So sehe ich das auch und ich bin dir sehr dankbar für diese schöne Erklärung, Kleo. Wir haben ja das Pech, dass unser Denken sich wohl zu großen Teilen in voreiligen Schubladifizierungen organisiert. Nichts verpflichtet uns aber, die so bestehen zu lassen. Den Schubladifizierungsprozess im Nachhinein als solchen zu verstehen und aufzudecken, statt ihn durch Wiederholung, egal, wie die gemeint ist, zu kaschieren, ist eine Möglichkeit, den kleinen Ungerechtigkeiten, der Häme und der Überheblichkeit und allem, was darauf fußt, ein bisschen vorzubeugen.
(Lies: Ich kenne den aus winzigen Generalisierungen entstehenden Hass auf austauschbare Menschengruppen natürlich, und die haben's alle nicht verdient, und das ist der gleiche Prozess und das kippen spürt man ja selbst und deshalb.)

edit: Trotzdem glaube ich, dass es möglich ist, mit Klischees auf eine Art und Weise zu spielen, die über das Wiederholen hinausgeht und sich tatsächlich eher über den Klischeecharaker der Klischees lustig macht, als davon erfassten Personen irgendwie zu schaden.

Leute, ein bisschen mehr Humor bitte Als ich die Einleitung zu dem Thread sah dachte ich mir eigentlich, dass man hier nicht gleich alles ausphilosophieren müsste. Da das aber anscheinend doch gefordert wird, sehe ich mich eben wieder eine Erklärung für nicht völlig ernst gemeinte Posts schuldig.
Mein Jude zählte oft das Geld, er hatte auch eine große Nase, er ließ sich in Österreich tatowieren und fand meinen Keller schön, was allesamt zu heiteren nicht ernst gemeinten Gesprächen führte. Selbstironie, ja, aber warum nicht mitlachen? Ist es wirklich so viel besser furchtbar vetklemmt zu sein als mit Leuten nicht ganz politisch korrekt mitzulachen? Und ja, ich fand das alles echt witzig! Der Franzose und der Engländer trafen sich übrigens bei mir am Küchentisch und es wurde auch herzlich gelacht. Die Spanier und die Deutschen kamen auch bei einer Unterhaltung auf Sandalen.
Im Endeffekt: sind Klischees jemals ernst gemeint? Oder ist es nicht auch so, dass oft gerade über Klischees Leute zum reden beginnen und gemeinsam lachen hat auch noch nie wem geschadet. Nur ein bisschen Humor und Selbstironie bräuchte man halt...

Zwischen all den zahllosen Facetten von Humor; Dingen und Eigenschaften, über die man lachen kann, müsste es doch möglich sein, ohne Klischees auszukommen. Mit genügend Humor und unvoreingenommener Herangehensweise gibt es überall Erheiterndes genug, Schönes oder Lustiges.
Und es ist etwas anderes, wenn ich einen Menschen in einer bestimmten Situation persönlich mit einem Klischee konfrontiere, in das er oder sie hineinpasst (auf eine spielerische Weise), als wenn ich derartige Klischees hier hinklatsche, kommentarlos. Über ersteres kann ich furchtbar lachen, über dieses hier eher weniger.

Überhaupt ist das nicht-lachen-können ein Vorwurf, der sich (besonders anonym im Internet, wo man seine gegenüber nicht sieht) ziemlich leicht raushauen lässt als Reaktion auf jede Art von Hinterfragung. Alles zu belachen muss in meinen Augen nicht positiv sein. Und wenn ich die Wahl habe, dann entscheide ich mich lieber für Glück als für simple Belustigung.

@blubbl: Ja, das feine, selbstironische Spielen mit Vorurteilen und festgestampften Bildern ist etwas, das eine hohe Kunst verlangt. Manche Karikaturisten bekommen das hin (aber bei weitem nicht alle), bei den meisten geht es leider eher daneben. (Ich kann auch darüber lachen, wenn Loriot den Leuten empfiehlt, mit ihrem Pinguin spazierenzugehen.)
Findet jemand von euch Mario Barth lustig?

Stimmt, das persönliche Dings gibt es auch noch. So hatte ich den Thread bisher nicht verstanden, entschuldigung.

Kleo, ich könnte deine Posts (fast) kommentarlos unterschreiben. Nur gibt es für mich einen kleinen Unterschied zwischen "Klischees" und "Vorurteilen". Ich weiß nicht, wie diese Wörter offiziell definiert sind, aber meiner Meinung nach impliziert der Begriff Klischee ja schon, dass dem Betrachter völlig klar ist, dass die Beobachtung überspitzt und nicht auf alle zutreffend ist und somit nicht für bahre Münze genommen werden kann. Vorurteile sind für mich hingegen ernst gemeinte Überzeugungen, meist ohne die Betroffenen davor zu kennen und als solches sehr, sehr schlecht zu haben. Da stimme ich dir ja voll und ganz zu und kann auch wenig darüber lachen. Aber Klischees sind ja doch irgendwie was anderes, oder? Klischee ist doch mehr, dass Bayern Lederhosen tragen, und ein Vorurteil, dass alle Polen stehlen. Das ist bei mir jedenfalls so. Und da dieser Thread u.a. danach fragt, welche "Klischees" wir an liebsten mögen, ohne den Begriff Vorurteile zu erwähnen, habe ich meine Lieblinge eben mal da hingeklatscht. Nach dem Motto: Ich traf mal wen, der war sooo klischeehaft drauf...
Mario Barth finde ich im übrigen nicht lustig. Das hat aber mit der Aufziehung und Pompösheit der Show zu tun und daran, dass ich die Witze einfach nicht gut finde, zu wenig intellektuel. Gegen Klischees habe ich auch da nichts, so lange sie nicht zu Vorurteilen werden. Aber es sollte wohl jedem klar sein, dass es sich dabei um eine Comedy Show handelt.

Ich bin mal gespannt, wie ihr die Begriffe Klischee und Vorurteil definieren würdet und ob es für euch diese Unterschiede gibt!

Zitat

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Zwischen all den zahllosen Facetten von Humor; Dingen und Eigenschaften, über die man lachen kann, müsste es doch möglich sein, ohne Klischees auszukommen. Mit genügend Humor und unvoreingenommener Herangehensweise gibt es überall Erheiterndes genug, Schönes oder Lustiges.

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*Daumen hoch*

Ich kann Klischees nicht abgewinnen. Besonders Klischees gegenüber Homosexuellen stören mich.

Hier sind einige klischees, die ich im Internet und im echten Leben so mitbekommen habe.
- Homosexuelle sehen feminin aus
- Homosexuelle haben alle AIDS
- Homosexuelle tragen gerne pinke Sachen und tanzen über Regenbögen
- Homosexuelle haben eine tuntige Stimme
- Homosexuelle haben nur Sex im Kopf und wollen keinen festen Partner

Ich finde solche Klischees einfach nur daneben und nicht zum Lachen. Minderheiten werden so diskriminiert und - wie hier schon erwähnt wurde - in "Schubladen" gesteckt.

Ja, Grünschnabel, NATÜRLICH sind die alle so, ALLE!
Warst du denn noch nie beim CSD oder so?
Ich persönlich umgebe mich deswegen auch AUSSCHLIESSLICH mit schwulen Männern, damit die mir meine NÄGEL lackieren und mit mir SHOPPEN gehen können und...ähm, ja.

(In mir steigt das dumpfe Gefühl auf, dass ich besser aufhören sollte, um mich nicht sehr, sehr unbeliebt zu machen °_° )

Aber kennt ihr das, dass ihr manchmal irgendwas tut und auf einmal merkt: Verdammt, ich entspreche gerade exakt meinem eigenen Klischee!?
Neulich erwischte mich meine mitbewohnerin, wie ich die Inhaltsangaben der margarine las, die bei uns im Kühlschrank lag, und sie lachte mich aus, denn das war Alsan, also DIE vegane margarine schlechthin... und ich? Ich guck schon auf die Inhaltsangaben, bevor ich überhaupt das Etikett lese Y_Y
Das sollte ich mir echt mal abgewöhnen ^^

Nur mal so ein Einwurf aus meinem Hirn:

Denkt ihr, dass da ein Unterschied gemacht werden sollte, zwischen Klischees, die tatsächlich schwer vorurteilsbetroffene Gruppen treffen, und Klischees, die eben Gruppen betreffen, die sonst nicht mit Diskriminierungen zu kämpfen haben - weil bei ersterem doch die Gefahr besteht, dass das mehr in die Vorurteils-Ecke rutscht? Aber auf der anderen Seite... würde dann nicht so eine Opferrollen-Behandlung entstehen - und wäre das nicht auch wieder blöd?

Ach, keine Ahnung. Ich wollte jetzt eigentlich noch ein Beispiel mit Klischees über BWL-Studenten bringen, aber dann ist mir aufgefallen, dass ich keine Klischees, sondern schlimme, schlimme Vorurteile gegenüber BWL-Studenten hege.

Ich find diese Unterscheidung gut, Kaktus. Gerade Spott über die eigenen Unterdrücker*innen kann wohl eine enorm befreiende, hoffnungsgebende Funktion haben. Und ja, klar, Ideologie: Dass Unterdrückungsverhältnisse nicht bestehen bleiben, ist halt eine Sache die ich gut find. Andererseits, wenn ich als Weiße über Weiße spotte ist die Chance groß, dass ich damit nur meinen eigenen Rassismus kaschiere. Ich glaub, bei den eigenen Privilegien wäre Klappe halten und zuhören sehr oft besser (also aus diesem eher praktischen Grund halt generell, auch, wenn es sicher manchmal sehr okaye Dinge aus dem Bereich gibt).

Hm, ich denke, dass aber zumindest immer, unabhängig davon, welche Gruppe (bzw. als Gruppe wahrgenommene Menge Mensch, bzw. dazu erklärte) nun betroffen ist, dass es sinnvoll ist, Klischees grundsätzlich zu hinterfragen, sich ihrer bewusst zu sein usw. - verallgemeinernde Aussagen sind immer Wirklichkeitsverkürzend, vereinfachend und stehen einer differenzierten Auseinandersetzung mit welcher-Thematik-auch-immer im Weg, denk ich. - Und auch verletzende Verallgemeinerungen, die nicht Ausdrucksform von Diskriminierungsstrukturen sind, sind auf persönlicher ebene verletzend und von daher m.E. zu vermeiden, wenn möglich. Auch jenseits von Diskrimminierung bzw. systematischer, struktureller Benachteiligung kann Menschen Unrecht getan werden (banale Erkenntnis, ich weiß. - Das ist halt m.E. der Fehler, der bei "Umgekehrter Rassismus"-Gerede häufig gemacht wird - nur weil jemand verletzt, attackiert, belästigt, bedrängt, bedroht, benachteiligt wird folgt daraus noch nicht, dass dem gesellschaftliche Diskrimminierungsstrukturen zugrunde liegen - trotzdem ist es sicher (fast) immer falsch. Es mit Diskrimminierung gleichzusetzen behindert aber einen produktiven Umgang mit der ganzen Problematik...). Und ich denke, dass Verallgemeinerungen, Klischees, Vorurteile eben auch auf nichtdiskrimminierender Ebene verletzend sein können - warum also trotzdem damit um sich werfen, wenn eins es vermeiden kann. - Das ist kein kategorisches "Nein" von meiner Seite, aber ich denke, dass es auf jedem Fall immer kritisch hinterfragt werden sollte.

Nichtsdestotrotz ist es sicher sehr viel schädlicher, gesamtgesellschaftlich betrachtet, sich an der Klischee- und Vorurteilsmaschinerie entlang der gängigen Diskrimminierungsstrukturen zu beteiligen, da stimm ich euch zu...

Ich bewege mich jetzt von der Klischee-Thematik etwas weg: Sind nicht alle (haha - did you see what i did there?) Aussagen wirklichkeitsverkürzend? Mir fällt grade kein Beispiel ein, in der irgendein Sachverhalt zu genüge beschrieben werden kann. Ich kann eine siebenbändige Augabe über rote Äpfel veröffentlichen und hab dann immer noch nicht alles über rote Äpfel gesagt, was es zu sagen gibt. Natürlich sind "Klischees" da nochmal eine sehr starke Verkürzung (X ist Y), aber wo zwischen "[Sieben Bände über rote Äpfel]" und "Rote Äpfel sind sauer" ziehen wir die Trennlinie?
Und jetzt kommt das Stammtisch-Argument schlechthin: es gibt immer irgendjemanden, der sich von einer Aussage persönlich verletzt fühlt. Und jetzt zu überlegen, dass der weiße, männliche Apfelbauer in der Uckermark sonst keinen Diskriminierungsstrukturen unterliegt, und ich deshalb mein rotes-Apfel-Klischee ohne Bedenken äußern kann, ist doch erstens auch irgendwie auch nicht so einwandfrei (ebenso wenn ich jetzt explizit alle Äußerungen unterlasse, die Personen aus einer von struktureller Diskriminierung betroffenen Gruppe betreffen), und zweitens... "JA WAS DARF MAN DENN DANN NOCH SAGEN"?

Ich weiß, Klischees sind ja in der Praxis doch oft recht eindeutig zu identifizieren (wobei ich persönlich jetzt das Rollstuhlfahrer-Beispiel von Kleo von der voherigen Seite zB niemals als Klischee erkannt hätte), und deswegen ist mein Gerede nicht haltbar, aber aus abstrakter Sicht ist es mMn nicht möglich, da vernünftige Grenzen zu ziehen.
Und klar, das was Jasper über grundsätzliches Hinterfragen sagt, sollte selbstverständlich sein - in der Theorie zumindest. In der Praxis denke ich persönlich aber beim Reden meist eher wenig nach.

Hm. Ich denke, ich würde sagen, dass es im Endeffekt doch wie bei vielem wieder auf den Kontext ankommt, in dem eine Aussage fällt. Wer, in welchem Zusammenhang, zu wem? Und das Internet ist da vielleicht nochmal kritischer als das RL, weil hier Aussagen durch die Anonymität ihrer Sprecher entpersonalisiert werden, und dann so so kontextlos hängenbleiben. Auf der ersten Seite zählt ShangriLa ja auch so persönliche Erfahrungen aus dem Freundeskreis (?) auf, und das würde ich jetzt tatsächlich gänzlich kritiklos einordnen.

Noch zu was anderem: ich finde ja Klischees, die von Personen einer (von struktureller Diskriminierung betroffenen) Gruppe selbst über die Gruppe geäußert werden, auf doppelte Weise ziemlich bescheuert. Wenn das eben nicht aus Spott passiert - wenn's also tatsächlich zu Vorurteilen über sich selber wird. Erstens passiert dann so eine Art Freisprechung von Eigenverantwortung ("Hihi, ich kann für meine heutigen Ausgaben im Wert von 740? auch nichts - wir Frauen lieeeeben einfach Shoppen!" - hier schwingen Vorurteile meinerseits gegenüber weiblichen BWL-Studenten mit ), und zweitens verfestigt das doch tatsächliche Vorurteile noch mehr ("Die kommt ja selber aus Lampukistan, die muss das ja wissen").