Es ist einige Zeit vergangen. Es herrscht Frieden, Ruhe nach Tagen der Flucht und dem Kampf ums nackte Überleben. Die Bedrohung, die der Apoc-V geschaffen hat, scheint weit weg zu liegen, die dicke und hohe Betonmauer um die Siedlung, die gepflegte Landschaft und die modernen Gebäude vermitteln ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit.
Die Personen haben ihr jeweiliges Beschäftigungsfeld angenommen -die einigen mürrischer, die anderen fügsamer. Aber alle sind froh, eine Beschäftigung zu haben, aufgehoben zu sein.
Die Mitglieder von The Remedy machen nur einen kleinen Teil der Bewohner der Station aus, die meisten sind ebenfalls Überlende, aus allen Teilen der Erde. Über die Organisation sprachen sie wenig. Ihre Wohnungen waren geräumig, stilvoll, modern -die unangenehme Erkenntnis, das einige Häuser auffallend genau den Geschmack der Bewohner traf, hatten sie schnell als angenehme Nebenerscheinung angenommen. Das Essen war zwar ausschließlich Vegan, dank dem riesigen Gewächshaus aber zumindest recht abwechslungsreich.
Nur etwas trübte diese Idylle: Seray war eines morgens bewusstlos in ihrer Wohnung gefunden worden und liegt seitdem im ?Turm? auf der Krankenstation, besucher werden nicht zugelassen. Nur zwei, drei Wissenschaftler von TheRemedy haben überhaupt Zutritt.
Und eines Tages...
Abel´s Secret, Zentrum, Trakt B Alba und Tamy.
Trakt B war ein Labor für Physikalische Versuche, mit einer Ausstattung, die selbst Eliteunis neidisch gemacht hätte. Die beiden Frauen saßen zusammen mit Martin, dem Deutschen und Wissenschaftlichen Leiter der Siedlung, und Amir, einem schweigsamen Israeli an einem freigeräumten Tisch und machten frustriert eine kleine Pause, nachdem sie heute nicht den erhofften Durchbruch erzielt hatten.
?Jemand Lust auf einen Feigenriegel?? ergriff Martin das Wort und fischte eine kleine rechteckige Kunststoffverpackung aus seiner Brusttasche.
Abel´s Secret, Gewächshaus, Subtropisches Segment Elisabeth, genannt Liz.
?Keine Sorge, hier sitzt er in der Falle. Alle Segmente sind hermetisch abgeriegelt.? erklärte Satoshi Tajiri, der Vorstand des Gewächshauses. Er war Japaner, raltiv klein, um die 30 und trug eine Brille mit runden Brillengläsern.
Liz´ Job als Sicherheitskraft der Siedlung war bisher wenig fordernd gewesen -Leute, die sich aus ihrem haus ausgesperrt hatten, ein angeblicher Diesbtahl, bei dem sich herausstellte, das Paulo seine Geldbörse nur verlegt hatte und nun war angeblich ein Affe ins Gewächshaus eingebrochen...
Abel´s Secret, Garagen Die Katze
Abel Mail, das Emailsystem des Intranets von Abel´s Secret.
Von: Pierrot An: Katze, Tiger
Nächsten Sonntag gegen 14-15 Uhr kommt eine Maschine mit einem sehr wichtigen Gast an. behandeln Sie ihn mit äußerstem Respekt. Bringen Sie ihn zum Turm, Stockwerk 4.
??
Mit brummendem Motor kam Tiger mit dem Jeep aus der Garage gefahren. Er hielt neben der Katze und winkte ihr zum Zeichen, einzusteigen.
Abel´s Secret, Der Turm, Untergeschoss, Krankenstation Seray.
Nur langsam gelangte Seray aus den Tiefen ihrer Bewusstlosigkeit. Über sich sah sie zwei weiße Schemen, überall gleißendes Weiß. Sie konnte vereinzelt Wortfetzen aufschnappen. ?..reger ve .. ngert... neue... schauen sie..... bahnbr... kentn.. bleibende Sch.... ...tome der haut... normalisieren sich... ....... pr..en...ie... .... .. ugen....
Die Lieder ihres linken Auges wurden auseinandergezogen, stechendes Licht blendete sie.
Sie wachte auf...
Atlantis, ein kleiner Raum Der Vater.
Es war still, angenehm still. Das Rattern des Projektors war der einzige Soundtrack des Films. Dann klopfte es. Der Projektor wurde gestoppt. Das Bild einer jungen Frau brannte unbewegt auf der Leinwand. Die Tür wurde geöffnet und wenige Sekunden daraufhin wieder geschlossen. Der Vater nahm den Brief entgegen. Las ihn. Sein Diener stand geduldig neben ihm. Dann sahen sie sich an. Sahen sich nur an, sagten nichts, verstanden sich ohne Worte, wie immer. Dann nickte der Vater. Und sein Diener wusste sofort, was zu tun war.
"Gib her" brumme ich missmutig. Ich hatte allen Grund sauer zu sein - meine Rechnungen waren nicht korrekt, das Experiment hatte einen ganz anderen Weg eingeschlagen als gedacht und ich hatte keine Lust, schon wieder die recht gut ausgestattene Bibliothek nach einer Lösung zu durchstöbern.
"Bauen wir das Experiment wieder auf, Martin?" fragte ich den Leiter, während ich das Protokoll des heutigen Versuches nach einem Fehler durchsuchte, in der linken Hand den Feigenriegel haltend. Ich biss ein Stück ab. "Wir könnten den Druck und die temperatur in der Kammer noch weiter erhöhen wenn die Solarplatten die nötige Energie liefern können. Oder vielleicht sind die richtigen Enzyme nicht vorhanden. Wer weiß, was da alles in der Ursuppe rumschwamm. Vielleicht sollten wir auch einen anderen Katalysator verwenden." Ich seufzte. Es ist tatsächlich schwieriger als gedacht, neue, lebende Zellen aus einen Mischmasch aus Substanzen zu produzieren.
Ich bekomme seltsame Tröpfchen in die Augen. Mit dem rechten passiert dasselbe. Vorher war ich Ausserstande, die Geschehnisse wirklich zu verarbeiten, aber ich merke, wie mein Hirn wieder zu arbeiten beginnt.
"Sie ist wach. James, volles Programm."
Nervös bewege ich meinen Kopf hin und her. Ich sehe in meinen Augenwinkeln einen hageren Mann, der an einem kompliziert aussehenden Mischpult herumwerkelt, wobei er so aussieht, als wüsste er selber nicht, was er genau damit bezweckt und scheinbar wahllos drauf rumdrückt. Dieser Gedanke wird sofort aus dem Weg geschafft, als meinen Kopf in eine Art Gel-Schraubstock gepresst und meine Glieder an das Krankenbett gebunden werden. Das Bett wird so angehoben, dass es den Winkel einer Psycho-Couch annahm und ich direkt in die Augen eines Mannes in weissem Kittel, auf dem ein nett aussehendes Logo von The Remedy aufgenäht ist. Ich überlege mir gerade noch, wie unnötig und lächerlich das aussieht, bevor mir klar wird, dass ich dasselbe trage. "Wie fühlen sie sich?", fragt er, als er einige Notizen auf seinem Fragebogen notiert. Ich fühle mich gefesselt, meiner Freiheit geraubt und meiner Pläne vereitelt!
Ich lief auf den Wagen zu und fluchte leise. Ich hatte viel zu lange keine Mails mehr gelesen, und heute war schon Sonntag. Um genau zu sein war es Sonntags, 13:45. Schnell stieg ich ins Auto und wir fuhren los. Wie immer in letzter Zeit musterte Tiger mich feindlich, während ich betont gelassen aus dem Fenster blickte. Als wir am Flugplatz ankamen, sprang ich aus dem Auto und lief schnell zu dem kleinen Gebäude, wo wir auf den Gast warten sollten, während Tiger das Auto parkte. Das Flugzeug schien noch nicht angekommen zu sein, und das tat es auch die nächsten zwei Stunden nicht. Während dieser zwei Stunden führte ich ein Gespräch von fünf Sätzen mit Tiger, nickte dreimal beinahe ein und ertappte mich siebenmal dabei, wie ich darüber nachdachte, was für ein Gast das sein sollte, wie er überlebt hatte und wie er hierhergekommen sein sollte. Dann endlich hörte ich das Geräusch eines landenden Flugzeugs, wie ich es seit der Seuche nur selten gehört hatte. Wir warteten angespannt, bis die Maschine stillstand und einer der anderen Söldner eine Treppe herangefahren hatte. Langsam gingen wir auf die Tür zu, und langsam öffnete sie sich. Ebenfalls langsam trat der Gast heraus, umringt von Gorillas in schwarzen Anzügen. Steif warteten wir an der Treppe, bis die Gorillas sich sortiert hatten und endlich nach unten drängten. Auf einmal stand er vor mir, und mir stockte der Atem. Ich stand stocksteif da, sosehr ich auch wollte, mein Körper gehorchte mir nicht mehr, ich konnte nicht mehr wegrennen, ihm nicht mehr in die Arme fallen und beides wollte ich sosehr, dass es schmerzte.
Martin faltete seine Hände im Nacken und stieß langsam die Luft aus. ?Puh.. ich glaube, wir haben uns irgendwo verrannt, wir sollten die Geschichte nochmal ganz von Anfang an durchgehen..? er ließ seine Hände auf den Tisch plumpsen. ?Wisst ihr was, wir machen erstmal Pause.. ich wette, die Dinge sehen danach schon ganz anders aus, hm?? Er stand auf und wandte sich zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal um. ?Wollte Mike heute nicht bei sich einen Film zeigen?" ________________________________________________________
Alba
Ich schlucke den Rest des Riegels runter.
"Einen Film? Keine Ahnung, mir hat er jedenfalls nichts davon gesagt. Könnte aber auch daran liegen, dass wir uns bei so wenig Freizeit fast nicht sehen" Ich gucke Martin vorwurfsvoll an. "Wann wollte er's denn zeigen? Ist er wieder draußen gewesen und hat die Landschaft gefilmt, oder hat er einen tollen Oldie in den Tiefen des Archivs wiederendeckt?"
Ich drehe mich wieder zum Tisch um und sammel das Protokoll ein, während mein Blick den Tacker sucht.
"Ach, Martin" Ich wende mich wieder ihm zu. "Sag doch den Technikern bitte, sie sollen darauf achten, dass wir genug Energie für das Experiment bekommen, sonst könnten die ganzen Systeme wegen der hohen Spannung kollabieren." Ich lächele. "Wir wollen doch nicht, dass die Alarmanlagen am Tor versagen. Machen wir in einer halben Stunde weiter?" werfe ich die Frage in die Runde.
Ich habe endlich den Tacker gefunden und hefte die ganzen Blätter zusammen. Dann drehe ich mich wieder zur Tür, um mir im Hof eine Pause im Sonnenschein zu gönnen. ______________________________________________________
?Ich glaube eher ein Oldie.. Alien, wenn ich mich recht enrinnere. Wenn du willst, machen wir zwei Stunden Pause und schauen ihn an? konterte Martin grinsend. ?Ich sag dann mal den Technikern bescheid? meinte er noch, als er mit Alba aus dem Trakt kam, und machte sich zum Turm auf.
Draußen war es sonnig und angenehm warm, das Gras grün und saftig, in der Ferne konnte man ein paar Tierstimmen vernehmen. Nur am Himmel sammelten sich ein paar Wolken, vermutlich würde es bald einen dieser berüchtigten, plötzlichen Regengüsse geben, welche in den Tropen alltäglich waren.
Vor Alba lag, in etwa 100 Metern Entfernung, die hohe Mauer, die die Wildniss von der gepflegten Siedlung trennte. Hinter ihr lagen die rechteckigen, mit großen Buchstaben markierten Trakte wie Zähne an einem Kamm, wobei der ?Kamm? das Zentrums-Gebäude bildete. _______________________________________________
Tamy
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. Dieses verflixte Experiment hat mich doch wirklich so sehr beschäftigt, dass mir Albas und Martins Abwesenheit erst auffällt, als mir die Stille im Raum bewusst wird. Upps. Da habe ich mich bestimmt wieder sehr beliebt gemacht mit meiner geistigen Abwesenheit... Ich versuche mich an die Unterhaltung der beiden zu erinnern... da war noch irgendwas mit einem Feigenriegel... unwichtig.... irgendwas mit einem Film... ach, war das noch schön, als man einfach ins Kino gehen konnte... hmm... war da nicht noch irgendwas zum Experiment? ...Shit, ja! Aber was? An das Wichtigste kann ich mich natürlich mal wieder überhaupt nicht erinnern! Laut über mich selbst und unser versalzenes Ursuppen-Experiment fluchend verlasse ich das Labor und suche Alba. Sie wirde hoffentlich etwas nachsichtiger als Martin sein und mich über den Inhalt des Gespräches aufklären.
"In einer halben Stunde machen wir weiter, vergiss das nicht!" rufe ich Martin noch hinterher. Dann gucke ich mich um, ein sonniges Plätzchen auf dem Gras suchend. Einen Moment später liege ich schon auf den Rücken, mit geschlossenen Augen, und lasse mir die Sonne auf die Nase scheinen. Als eine Wolke für kurze Zeit die Sonne verdunkelt, öffne ich wieder die Augen und mustere die hässliche Betonmauer, die die Siedlung umgibt. Die einzelnen Betonplatten sind makellos ineinander eingefügt worden, was verhindert, das wilde Pflanzen sich einnisten und sie brüchig machen, oder das größere Tiere Risse finden an denen sie hochklettern können. Nichts kommt weder rein noch raus - und das ist auch gut so. Wer weiß, was sich jetzt da draußen abspielt - ich glaube, keiner von uns hat große Lust, es herauszufinden.
Die Wolke hat die Sonne endlich freigegeben. Ich werfe noch schnell einen Blick auf die Uhr -ich habe noch zwanzig Minuten- und lege mich wieder hin.
Ständig diese verdammten Kopfschmerzen. Seit Wochen habe ich jeden Tag mehr oder weniger starke Migräne. Ich habe mich schon oft gefragt, ob Remedy etwas damit zu tun hat, ob sie mir irgendetwas ins Essen mischen, um mich gefügig zu machen. Denn ich arbeite für sie. Ich wurde als Sicherheitskraft eingeteilt, geradezu absurd in Anbetracht dessen, dass hier drinnen Ruhe und Frieden herrscht, während draußen die Apokalypse wütet. Manchmal kann man hier die Schreie der Zombies hören. Aber sie sind keine Bedrohung für uns, wir sind sicher. Es gibt Tage, an denen empfinde ich ein bestimmtes Gefühl, und alles in mir sträubt sich dagegen, es zuzulassen. Ich bin ihnen dankbar. Dankbar dafür, dass sie mir eine Beschäftigung geben, dafür, dass sie mich nicht da draußen zurückgelassen haben.
Und dann gibt es Tage wie diesen. Müde reibe ich mir die Schläfen und sehe Tajiri - er ist kaum größer als ich - in die Augen. Ein Affe soll entkommen sein. Ich weiß nicht, wozu man hier Affen hält, wahrscheinlich für irgendwelche Versuche. Und jetzt ist das Vieh ins Gewächshaus eingebrochen. "Und was soll ich dagegen tun?"
You exist because we allow it, and you will end because we demand it. - Sovereign
Satoshi Tajiri holte ein blütenweißes Stofftaschentuch hervor, nahm seine Brille ab und wischte sich damit über sein Gesicht ?Ich weiß auch nicht. Wer ist hier die Spezialistin?? Er setzte die Brille wieder auf und verschränkte die Arme vor der Brust wie ein beleidigtes Kleinkind. ?Tu irgendwas. Der frisst uns noch die ganzen Früchte weg!"
Das grelle Licht blendete Seray. Sie schlug eine Hand vor ihr Gesicht und zischte wütend. Sie hatte sich verändert. Sie war nun komplett blass, ein Albino -denn ihr Melanin hatte sich aufgelöst. Aber das war nur die auffälligste Veränderung und bei weitem nicht die gravierendste.
Um ihr Krankenbett standen zwei Wissenschaftler, ein Mann und eine Frau. Sie wichen erschrocken zurück. Seray holte mit ihrer linken Hand aus und zertrümmerte mit einem einzigen kräftigen Schlag den OP-Strahler über ihr. Funken, Flimmern, Schwärze. Dann: Schreie.
Auf dem ganzen Gelände gingen Alarmsirenen hoch. Es war das ?Kontaminationssignal?. Oder, wie es unter ?the Remedy?-Mitarbeitern genannt wurde, das ?Zombieheulen?.
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17.03.2011 21:49
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