne in einer deutschen Stadt und habe keine großen Probleme bezüglich des ganzen Essensthemenkomplexes... Meine Privilegien sind mir diesbezüglich bewusst. Mir ging es jetzt nur um den finanziellen Aspekt.)

Zum Thema "sich mit Verzicht profilieren" - mir geht es tendentiell eher wie Kaktus. Ich begegne entsprechenden Menschen eher selten, auch wenn das wohl vorkommt. Ich glaube aber, dass offenes sich profilieren da seltener ist als ein pseudo-subtiles Überlegenheitsgefühl, was genauso eklig sein kann... However.