Muss/Sollte Sado-Masochismus denn dann als Krankheit betrachtet werden, wenn der/die Betroffene drunter leidet? Wenn ja - was heißt "Krankheit" dann überhaupt? Ist der Sado-Masochismus bei diesen Menschen anders, was ja der Fall sein müsste, um beides in zwei Verschiedene kategorien stecken zu können, oder sind es andere Eigenschaften des Menschen, die zu Leiden oder Nicht-Leiden führen und zu einer unterschiedlichen Einstellung dem Masochismus gegenüber, was eine Ungleichbehandlung von Masochismus, der mit Leid verbunden ist und welchem, wo das nciht der Fall ist, nicht rechtfertigen würde, oder?

Keine Ahnung, ich drück mich komisch aus und schwafle drumherum... Um mal ein anderes Beispiel zu bemühen, was vielleicht klarer ist (mein Geschreibsel, jaja ^^) - Wenn eins einen homosexuellen Menschen in eine Welt steckt, in der Homosexualität normal und akzeptiert ist, wird er wohl in der Regel nicht drunter leiden. Steckt eins denselben Menschen in eine Welt, in der Homosexualität verteufelt und als "krank" dargestellt wird, wird er wohl mit recht großer Wahrscheinlichkeit selbst unter seiner Sexualität leiden.
Aber das heißt doch nicht, dass das eine "krank" ist, das andere nicht, oder? An der Sexualität an sich hat sich ja nichts geändert nur an dem Verhältnis der Gesellschaft und folglich auch des Individuums zu seiner eigenen Sexualität.

Mit welcher Begründung möchte eins also eine Zweiteilung von "Masochismus mit" bzw. "ohne Leidensdruck" in "krank" und "nichtkrank" Aufrechterhalten?

Und ja, ich denk auch, dass es tendentiell in einem queeren Umfeld anzusiedeln ist. Wie siehst du das bei Pädophilie und Zoophilie, blubbl?

Vielleicht weiß Kleo ja was dazu, wie das in der diagnostischen und Diagnosekriterien festlegenden Praxis gehandhabt wird?

Von einem Ideal, einem "so fände ich das gut" her betrachtet? wäre eine Krankheit für mich natürlich etwas, das mehr oder weniger unabhängig von der entgegengebrachten Toleranz zu Leid führt (sobald sie existiert, die Entstehung meine ich damit nicht).

Über Pädophilie und Zoophilie hab ich mir noch nie tiefere Gedanken gemacht, unter anderem auch, weil die Präsenz der Themen in den Teilen des Internets, die ich lese, recht niedrig ist. In Blogs wie Pervocracy wird ja glücklicherweise Consent sehr hoch gehalten? Soll heißen, mir ist da noch kein Naheverhältnis aufgefallen.
Allerdings, realistische Einschätzungen von Pädophilie kamen wohl schoneinmal eher aus dieser Ecke? hm.

Zitat

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Von einem Ideal, einem "so fände ich das gut" her betrachtet? wäre eine Krankheit für mich natürlich etwas, das mehr oder weniger unabhängig von der entgegengebrachten Toleranz zu Leid führt (sobald sie existiert, die Entstehung meine ich damit nicht).

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Klingt mir recht sympathisch, der Ansatz - ich denk nur, dass die Anwendung recht problematisch ist, weil man ja fiktive Szenarien zur beurteilung verwenden muss. Und lässt sich der Faktor "Entgegengebrachte Toleranz" einfach so rausrechnen? - Ich meine nur (Argh, meine Sprache -.-) - lässt es sich wirklich sagen, ob und inwiedern nun Pädophilie bei den betroffenen auch dann Leid verursachen würde, würde ihnen Toleranz entgegengebracht, käme also nicht gesellschaftliche Stigmatisierung als Faktor hinzu? Ich glaube, das ist recht... kompliziert...

Damit hast du sicher recht. Ich bin mir auch nicht sicher, wie ich das unterschieden haben möchte, aber, irgendetwas muss da doch sein? Also, die "Krankheit" wäre für mich immer etwas in der Person liegendes, was als Ursache für irgendwelches Leid dieser Person gesehen wird, und das zieht gerade bei Pädophilie überhaupt nicht. Nun kann ich natürlich einfach sagen, das wäre keine Krankheit, sondern eben eine sexuelle Vorliebe wie alle anderen, die halt aus guten Gründen nicht ausgelebt werden darf. Dabei braucht die Person natürlich Hilfe, als wäre sie krank.
Wobei wir wohl wieder bei dem alten Punkt sind? manche Dinge müssen als "Krankheit" bezeichnet werden, damit Krankenkassen Therapiekosten tragen?

...womit man bei normativen Wirkungen ökonomischer Faktoren wäre

Hm, soweit ich weiß, kategorisiert der ICD10 alles, was in Richtung Sadomasochismus geht, schon als Krankheit, sofern dies hier erfüllt ist:
- Die Wünsche/Phantasien halten länger als 6 Monate an
- Die Betroffenen selbst leiden darunter
- Es kommen andere Personen (ungefragt) zu Schaden

Der erste Punkt ist nur notwendig, um im Fall 2 oder 3 tatsächich die Diagnose einer solchen "Störung" zu stellen. Das passiert eben dann, wenn die betreffenden Personen sich selbst wünschen, ohne dieses Verlangen zu leben und somit den zugang zu einer Therapie oder behandlung möchten.

Also, jedenfalls ist es so im Idealfall...ich weiß nicht, ob es nicht auch menschen gibt, denen so etwas gegen ihren Willen aufgezwungen wird, und vielleicht passieren solche ICD10-Einordnungen auch eher bei Menschen, die allgemein psychisch angeknackst sind und bei denen sadistische/masochistische tendenzen noch hinzukommen.

Unnötig zu erwähnen, dass auch Homosexualität lange in dieser Liste als Krankheit geführt wurde, somit ist fraglich, ob Sadomasochismus ewig da drinstehen wird, oder ob sie es nicht irgendwann rausnehmen, weil es auf veralteten "ethischen" Vorstellungen basiert.

Wenn ich in einer S/M-Beziehung wäre, die das Verhältnis auf alle Lebensbereiche ausdehnt, würde ich vielleicht zusehen, dass meine Zurechnungsfähigkeit irgendwie bescheinigt/bestätigt wird und dann eine schriftliche Zustimmungserklärung aufsetzen...vorausgesetzt, ich hätte die geduld zu solcher Pedanterie...

Und mal wieder erwartet euch ein dröger, unausgegorener Post:

Zitat

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Hm, soweit ich weiß, kategorisiert der ICD10 alles, was in Richtung Sadomasochismus geht, schon als Krankheit, sofern dies hier erfüllt ist:
- Die Wünsche/Phantasien halten länger als 6 Monate an
- Die Betroffenen selbst leiden darunter
- Es kommen andere Personen (ungefragt) zu Schaden

Der erste Punkt ist nur notwendig, um im Fall 2 oder 3 tatsächich die Diagnose einer solchen "Störung" zu stellen.

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Hm, ukay - das ist ja streng genommen nichts, was sich auf Sado-Masochismus bezieht, sondern auf Sado-Masochismus, der zu leiden bei der betroffenen oder anderen Personen führt. Es geht also nicht inhaltlich um Sado-Masochismus, sondern um negative Folgen, die von was auch immer ausgehen können - in diesem Fall von Sado-Masochismus, es könnte sich aber auch auf alles andere beziehen. Das, was hier die Kategorisierung begründet sagt ja nichts auf inhaltlicher Ebene über besagte Form von Sexualität - genauso kannst du sagen, dass es keine Krankheit ist, gelbe Tomaten roten Tomaten vorzuziehen, dass es aber sehr wohl als solche klassifiziert werden kann wenn der/die betreffende darunter leidet.

Allgemein ist es sehr schwierig bezogen auf psychische Phänomene, auf sexualitätsbezogene Eigenschaften einer Person o.Ä. etwas als "Krankheit" bezeichnen zu wollen, oder? Es so einzuordnen... Eine Pathologisierung und Kategorisierung in diesem Bereich muss, zwangsläufig, auf ganz anderen Kriterien basieren als etwas die Pathologisierung und Kategorisierung einer chronischen Leberentzündung o.Ä., wo es schlicht darum geht, dass ein Organ "nicht mehr funktioniert" (Sofern eins den gewöhnlichen, als "gesund" definierten Zustand, der nicht zu Schmerzen, Behinderung der Alltagsbewältigung, früherem Tod o.Ä. führt als "funktionieren" bezeichnen möchte... - Klar, selbst das ist evt. kritisch zu betrachten, gerade hinsichtlich des daraus resultierenden Umgangs mit behinderten Menschen o.Ä. Aber es scheint mir kaum eine praktikable Alternative zu geben. Und davon abgesehen scheinen mir derartige Kriterien relativ "objektiv" zu sein (wo wir doch letzthin in dem Kunst-Thread über den Begriff sprachen...)).

Klar, auch bei psychischen Erkrankungen sind biologische, biochemische Veränderungen im Gehirn o.Ä. nachweisbar, aber das ist alles recht schwammig und vielleicht auch gefährlich... (Zumal sich nur durch eine Abweichung noch nichts als "krank" bezeichnen lässt, sofern nicht begründetermaßen (wie bei besagtem Leberentzündungs-Fall) der Zustand, von dem abgewichen wird als der einzig "gesunde" gelten kann.)

Insofern finde ich es halt recht problematisch den selben "Krankheits"-Begriff, der auf Grippe oder so angewandt wird bezogen auf so ein Zeug zu verwenden. - Mir wäre es lieb, gäbe die deutsche Sprache da zwei verschiedene Begriffe her, die das differenzieren. (Mir fällt da nichts ein - Vorschläge, anyone?)

Ganz davon abgesehen sind Begriffe wie "Leiden" und "Zu Schaden kommen" eh recht... bizarr, wenn es um Masochismus oder Sadismus geht, oder?
Was ist mit "Leiden" gemeint, wenn eins über Menschen spricht, die (zumindest teilweise - im Sado-Maso bereich gibt es auch da gewaltige Unterschiede) Leiden wollen, daraus sexuelle Lust beziehen etc.? Da reden wir doch von zwei vollkommen unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Wortes "Leiden". Auch da wäre eine sprachliche Differenzierung wohl wünschenswert, denke ich - ansonsten verheddert eins sich sprachlich recht schnell.
Eine Masochistin mag z.B. wollen, dass sie geschlagen wird, dass sie erniedrigt wird, whatever, mag also "leiden" wollen, kann also leiden, ohne darunter zu leiden - allein, dass dieser Satz inhaltlich verständlich ist (hoffe ich) und trotzdem letztlich formal betrachtet irgendwie paradox zeigt doch irgendwie, dass diese Begriffe hier nur schwer verwendet werden können, oder?
Selbiges gilt für das Wort "Schaden". Was wird jetzt genau als Schaden bezeichnet? Ist eine offene Wunde, ist eine gebrochene Rippe, sind Narben oder was auch immer zwangsläufig "Schaden"? Geht es also um äußerliche Folgen? Oder hängt dieser "Schaden"-Begriff von dem geäußerten Willen der Betreffenden ab?

Ich werd mich mal nicht allzu detailliert über das Thema auslassen, sonst ziehe ich nur den Hass der LeserInnenschaft auf mich, fürchte ich ^^
Ich reiße also nur kurz an, was ich sagen will, zeige Problemzeugs auf, das ich sehe und vermeide eine eigene Positionierung - möget ihr es mir nachsehen

Problematisch ist es z.B. auch, wenn ein Mensch nicht willentlich leiden will, sondern wenn der Wille darin besteht, gegen den eigenen Willen zu leiden. Wenn also einvernehmlich nicht einvernehmliches Zeugs gemacht wird. Da kommt eins vom hundertsten ins tausendste und es wir immer komplizierter, weil immer mehr Ebenen des "Wollens" betrachtet werden müssen. Denn auch ein Mensch, der will, dass ihm gegen den eigenen Willen Leid zugefügt wird, will evt. nicht, dass ihm gegen den eigenen Willen Leid zugefügt wird. (Ist das noch irgendwie verständlich? Ich will nur sagen: Für X mag gerade das reizvolle an Gewaltzeugs sein, dass es GEGEN den eigenen Willen ist. Eine Phantasie würde bei X den Reiz verlieren, wäre die Einvernehmlichkeit Bestandteil dieser Phantasie. Daraus folgt aber ja nicht, dass X will, dass irgendjemand X einfach so, gegen Xs Willen zusammenschlägt... - Worüber reden wir also jetzt genau, wenn wir von "Einvernehmlich", "Wollen", "Leiden", "Schaden" usw. reden? Ist ein Machtgefälle, das von zwei gleichgestellten PartnerInnen frei beschlossen wurde, von beiden zu jedem Zeitpunkt kontrolliert wird und aufgehoben werden kann überhaupt noch ein Machtgefälle? Kann Macht einfach in "Spiel" gepackt werden, ohne dass sie die charakteristischen Eigenschaften von "Macht" verliert? Was ist, wenn Person X garkein solches "Spiel" will, weil sich Xs Gedanken und Gefühle eben nicht auf "Spiel" sondern auf "Realität" beziehen? Wenn X kein solches Machtgefälle will, das letztlich keines ist, bzw. nur in einem vordefinierten, künstlichen Rahmen, der in der "Realität" kein Äquivalent hat, weil dadurch alles den Reiz verliert? Da kommen wir in viel problematischere Gefilde, denn aufeinmal muss eins entweder die Position aufgeben, dass alles einvernehmlich und mit der vollen Kontrolle aller Beteiligten stattzufinden hat, oder aber eins muss derartige sexuelle Ausrichtungen als unmoralisch bezeichnen - eine Zwickmühle, wenn beides elementare Bestandteile des eigenen ideologischen und moralischen Weltbildes sind: Freiheit und Gleichheit in sexuellem Zeug auf der einen Seite und die Notwendigkeit von Einvernehmlichkeit auf der anderen Seite.

Und aus diesem Dilemma führt, fürchte ich, auch Kleos Vorschlag einer Zustimmungserklärung und bestätigter geistiger Zurechnungsfähigkeit nicht heraus...

Ganz kurz zum Thema Pädophilie:

Zitat

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Nun kann ich natürlich einfach sagen, das wäre keine Krankheit, sondern eben eine sexuelle Vorliebe wie alle anderen, die halt aus guten Gründen nicht ausgelebt werden darf. Dabei braucht die Person natürlich Hilfe, als wäre sie krank.
Wobei wir wohl wieder bei dem alten Punkt sind? manche Dinge müssen als "Krankheit" bezeichnet werden, damit Krankenkassen Therapiekosten tragen?

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Ich weiß nicht, ob das wirklich notwendig ist. Wenn Pädophilie an sich nicht als Krankheit definiert wäre, Pädophilie unter der der/die Pädophile leidet und/oder die ausgelebt wird hingegen schon könnte entsprechende Hilfe doch von Krankenkassen übernommen werden, ohne dass Pädophilie als Krankheit eingestuft werden müsste: Es werden doch auch vorbeugende Maßnahmen bezahlt, oder? Wenn das für andere Bereiche gilt, warum dann nicht für Pädophile? Eins könnte doch einfach sagen: Bei einer/m Pädophilen ist das Risiko einer psychischen Erkrankung drastisch erhöht, da das zwanghafte Nichtausleben der eigenen Sexualität psychische Erkrankungen begünstigt. Um diesen Erkrankungen vorzubeugen ist also eine Therapie oder andere Hilfsangebote indiziert, auch wenn der Mensch gesund ist... (Vorsorgeuntersuchungen werden ja auch bei Menschen übernommen, die letztlich doch gesund sind...)

Ich möchte an dieser Stelle kurz einwerfen, dass für mich Sadomasochismus keineswegs (nur) in einem Homosexuellen oder Queeren Umfeld existiert.

Ich sehe das auch nicht als Krankheit, solange nicht das Verlangen besteht, dass es aufhört, oder diese Sexuell(en) Fantasie(en) gegen den Willen eines anderen Menschen auszuleben, und diesen dabei in Mitleidenschaft zu ziehen.
Ich denke, bei genau solchen "-willentlich-gegen-den-eigenen-Willen-leiden-" liesse sich doch mit einem bestimmten Wort, das das ganze abbricht sehr gut verhindern, dass etwas gegen den Willen der beiden Parteien geschieht.

Pädophilie finde ich hier schon komplexer, und bin mir auch sehr unsicher, wie man das angehen sollte, wenn es diagnostiziert wird...

Zitat von je1

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Ich möchte an dieser Stelle kurz einwerfen, dass für mich Sadomasochismus keineswegs (nur) in einem Homosexuellen oder Queeren Umfeld existiert.

Ich sehe das auch nicht als Krankheit, solange nicht das Verlangen besteht, dass es aufhört, oder diese Sexuell(en) Fantasie(en) gegen den Willen eines anderen Menschen auszuleben, und diesen dabei in Mitleidenschaft zu ziehen.
Ich denke, bei genau solchen "-willentlich-gegen-den-eigenen-Willen-leiden-" liesse sich doch mit einem bestimmten Wort, das das ganze abbricht sehr gut verhindern, dass etwas gegen den Willen der beiden Parteien geschieht.

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Da stimm ich dir zu (obwohl das mit der Verbindung queer/kinky vl eh ich geschrieben vor ewig, les ich jz nicht nach).

Außerdem: Immer öfter lese ich die sehr sympathische Einschätzung, dass "Safewords" wirklich nur für den Notfall da sind- anzustreben ist, sich so weit auszutauschen, dass es einfach niemandem zu viel wird. Dass Dinge nicht optimal ablaufen gibt es natürlich auch im BDSM, Arschlöcher gibt es auch im BDSM, Gewalt passiert auch im BDSM. Aber hey, die Ansätze, das zu verhindern, sind wirklich besser als sonst so...


Problematisch find ich es, zu ignorieren, dass es auch außerhalb von Dom/sub-Szenen Machtgefälle gibt, wenn Menschen Sex haben. Und hey, je expliziter etwas ist, je besser etwas auch besprochen wird, umso eher kann ich damit gedanklich arbeiten. Eine machtfreie Welt kann ich mir nichteinmal vorstellen, und würde ich soetwas anstreben, warum sollte ich ausgerechnet an dem Punkt anfangen, wo Menschen sich daran erfreuen, ohne, dass es direkt irgendeinen Schaden anrichten kann? Wenn es eine machtfreie Welt geben kann, werden sich wahrscheinlich auch sexuelle Vorlieben und Gewohnheiten ändern, sobald man dieser nahe kommt. Das würden die Leute dann wieder gut finden. Aber "du solltest das nicht mögen, es könnte dich vom rechten Weg abbringen (weil du diesesoderjenes internalisierst)" find ich schon bei Medienkonsum scheiße (...ja, Moffat ist zum Speiben und das merkt man auch an seinen Plots, aber es macht Spaß), bei was eh schon von allen Seiten mit Verboten und Scham belegtem wie Sex umso mehr.

(Zum Thema Fantasien - ja, mir ist klar, dass das nocheinmal was anderes ist - und welche Gründe die haben könnten dieses Video von der awesomen Laci Green: https://www.youtube.com/watch?v=VsA4Ter2VPA ab ca. 1:48 geht es um V*rg*w*ltigungsphantasien.)

Andere Sache - den Titel von diesem Thread hab ich ziemlich scheiße gewählt, Trans*-Themen sind ja recht offensichtlich "Genderkram" , und thematisch sind wir eh schon irgendwo ganz anders angekommen. Also, böse bin ich nicht, wenn neue Themen eröffnet werden, wo es sich anbietet.

edit: Oh, ich konnte den Titel ändern! Hab mir jz wenig Gedanken gemacht und einfach irgendwas passenderes genommen

Ah, Blubbl! Safeword. Das Wort habe ich gesucht.

Hier gibt es einige Menschen, also mehr als mir bis jetzt jemals begegnet sind, die trans sind. Und es ist nicht so als hätte ich irgendetwas dagegen, aber es verwirrt mich total wenn ich nicht einordnen kann ob jemand weiblich oder männlich ist, sagt man dann er oder sie oder fragt ganz dumm? Und ausserdem, sie sind noch so jung, weiss man mit 14 oder 15 schon das man trans ist oder sind die nur dabei ihre Grenzen auszutesten? Und, was mich eigentlich am Meisten verwirrt, wenn n Mädel sich wie en Junge fühlt und nen Freund hat, ist der dann schwul oder bi oder immernoch straight?

Ich hoffe jetzt ich hab mich richtig ausgedrückt und niemanden beleidigt oder so, mich verwirrt das ganze nur ziemlich wie man vermutlich merkt

Zitat von Hel

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Hier gibt es einige Menschen, also mehr als mir bis jetzt jemals begegnet sind, die trans sind. Und es ist nicht so als hätte ich irgendetwas dagegen, aber es verwirrt mich total wenn ich nicht einordnen kann ob jemand weiblich oder männlich ist, sagt man dann er oder sie oder fragt ganz dumm? Und ausserdem, sie sind noch so jung, weiss man mit 14 oder 15 schon das man trans ist oder sind die nur dabei ihre Grenzen auszutesten? Und, was mich eigentlich am Meisten verwirrt, wenn n Mädel sich wie en Junge fühlt und nen Freund hat, ist der dann schwul oder bi oder immernoch straight?

Ich hoffe jetzt ich hab mich richtig ausgedrückt und niemanden beleidigt oder so, mich verwirrt das ganze nur ziemlich wie man vermutlich merkt

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Hm Hel, ich hoffe es ist in Ordnung wenn ich die Antwort an mich reiße- es ist zwar weird, ein bisschen ein Monopol auf solche Themen zu haben, aber da ja bisher niemand geantwortet hat, und ihr dürft mir ja alle widersprechen ^.^ (Du bist inzwischen wohl wieder in D... ich hab es auch überhaupt erst jetzt gesehen) Und noch eine Vorbemerkung: Ich verwende sehr viele Sternchen. Die kommen aus der queeren Ecke (nicht alles was mit Trans(*)themen zu tun hat ist unbedingt queerfeministisch) und werden auf Deutsch auch viel öfter und mehr verwendet als auf Englisch. Andere Schreibweisen von "trans*Person" wären Trans-Person, trans-Person oder Trans Person/trans Person, nur sollte das "trans" irgendwie vom zweiten Wort getrennt sein, weil zb trans*Frauen ja auf jeden Fall Frauen sind, und "trans" nur zusätzliche Infos zu den Umständen ihres Frau-Seins gibt. Deshalb... Bindestrich, Sternchen, Leerzeichen, ganz egal, aber nicht zusammen schreiben. Außer natürlich, eine spezifische Trans-Frau sagt dir, dass sie zB das Sternchen nicht will, dann ist es nicht mehr ok das für sie zu verwenden.

Also, die Sache zu den Pronomen- das hat vordergründig viel mit Etikette und Taktgefühl zu tun, die sind aber wichtig, um trans*Personen vor sogenannten "Mikroaggressionen" zu schützen. Mikroagressionen sind unangenehme Vorkommnisse, die einzeln betrachtet nicht aussehen wie Diskriminierung, die in ihrer Menge aber sehr an die Substanz der betroffenen Personen gehen, wenn etwa wiederholt durch "irgendwelche Kleinigkeiten" ihre Geschlechtsidentität in Frage gestellt wird.

Und die Etikette, die das in diesem Fall verhindern soll, besagt dass es richtig ist zu fragen. Wichtig: Gefragt wird nach den Pronomen, nicht nach dem Geschlecht. Das hängt ja nicht bei allen so eng zusammen. Ich zB sehe mich immer mehr als genderqueer oder nicht-binär, verwende aber auf Deutsch trotzdem (noch?) "sie", weil es ja keine einfache neutrale Option gibt. Andere Menschen sind vielleicht trans*Frauen und verwenden auf Englisch "they"(/them/themself), aus welchen Gründen auch immer, oder ein ganz anderes Pronomen wie "fae", das ohnehin nicht in unser klassisches Pronomen=Geschlecht-Bild passen kann.
Die Frage kann zB heißen "Was sind deine Pronomen?"/"Was ist dein Pronomen?" oder, wenn mensch noch etwas unsicher ist, auch sowas wie "Hey... mit welchen Pronomen darf ich denn über dich sprechen, was ist dir da am liebsten?"

Dabei ist noch zu beachten, dass es einerseits besser ist, in geschützen Umgebungen zu fragen statt in großen Gruppen oder im Bus wo fremde mithören oder so, und dass andererseits nicht alle Menschen in jeder Umgebung das selbe Pronomen verwenden (können). Manche verwenden in der Familie, im Job etc das, das alle erwarten würden, und nur in sichereren, queeren Räumen oder unter Freund*innen das, das ihnen eigentlich lieber ist. Das ist natürlich genauso zu respektieren wie das Pronomen an sich. Und bei manchen ändert sich das bevorzugte Pronomen auch, bei manchen von Tag zu Tag, bei manchen eben "irgendwann im Leben".
Ein Problem ist, dass meist nur die "queer wirkenden", also bestimmte Normen erfüllenden Personen gefragt werden und bei allen anderen angenommen, dass sie cis sind und die erwarteten Pronomen wollen. In Vorstellungsrunden lässt sich das dadurch lösen, dass alle gebeten werden ihre Pronomen dazuzusagen. Gerade in fiesen Sprachen wie Deutsch gibt es auch oft queere Leute, die wollen, dass Pronomen vermieden werden. Andere Lösungen könnten sein, dass er und sie abwechselnd verwendet werden, oder ein ganz neues wie xier. Das kann schwierig sein, ja, aber es ist nunmal was die Person braucht und deswegen gibt es keinen anderen Weg, als es zu üben und sich daran zu gewöhnen.

Wenn man nicht die Möglichkeit hat zu fragen ist das ein bisschen tricky und kommt auf die Umgebung an... Auf Englisch ist ja zumindest in queeren/feministischen Communities das Einzahl-they ohnehin schon etabliert als Default, das zu verwenden geht fast immer.
Auf Deutsch oder in konservativen Umfeldern geht es oft, den Namen zu verwenden und Pronomen zu vermeiden. Das führt halt zu kürzeren Sätzen die etwas awkward klingen können, aber hey, niemand wird misgendered! Eine andere Lösung ist, auf Deutsch abwechselnd "der Mensch" und "die Person" zu verwenden und mit entsprechenden Pronomen weiterzumachen. Nur "es" ist nie, nie ok, außer jemensch bittet explizit darum.

Ich spring mal zum letzten Punkt, ok? Genau wie die Pronomen und das Geschlecht an sich ist auch der Name für die sexuelle Orientierung die Sache jeder_s einzelnen selbst.
Wenn ich deinen Satz mal zerpflücke, das Problem auf das das alles (nicht in deinem Satz, sondern in unseren Denkmustern) aufbaut ist doch das "Mädel, das sich wie ein Junge fühlt". Warum "ein Mädel" denken, wenn wir doch eh wissen dass er sich wie ein Junge fühlt? Fair und freundlich wäre es zu sagen "ein Junge der trans* ist" oder "ein trans*Junge". Es sei denn die Person stellt sich selbst mit dieser Beschreibung vor Also, wenn wir nach den üblichen Konventionen gehen wäre er wahrscheinlich schwul oder bi. Anzunehmen er wäre hetero würde dagegen sein Geschlecht ignorieren. Es geht auch bei sexueller Orientierung jedenfalls um Identität und Selbstidentifikation, nicht um Genitalien. Das ist einfach nötig um nicht versehentlich Scheiße über die Köpfe der Leute hinweg zu reden.
Aber ich seh grad, dass du vielleicht den Freund des trans*Jungen meinst. (Ich lass das oben trotzdem mal stehen, ok?) Das ist dann ja in der Tat fies, weil auf wen wir stehen so arg von unseren Ideen, wie Männer oder Frauen aussehen, geformt wird. Also, vielleicht ist der Typ schwul und dachte bisher, dass er deshalb auf Menschen steht die seit ihrer Geburt einen Penis haben und als Mann behandelt wurden. Vielleicht ist er hetero und steht jetzt auf diesen Jungen und muss das irgendwie mit seiner Selbstidentifikation vereinbaren, es dabei aber auch schaffen die Identität seines Partners zu respektieren (also zu sagen "ich steh auf Frauen und trans*Dudes" lässt einfach vermuten, dass da wenig Verständnis und Respekt dafür da ist, dass trans*Männer tatsächlich Männer sind). Vielleicht ist er bi und hat auch eines von diesen Problemen... Also, vielleicht ändert er seine Identifikation. Sagt "Ok, ich nannte mich bisher hetero, aber das ist ein Typ, also werde ich mal ausprobieren wie es mir liegt mich als bi zu bezeichnen". Vielleicht bleibt er bei der alten: "Ich bin hetero, das ist wer ich bin und wo ich mich zugehörig fühl, aber gerade bin ich mit einem Typen zusammen und das ist auch schön".
tl;dr: An der Situation wird klar, dass es einfacher und weniger verletztend ist, die Selbstdefinitionen von Leuten zu respektieren und dafür die Logik aufzugeben, statt eine Beziehung von außen in ein Muster einzuordnen.
Und, das würde ich gerne noch ergänzen: Weitere Beispiele für "ok, das passt jetzt nicht in mein Muster mit dem ich das von außen kategorisieren könnte, ist aber trotzdem echt" sind Girlfags und Guydykes (bei Interesse googlen, di:er Queerulant_in, ein tolles online verfügbares Magazin, hatte da vor kurzem auch was dazu, ich link mal wegen Trennung von Online-Identitäten nicht direkt hin) sowie nicht-binäre Personen (also weder männliche noch weibliche), die sich trotzdem mit diesen Begriffen beschreiben, also sagen "ich bin lesbisch", obwohl sie keine Frauen sind, einfach, weil es mit all seinen kulturellen Bedeutungen am besten für sie passt, am besten beschreibt wer sie sind.

Alles klar soweit? Wenn ich unverständlichen Queer-Slang verwendet habe oder meine Sätze zu wirr geworden sind versuch ich auch gerne, das nocheinmal zu erklären oder ein paar Links dazu zu suchen, bin ja auch mitten im Lernen und hab alles noch nicht so klar.

...well, bleibt noch die Sache mit dem Alter. Das Problem ist: Niemand fragt dich mit 14, woher du wissen willst dass du cis bist oder dass du hetero bist. Die Sachen werden einfach als Standard angenommen, was sich vielleicht noch irgendwie mit Mehrheiten rechtfertigen lässt. Aber wenn du konkret nachfragst, wenn du eine cis-Frau fragst, woher sie weiß, dass sie eine Frau ist, wirst du viele Antworten bekommen in Richtung "naja, das weiß ich halt" oder "weil ich kein Mann bin". Es geht eben um Gefühle. Aber genau die selben Gefühle haben auch viele trans*Frauen... Also warum sollte ein trans*Mädchen mit 14 weniger gut einschätzen können, dass es ein Mädchen ist, als ein cis-Mädchen?
Der zweite Punkt: Vielleicht ist es "eine Phase", aber das ist nicht schlimm. Geschlechtsidentität verändert sich bei vielen Menschen mit der Zeit, etwa wenn Frauen/Mädchen irgendwann aufhören sich als Mädchen zu bezeichnen und zum Begriff Frau übergehen. Bei manchen ändert sie sich eben stärker (und bei manchen auch öfter). Das ist an sich nichts schlimmes- schlimm wird es nur, wenn von außen die Erwartung kommt, dass wir alle irgendwie eine wahre, echte, fixe Kernidentität haben müssen, die nur entdeckt werden muss, und dass es peinlich ist sich dabei zu irren. Soll heißen: Wenn eine Person der bei Geburt das Geschlecht "Junge" zugewiesen wurde sich bis sie 9 ist als Mädchen sieht, dann bis zur Pubertät denkt "ich hab kein Geschlecht", dann 10 Jahre als Mann identifiziert und dann dazu übergeht als Frau zu leben weil das besser passt, was war denn dann die "Phase" und wer hätte das voraussagen können? Ich denk es ist total wichtig, einfach immer den aktuellen Stand zu respektieren und ernst zu nehmen und es genauso mitzutragen wenn sich etwas ändert. Einfach um klar zu machen, dass das wichtige der Mensch ist und wie es ihm geht, nicht irgendeine mögliche zukünftige Entwicklung, über die noch niemand etwas weiß.
Und ja, dazu, dass ich sage dass Phasen keine schlimme Sache sind gehört auch das Austesten von Grenzen. Fies gefragt: Wenn ich mein Leben lang nur "sie"-Pronomen verwendet hab weil es eben erwartet wurde, woher soll ich dann wissen, dass "er" mir nicht besser liegt? Manche trans*Personen erzählen, dass ihre Angststörung sich drastisch linderte, sobald sie regelmäßig als das ihnen nicht bei Geburt zugewiesene Geschlecht gelesen wurden, auch wenn sie sich davor nicht sicher waren, ob eine Transition für sie das richtige ist und ob sie das nicht nur mal ausprobieren wollen aus Neugierde und weil sie es sich leisten können. Liegt es am "Wohlfühlen" mit dieser Fremdeinschätzung, liegt es an der Hormontherapie? Weiß niemand. Jedenfalls gibt es eine riesige positive Veränderung, auf die diese Leute ohne das Austesten von Grenzen nie draufgekommen wären. Andere Leute wollen eigentlich "Nur mal etwas queerer und uneindeutiger" wirken und kommen mit der Zeit drauf, dass ihnen das binär "entgegengesetzte" Geschlecht mehr liegt. Wieder andere bemerken, dass eine soziale Transition in ihr eigentliches Geschlecht ihnen mehr abverlangt als sie an Kraft haben, und sie es für den Moment erträglicher finden, weiterhin als das gewohnte Geschlecht wahrgenommen zu werden. Nichts davon ließe sich durch das Fühlen nach einer wahren, stabilen, unter allem liegenden Identität wirklich voraussagen, das sind Sachen die eben im Leben und im Kontakt mit Menschen, im Ausprobieren passieren und über die es vorher kaum Sicherheit geben kann.
Um also deine Frage zu beantworten: Ja, vielleicht testen sie Grenzen, das kann ja auch was großartiges sein.

das ist unglaublich gut und auf den Punkt geschrieben, blubbl, danke!

Heyhey, ich hab gerade was cooles von einer australischen LGBT*-Jugendorganisation über Pronomen generell und besonders geschlechtsneutrale Pronomen gefunden. Was sie sind und wie man damit umgehen kann.

Übersicht
Als Video
Zum Lesen
Und eine hübsche Webapp zum Üben neutraler Pronomen
Alles auf Englisch. (Australisches Englisch, das Video ist akzentmäßig sehenswert ^^)

genial, danke!