Hallo, Ich spiele manchmal mit dem Gedanken, einen Thread über diese Religion zu machen, also tu ich es jetzt wirklich mal, weil ich sie gelegentlich erwähne. Ein alter Freund von mir ist Bahá'í, d.h. ich kenne ihn schon recht lange und alt ist er außerdem (78...) ^^ Er ist Perser, lebt aber seit den 60er Jahren in Deutschland...trotzdem dachte ich am Anfang, dass man irgendwie persisch sein müsse, um sich als Bahá'í zu fühlen. Genauso, wie z.B. der Islam recht eng mit der arabischen Gesellschaft verknüpft ist und deswegen wenige Menschen aus anderen Regionen zum Islam konvertieren. Natürlich gibt es welche, nur nicht so viele. Irgendwann hat er mich auf ein Fest "mitgeschleppt", da war ich 16, es gab viel persisches Essen und auch viele persische Leute, aber nicht nur. Natürlichen Skeptizismus hatte ich auch damals schon, die Leute waren zwar alle sehr nett, die Stimmung war gut, nur...naja. Als Fremde da so reinzustolpern ist komisch, ich hatte von nichts eine Ahnung, und außerdem war das damals noch ziemlich weit weg von meinem Zuhause.
(Ab jetzt werde ich einfach "Bahai" schreiben, das geht auch und ist einfacher.)
Erst, als ich fürs Studium umgezogen bin, war es auf einmal gar nicht mehr weit, mein alter Freund hat mich weiterhin begeistert auf Feste und manchmal zu Andachten mitgenommen, dann gab es eine offene Veranstaltung, wie ein "Info-Abend", die von den Leuten organisiert wurde, die ich sowieso schon kannte. Ich bekam ein paar Flyer und ein Buch aus den Bahai-Verlag, "Verborgene Worte". Es ist sowas wie der Klassiker, den alle kennen, eine "Sammlung ethischer Sinnsprüche, die alle mit "O (....)!" beginnen. Zum Beispiel dieser:
ZitatO mein Freund! Du bist die Sonne am Himmel Meiner helligkeit. Verdunkle nicht deinen Glanz mit dem Schmutz der Welt. Zerreiße den Schleier der Achtlosigkeit, strahle auf aus Wolken und kleide alle Dinge in das Prachtgewand des Lebens.
Ich gebe zu, für meine Ohren klingt das auch oft etwas über-blumig, und ich habe mich schwergetan, aus den 133 Sinnsprüchen jetzt einen repräsentativen rauszusuchen, manche finde ich selbst auch komisch... Die Sprache ist teils persisch und teils arabisch, und auch in den Übersetzungen wurde der schnörkelige, metaphorische Stil beibehalten. Letztlich sollen es Aufforderungen sein, stetig an sich zu arbeiten, sich immer wieder bewusst zu machen, wo die eigenen Schwächen sind, sich von hohlen, weltlichen Dingen loszusagen und auf wesentlicheres zu konzentrieren, dun Umgang mit den Mitmenschen, blablubb.
Gegründet worden ist die Bahai-Religion von Bahá'u'llah (arabisch für "Herrlichkeit Gottes", eigentlich ein Pseudonym von Mirza Husayn Ali Nuri), und das apostrophierte "í" ist die Pluralform. Also: "Anhänger von Bahá('u'llah)...oder so. Diese gibt es seit 1844, als Baha'u'llah sich "erklärte", bzw. als Gottesoffenbarer anerkannt wurde. ich verweise mal auf die Wikipedia, falls jemand das da lesen will
Ich geh mal darauf ein, was ich an der Bahai-Religion mag. Da ist zunächst einmal die Ehrlichkeit und Weltoffenheit, der Pazifismus und die Nächstenliebe, die propagiert werden. Eins mag argumentieren, dass die Bahai aufgrund ihrer späten Gründung einfach noch nicht die Gelegenheit hatten, gegen diese ihre eigenen Vorsätze zu verstoßen (anders als die Christen), und dass das durchaus noch kommen kann. Bisher habe ich aber bei niemand solche Tendenzen feststellen können. Weiters schrieb Baha'u'llah sinngemäß, Männer und Frauen seien wie ein Wesen mit zwei Flügeln, und wie denn ein Wesen mit nur einem Flügel fliegen solle. Will sagen, dass die Gleichberechtigung von Frauen gewünscht und, wie ich es erlebt habe, auch selbstverständlich ist. Ansonsten werden Männern und Frauen keine speziellen Eigenschaften zugeschrieben. Für alle Bahai wird Bildung als höchstes Gut hochgehalten und ich kenne tatsächlich wenige, die da keinen Wert drauf legen. Etwas zu lernen, wovon eins leben kann, ist wichtig und der Beruf sollte erfüllend sein. "Arbeit ist Gottesdienst" wurde auch mal irgendwo gesagt. Sprich, die eigene Arbeit zu mögen und mit Freude zu tun, ist so gut wie ein Gebet von derselben Dauer...zumindest ist so das Ideal.
Ich war anfangs etwas erschlagen von den "Forderungen", die ich gestellt sah...Bis ich irgendwann verstanden habe, dass das mehr so eine Utopie darstellt, wie ein Mensch sein sollte. Und dass darin impliziert ist, dass niemand so "perfekt" leben kann. (Nach Baha'u'llahs Tod wurde seine Position als Kopf der Bahai von seinem Sohn übernommen und dieser wird - auch durch Zeitzeugenberichte - als das Vorbild für die Bahai bezeichnet, jemand, der stets freundlich war, sich an alle Gebote gehalten hat, etc. blablubb.)
Umgekehrt gibt es Dinge, die ich nicht leiden kann. Der Bahai-Glaube lehnt Homosexualität ab. Ironischerweise wird gleichzeitig gesagt, Homosexuelle als Menschen seien nicht abzulehnen (weil einfach kein Mensch wegen seiner_ihrer Lebensweise zu verurteilen ist), und außerdem lehnt von den Bahai, die ich kenne, niemand Homosexualität ab. Ich habe mit recht vielen drüber geredet, weil mich das Thema so aufregt, und sie sagten alle, es sei ihnen gleich, sie hätten nichts dagegen. Offiziell heißt es, wenn jemand Bahai sei UND homosexuell, dann habe er_sie ein Problem...naja, es wird drumherum-geschwurbelt, das solle eins dann als "Prüfung" verstehen und, wenn es gar nicht anders geht, eben enthaltsam leben. Ich selbst kenne keine homosexuellen Bahai (wär ja aber auch schwer, sich unter den Bedingugen zu outen), aber eine Freundin erzählte mir, in einer Gemeinde ihrer Heimatstadt habe es einen gegeben, der trotzdem mit Männern zusammenlebte und von niemandem aus der Gemeinde "geekelt" wurde. Als er starb, kamen alle zu seiner Beerdigung. Ebenso stört mich, dass Sex vor der Ehe abgelehnt wird. Nun lebe ich aber in einer nichtehelichen Beziehung, das wissen auch alle (kennen auch die andere Hälfte dieser Paarbeziehung), ich wurde nie deswegen angesprochen... Und ehrlich gesagt, habe ich deswegen nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, meine moderne Erziehung hat meine Meinung da mehr geprägt als das. Ich stelle mir vor, dass zu einer Zeit, in der es keine effektiven Verhütungsmethoden gab, diese "Regelung" durchaus sinnvoll war. So sollten keine Kinder geboren werden, die mittellose Eltern hatten, von niemandem gewollt wurden, etc. Doch dank dem Fortschritt muss dies eigentlich kein Thema mehr sein (außer in Fällen von Dummheit und/oder großem Pech), also entspreche ich in meinem Verhalten, auch, wenn es nicht "regelgerecht" ist, dennoch der Intention dieser Regel. Selbst finde ich ja auch, dass Kinder nur zu Leuten gehören sollten, die sie gewollt haben und sie lieben.
Neulich hatte ich mit besagter Freundin ein recht langes Gespräch, so im Sinne von "WIE muss ich eigentlich sein, um Bahai sein zu dürfen, um mich so nennen zu dürfen?" Und selbst sie, die als Bahai aufgewachsen ist, konnte das nicht wirklich beantworten. Letztendlich kam sowas dabei raus wie: Der Wille zählt, dass muss jede_r mit sich selbst ausmachen, andere Bahai werden nicht darüber urteilen. Es gibt keine Beichte oder so etwas...und ich merke manchmal, wie ich sowas fast gern hätte, weil es einen festeren leitfaden bieten würde...aber mir ist natürlich bewusst, dass das Prinzip der Beichte ziemlich widerwärtig ist, allein, weil es einem jeden gesunden Menschenverstand abspricht. Dies ist also eine Religion, die ihre Mitglieder als Erwachsene behandelt, und ich finde das manchmal gar nicht so leicht. Doch eigentlich begrüße ich dieses Prinzip ja... Es heißt in den Schriften: Du sollst immer vor dir selbst Rechenschaft ablegen, bevor ich (Gott) von dir Rechenschaft fordere. (Über die genaue Auslegung dieser Aussage wurde auch schonmal lange diskutiert^^) Dasselbe gilt wohl auch für das tägliche Pflichtgebet (das ich bei weitem nicht hinkriege), das tägliche Lesen in den Schriften (ebenso), und das Fasten...das bei mir eine Weile ging, aber auch nicht die ganze Zeit. Und ich hoffe/denke, dass ich deswegen nicht als der Bahai-Religion unwürdig erachtet werde.
Aber ich bin ja auch offiziell keine Bahai (für den Eintritt in die Gemeinde wird ein formloses Dukument mit Unterschrift eingereicht), und weiß nicht, ob ich mal eine werde. Derzeit ist es okay, einfach so als "Dauerbesucherin" dabeizusein.
Jetzt fällt mir nichts mehr ein...bzw. ich habe wahrscheinlich sehr viel vergessen, was ich eigentlich noch schreiben wollte...also werfe ich diesen Thread mal zum allgemeinen Zerpflücken in den Raum
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
Solche offenen Religionsgemeinschaften finde ich wirklich wunderschön. Mir ist gänzlich unklar, wie es im Sinne einer "aufgeklärten" Gesellschaft sien soll, unbeweisbare Weltanschauungen immer implizit zu lassen, wenn es auch möglich ist, spirituelle und religiöse Gefühle in einer Form auszuleben, die niemandem schadet, die soziale Gerechtigkeit propagiert und wissenschaftliche Themen nicht als Widerspruch zu ihren Ansichten sieht. (Darüber, wie doof ich es finde, so zu tun, als ließe sich alles empirisch Beweisbare nicht auch mit einer unbeweisbaren Göttlichkeit dahinter vorstellen, hab ich mich sicher schon mal ausgelassen.)
Während ich mit Bahai-Dingen bisher nur über dich in Kontakt kam, Kleo, hab ich einen Teil meiner Jugend in großer Nähe zu einer sehr entspannten evangelischen Gemeinde verbracht. Die war wohl vor allem durch ihre außergewöhnliche Pfarrerin so sympathisch, der Minderheitenstatus spielt bei Evangelischen in Österreich aber auch immer eine Rolle. Und ja, solange ich mich in den Gottesdiensten nicht komplett am falschen Ort fühlte, war das auf jeden Fall sehr bereichernd, intellektuell stimulierend und einfach ein gutes Gefühl. Sollte es mehr geben, so Positivbeispiele für institutionalisierte Religiosität.
Baha'i ist sehr schön, danke das du so viel schreibst! Es ist gut einen ethischen Einfluss zu haben und trotzdem nicht abhängig sein.
ZitatOffiziell heißt es, wenn jemand Bahai sei UND homosexuell, dann habe er_sie ein Problem...
Ein Problem mit was? Mit der Organisation? Wenn ich lese Problem, ich glaube das ist mehr man muss für sich nachdenken welche ethischen Prioritäten man will, und das ist für dich ein Problem, aber für andere in der Community auch wenn du LGBT bist?? Vielleicht ist es auch mit präehelichen Sex, es wirft einfach fragen auf die du nachdenken sollst (und das ist schon wichtig finde ich) oder sagen deine Freunde nein du darfst nicht? Wahrscheinlich hat Religion haben wenig zu tun mit wie oft am Tag wir formell beten. Trotzdem ich glaube ich verstehe was du meinst mit ist schwierig zu einer Religion dazu zu kommen ohne dort geboren zu sein. Aber vielleicht kommt für dich eine Zeit, wenn es ganz leicht geht weil es plötzlich wichtiger wird für dich. Das ist oft automatisch, ist jetzt nicht Zeit, ist vielleicht in 2 oder 20 Jahren ganz normal Baha'i zu sein.
Würdest du Kinder in Baha'i glauben erziehen, damit die so aufwachsen wie du vielleicht gerne gehabt hättest und die sich besser zuhause fühlen dort?
Zitat von Tamioder sagen deine Freunde nein du darfst nicht?
Die Freunde als Menschen vielleicht nicht - die Religion allerdings schon, die heiligen Schriften usw...
Zitat von KleoLetztlich sollen es Aufforderungen sein, stetig an sich zu arbeiten, sich immer wieder bewusst zu machen, wo die eigenen Schwächen sind, sich von hohlen, weltlichen Dingen loszusagen und auf wesentlicheres zu konzentrieren, dun Umgang mit den Mitmenschen, blablubb.
Inwiefern braucht es für soetwas eine Religion? Wenn das der Sinn und Zweck ist, warum dann der ganze Überbau, der das Individuum in so eine Glaubensmaschine reinpackt - kann eins nicht als Individuum, eigenständig, ohne eine konkreten Schrift, eine konkreten Glaubensgemeinschaft verpflichtet zu sein an sich arbeiten, sich der eigenen Schwächen bewusst sein, Materialismus ablehnen, versuchen, Nächstenliebe zu leben usw. usf.? Das sind doch Dinge, die einem der eigene Kopf, das eigene Herz, bzw. um diesen überstrapazierten Metaphern auszuweichen, die eigene Vernunft und das eigene Gefühl sagen (können), oder? Was überzeugt dich von dieser Religion im Besonderen? Ähnliche Ideale gibt es doch in so vielen anderen Religionen auch - Sind dann nicht alle Religionen einfach Weltbilder, die halt verschieden große Schnittmengen mit dem eigenen haben, diesem aber nie ganz gleichen?
ZitatEins mag argumentieren, dass die Bahai aufgrund ihrer späten Gründung einfach noch nicht die Gelegenheit hatten, gegen diese ihre eigenen Vorsätze zu verstoßen
Inwiefern ist relevant, ob die Gläubigen gegen ihre eigenen Vorsätze verstoßen oder nicht? Zur Beurteilung einer Religion sind doch wohl deren Inhalte relevant und nicht der Charakter ihrer Anhänger, oder? Egal, wie viele Christen/Muslime/Whatever im Laufe der Geschichte wie viele Morde begangen haben - m.E. sagt das nur etwas über diese Menschen aus und nicht unbedingt über die Religion. (Im Übrigen liegt es wohl auch daran, dass die Bahai sehr klein sind und wenig Macht haben, in vielen Ländern sogar verfolgt werden. Macht ist wohl eine Voraussetzung für Machtmissbrauch ^^ - Die Christen waren am Anfang, als sie noch verfolgt und ausgegrenzt wurden wohl recht ähnlich. - Aber nicht die Religion ist heute eine andere (Jedenfalls nicht in den Grundbausteinen), nur die Rolle der Religion in der Welt und ihre Geschichte, oder?)
ZitatUnd ich hoffe/denke, dass ich deswegen nicht als der Bahai-Religion unwürdig erachtet werde.
Naja, wenn du deswegen als unwürdig gelten würdest, dann wäre der Bahaiglauben recht kleinlich und auf Äußerlichkeiten und Rituale fokussiert, oder? Wenn Nicht-Fasten nicht dazu führt, dass du als unwürdig erachtet wirst, spricht das m.E. für den Bahai-Glauben ^^
ZitatDerzeit ist es okay, einfach so als "Dauerbesucherin" dabeizusein.
Ist das denn ein Zustand, der dir überwindenswert erscheint? Ich hab immer das Gefühl, dass es zwar "einfacher" ist, sich ganz an ein festes externes Weltbild dranzuhängen, aber letztlich nicht... "richtig" ist, dass es immer ein Stück weit mit dem Aufgeben der eigenen Autonomie, des eigenen Denkens einhergeht, wenn eins sich bedingungslos zu einem festen Weltbild bekennt. Dass jede Art von Dogma, egal, wie sympathisch es auf inhaltlicher Ebene sein mag, letztlich kritischem Denken im Weg steht, allein durch die Struktur von Dogmen - was mir in religiösen Dingen recht lange (bzw. in kleinerem Maße bis heute) Probleme gemacht hat. (Und nicht nur in Religiösen Dingen, sondern auch in politischen Fragen. Mich als Anhänger dieser oder jenen Religion, dieser oder jenen politischen Richtung zu bezeichnen wäre mir meißt unangenehm, denk ich. - Das ist wohl auch der Grund, weshalb mir der Mädchenmannschafts-Blog trotz extrem großer Überschneidung in vielen Überzeugungen, manchmal ein wenig unangenehm ist.) Mir scheint inzwischen ein "Besucher"- oder "Zuschauer"-Dasein, ein "Gast"-Sein fast die einzige Möglichkeit zu sein, nicht unehrlich zu mir selbst zu sein - es gibt Religionen denen ich näher stehe als anderen, einige sind mir sehr sympathisch, bei einigen gibt es recht große Schnittmenge mit meinem eigenen Denken, meinem eigenen Weltbild. Aber dann sind sie mir eben nur deshalb sympathisch, weil sie meinem Weltbild entsprechen, das aber dennoch mein eigenes, ein unabhängiges bleibt.
Hm, ich versuch vielleicht, es so zu beschreiben, wie ich es mir persönlich denke und zitiere dafür ein bisschen^^
ZitatWährend ich mit Bahai-Dingen bisher nur über dich in Kontakt kam, Kleo, hab ich einen Teil meiner Jugend in großer Nähe zu einer sehr entspannten evangelischen Gemeinde verbracht. Die war wohl vor allem durch ihre außergewöhnliche Pfarrerin so sympathisch, der Minderheitenstatus spielt bei Evangelischen in Österreich aber auch immer eine Rolle.
Vermutlich wäre es mir, sofern mir etwas ähnliches passiert wäre, auch so ergangen. Aber irgendwie...war ich in einer Konfirmationsgruppe mit Leuten, denen es eher ums Geld ging und die Spaß daran hatten, auf mir herumzuhacken, die keinen Bock auf Singen und keinen Bock auf Beten hatten, das alles lächerlich fanden...keine Ahnung. Dann wurde ich konfirmiert, aber irgendwie ging es danach mit meiner Religiosität ziemlich bergab. Ich habe auch einfach nicht viel drüber nachgedacht, mich nirgendwo an religiösen Aktivitäten beteiligt, etc. Und im Moment ist es so, dass da dieses Gefühl ist, als Protestantin trotzdem irgendwie in der Riesenmaschinerie "Christentum" drinzuhängen, in der vieles bei vielen nur noch Gewohnheit ist, in der ich mich mit nicht soviel identifizieren kann. Manche Leute regen sich auf, ich würde Christentum-feindliche Sachen sagen, und wahrscheinlich stimmt das sogar in Teilen, weil ich es nicht schaffe, zu differenzieren zwischen freundlichen, weltoffenen Christen wie z.B. in deiner Gemeinde, blubbl... Und gleichzeitig sektenartigen, Naturwissenschaften ablehnenden, selbstgerechten, diskriminierenden Glaubensrichtungen, die sich dennoch "evangelisch" nennen (dürfen).
ZitatWenn ich lese Problem, ich glaube das ist mehr man muss für sich nachdenken welche ethischen Prioritäten man will, und das ist für dich ein Problem, aber für andere in der Community auch wenn du LGBT bist?? Vielleicht ist es auch mit präehelichen Sex, es wirft einfach fragen auf die du nachdenken sollst (und das ist schon wichtig finde ich) oder sagen deine Freunde nein du darfst nicht?
Wie schon gesagt - innerhalb der Bahai-Gemeinde haben eigentlich alle Menschen bisher gesagt (mit denen ich geredet habe), dass sie nichts gegen LGBT haben, den Menschen keine "Vorwürfe" machen, auch nicht, wenn diese gemäß ihrer Orientierung leben. Allerdings wird in den Schriften eindeutig gegen Homosexualität Stellung bezogen, das ist eben ein Ungleichgewicht zwischen Vorschrift und Realität. Andere, weniger friedliche/tolerante Religionen würden ebendieses "Gebot" zum Anlass nehmen, eine unmenschliche Hetze zu veranstalten. Natürlich bin ich irgendwie froh, dass die meisten trotz Gebot in diesem Fall ihrem eigenen moralischen Kompass folgen... dennoch würde ich mir wünschen, dass das von offizieller Seite irgendwie negiert werden könnte, der aktuellen Zeit angepasst, in der erkannt wurde, dass Homosexualität eine gleichberechtigte Lebensform zwischen allen anderen ist (bzw. sein sollte...und noch dazu ist inzwischen doch sogar die klare Abgrenzung Homosexualität/Heterosexualität mehr oder weniger veraltet...)
Also, es ist so, dass jede Gemeinde mit mehr als 9 Mitgliedern einen Geistigen Rat, bestehend aus 9 Mitgliedern, wählt. (Und ja, ich habe nachgefragt, diese Regel gilt auch, wenn die Gemeinde genau 10 Mitglieder hat Pedanterie...) Das ist die lokale Ebene, und es wird in der Gemeinde jährlich geheim gewählt, jedes Mitglied kann gewählt werden. Dann gibt es die regionale Ebene, bei mir wäre das der Geistige Rat von Niedersachsen, in der Schweiz je nach Kanton, etc. Darüber steht der Nationale Geistige Rat, und dann darüber das "Universale Haus der Gerechtigkeit" (das einen eigenen Wikipedia-Artikel hat). In dieses sind aus bescheuerten und von mir ebenso bemängelten Gründen nur Männer wählbar. Und angeblich wurde das von Baha'u'llah so bestimmt, manchmal ärgere ich mich über diesen Mann, der sicher ein toller Mensch war, aber eben doch von seiner eigenen Zeit beeinflusst...in der er zwar auf den Gedanken kam, dass Frauen gleichberechtigt sein sollen, aber so hohe Positionen hat er ihnen dann wohl doch nicht zugetraut... Hier gilt dasselbe; ich hoffe, dass das irgendwann geändert wird.
Bei allen anderen Fragen kommt sonst immer wieder das Totschlagargument: "Wahrscheinlich verstehen wir einfach noch nicht, warum das so ist, aber wir werden es eines Tages verstehen/es wird uns eines Tages offenbart werden/etc." Das nervt mich ungemein. Ich verstehe nicht, was so verkehrt daran sein kann, Dinge zu revidieren, wenn eingesehen wird, dass damit Menschen Schaden zugefügt wird - und das, obwohl doch die Bahai-Religion Freundlichkeit gegen allen Menschen propagiert!
Vielleicht endet es irgendwann so, wie bei den Katholiken in Westeuropa: Die oberste Instanz predigt irgendetwas, und 99,9% aller Menschen (die sich dieser Glaubensrichtung zugehörig fühlen) machen es einfach anders, ohne sich dabei schlecht zu fühlen.
ZitatInwiefern braucht es für soetwas eine Religion? Wenn das der Sinn und Zweck ist, warum dann der ganze Überbau, der das Individuum in so eine Glaubensmaschine reinpackt - kann eins nicht als Individuum, eigenständig, ohne eine konkreten Schrift, eine konkreten Glaubensgemeinschaft verpflichtet zu sein an sich arbeiten, sich der eigenen Schwächen bewusst sein, Materialismus ablehnen, versuchen, Nächstenliebe zu leben usw. usf.? Das sind doch Dinge, die einem der eigene Kopf, das eigene Herz, bzw. um diesen überstrapazierten Metaphern auszuweichen, die eigene Vernunft und das eigene Gefühl sagen (können), oder?
Ja, im Prinzip wohl schon...zwei Punkte möchte ich anführen, warum ich eine Religion im Hintergrund des menschlichen Verhaltens gutfinde. Zunächst einmal kann diese eine Stärkung des eigenen Positiven Verhaltens bringen. Ein Mensch, der religiös ist, sollte (im Idealfall) aus diesem Grund moralisches Handeln mehr in den eigenen Focus rücken, als wenn es "nur" das eigene Gewissen wäre. Ich weiß, dass besonders im Humanismus das eigene Gewissen als sehr wichtig dargestellt wird, doch so ganz glaube ich nicht daran. Jetzt ganz subjektiv...Klar versuche ich, im Alltag freundlich zu Menschen zu sein, niemanden abfällig zu behandeln oder zu ignorieren, Steitigkeiten anständig zu lösen... aber ebenso scheitere ich öfters daran, werde noch misanthropischer als ohnehin schon und manchmal auch richtig verletzend. Und manchmal (zugegeben bei weitem nicht immer) kommt mir in so einer Situation die Religion in den Sinn, ich erinnere mich an Andachten, an irgendwelche Sinnsprüche, und das beruhigt mich und bringt mich dazu, mein eigenes Verhalten besser zu reflektieren. Es gibt mir irgendwie die Kraft, über meinen eigenen Schatten zu springen.
Zweitens denke ich, dass dieses "Prinzip der Religiosität" auch funktionieren kann bei Menschen, die vorher gar nicht so den Ansatz hatten, sich gut zu verhalten. Aus irgendeinem Grund kann Glaube Menschen glücklich machen und bestärken. Vielleicht, weil er unser moralisches Gewissen in klarere Worte fasst (die Zehn Gebote, etc.) und somit leichter präsent macht. Ich hoffe, dass es nicht nur ein falsches Empfinden von mir ist, dass es Menschen geben kann, die aus diversen Negativsituationen heraus ihren Glauben finden und es auf dieser Basis schaffen, ihr Leben zum Guten zu verändern. (Natürlich kann auch das Gegenteil eintreten, es gibt religiöse Strömungen, die etwas als Recht bezeichnen, was all meinen Moralvorstellungen widerspricht, und deren Angänger_innen sich natürlich dieses Recht zu eigen machen, töten, Menschen verstümmeln, usw.)
ZitatWas überzeugt dich von dieser Religion im Besonderen? Ähnliche Ideale gibt es doch in so vielen anderen Religionen auch - Sind dann nicht alle Religionen einfach Weltbilder, die halt verschieden große Schnittmengen mit dem eigenen haben, diesem aber nie ganz gleichen?
Hm, als ich über das Christentum schrieb, habe ich es ja schon angerissen. Je größer eine Religion ist/wird, desto mehr unangenehme Strömungen scheinen damit einherzugehen. Es finde mal jemand eine Religion, in der die Anhänger_innen nicht dazu neigen, sich entweder gegenseitig oder andere Religionsanhänger_innen fertigzumachen. Das Christentum, das Judentum und der Islam haben alle teils sehr unangenehme Facetten (natürlich nur teils!), im Hinduismus gibt es z.B. das Kastensystem... Der Buddhismus fällt ja eher durch Friedlichkeit auf, aber...vielleicht ist das einfach zu sehr von meiner Erziehung und meiner Lebensrealität entfernt, als dass ich mich damit identifizieren könnte.
Letztendlich würde ich dir also bzgl. der Schnittmengen zustimmen. Wenn ich es nach diesem Schema beurteilen müsste, würde ich sagen, dass das Bahaitum mit meinem Weltbild (trotz einiger Defizite) am meisten gemeinsam hat von allen Religionen, die ich bisher kennengelernt habe (was, ehrlich gesagt, nicht sehr viele sind...wenn "Kennenlernen" als "echte Einblicke haben" definiert wird). Ja, ich suche mir eine Religion aus wie auf dem Basar, das hat mit Vorsehung nichts zu tun. Es bedeutet mir dennoch etwas, denn ich empfinde die Religion sozusagen als "empowernd", mich ihr verbunden. Und durch den Glauben an einen transzendenten Gott widerspricht der Glaube der Bahai eben nicht der Vorstellung, die ich selbst habe. (Polytheismus z.B. respektiere ich als gleichwertig, aber kann mich selbst nicht damit identifizieren.)
Sollte ich jemals in eine Bahai-Gemeinde eintreten, würde das ja nicht heißen, dass ich mein eigenes Denken aufgebe und lebenslang allen Dogmen und Vorschriften dieser Religion folge. Es ist mehr so....naja, als wäre die Gemeinde ein Verein. Und wenn eins lange dabei ist, dann wird eben überlegt, ob es nicht schön wäre, auch "offiziell" dazuzugehören. Ich habe ja auch die Freiheit, jederzeit wieder auszutreten, wenn es einen Anlass dazu gibt. Davon abgesehen ist es nicht komisch im Moment, und noch nie hat jemand versucht, mich diesbezüglich zu beeinflussen oder zu einem Beitritt zu überreden, also wird es wohl noch eine Weile so bleiben und dann, mal gucken.
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
ZitatHm, als ich über das Christentum schrieb, habe ich es ja schon angerissen. Je größer eine Religion ist/wird, desto mehr unangenehme Strömungen scheinen damit einherzugehen. Es finde mal jemand eine Religion, in der die Anhänger_innen nicht dazu neigen, sich entweder gegenseitig oder andere Religionsanhänger_innen fertigzumachen.
Ja und? Es gibt diverse Strömungen im Christentum, klar, davon viele äußerst unsympathisch, naturwissenschaftliche Erkenntnisse verneinend, Homosexuelle und Frauen diskriminierend etc. pp., das volle Programm. Aber inwiefern färbt das negativ auf die Strömungen ab, bei denen das eben nicht so ist? Wenn jemand pazifistische Reden schwingt und daraufhin einen Menschen umbringt - glaubst du deshalb aufeinmal nicht mehr, dass die pazifistischen Vorstellungen gut und richtig und wahr sind? Es ist doch eher so, dass eins dann nicht mehr daran glaubt, dass diese Menschen tatsächlich pazifistisch denken.
Und darüber hinaus - wenn es ein grundlegendes, strukturelles Problem von Religionen/Weltbildern ist, dass sie diskriminierende Strömungen hervorbringen, wenn sie groß und mächtig werden - kann das dann wirklich noch ernsthaft als Argument gegen einzelne Religionen ins Feld geführt werden? Muss eins dann nicht schlussfolgern, dass der Grund dafür nicht in den abstrakten Ideen, sondern in den Menschen steckt?
Zitat Ja, im Prinzip wohl schon...zwei Punkte möchte ich anführen, warum ich eine Religion im Hintergrund des menschlichen Verhaltens gutfinde. Zunächst einmal kann diese eine Stärkung des eigenen Positiven Verhaltens bringen. Ein Mensch, der religiös ist, sollte (im Idealfall) aus diesem Grund moralisches Handeln mehr in den eigenen Focus rücken, als wenn es "nur" das eigene Gewissen wäre. Ich weiß, dass besonders im Humanismus das eigene Gewissen als sehr wichtig dargestellt wird, doch so ganz glaube ich nicht daran.
Hm, da sind wir wohl tendentiell unterschiedlicher Meinung - ich denke, dass ein Mensch, egal ob religiös oder nicht religiös, im Idealfall NICHT aus "religiösen" Gründen so und so handeln sollte, sondern aus Gewissensgründen. Wenn ich wirklich davon überzeugt davon bin, dass die Aussagen von Religion XY der Wahrheit entsprechen, dann werden meine Moralvorstellungen denen der Religion halt entsprechen und dem entsprechend würde, nach außen hin, die Handlung in beiden Fällen die gleiche sein - aber in der einen Variante tue ich etwas, weil ich es für richtig halte, weil ich glaube, dass es gut ist, so zu handeln. Im anderen Fall tue ich etwas, weil es meine Religion so fordert. Weil irgendwo steht "tu dieses und jenes". Und dann hat eins den Punkt erreicht, wo Religionen gefährlich werden, denke ich: Wenn "Ich bin Jude" nicht heißt "ich habe diese und jene Überzeugungen, diese entsprechen denen, die im Judentum zum Ausdruck kommen, ergo bin ich ein Jude", sondern "Ich definiere mich als dem Judentum zugehörig, also muss ich (Unabhängig davon, ob ich selbst dieser Meinung bin/ob ich es verstehe/ob ich es für richtig halte!) so und so handeln, da dies das Judentum erfordert." - Letztlich läuft die von dir wiedergegebene Argumentation von wegen "Wir wissen nicht warum, aber Baha'u'llah wird schon recht haben - irgendwann werden wir verstehen." genau darauf hinaus - ich nach meinem persönlichen Ermessen kann zwar nicht sagen, warum ich so handeln soll, womöglich widerspricht es sogar meiner Vernunft, meinem Gefühl, aber ich handel trotzdem so, und folglich meiner Vernunft und meinem Gefühl zuwider, da eine höhere Macht es wohl besser wissen wird als ich.
Und da krieg ich (der ich sicher nicht grundlegend etwas gegen Religionen habe und der ich fundamentalistische Atheisten a la Dawkins nicht ausstehen kann) einen Religionskoller - das scheint mir wie eine Rückkehr ins Mittelalter, in Zeiten vor der Aufklärung. Ich als Individuum, meine Überzeugungen, mein Empfinden, meine Vernunft, mein Gewissen sind letztlich bei allen Entscheidungen die einzig relevante Instanz für mich - was ein gewisses Maß an Freiheit und Unabhängigkeit gibt, gleichzeitig aber auch Verantwortung. Diese Verantwortung verleugnet eins doch, wenn eins die Entscheidungen von religiösen Regeln abhängig macht, oder? Mag sein, dass ich da sehr stark Durch Aufklärung und Sturm und Drang-Zeugs geprägt bin... However.
(Wohl auch ein Grund, weshalb mir der Protestantismus teilweise recht sympathisch ist - trotz aller möglicher Kritik an Luther ist die Reformation eben ein Schritt in diese Richtung gewesen - den Text, der die Grundlage der Religion darstellt für alle verständlich machen, die kirchliche Hierarchie niederreißen, das Gewissen als höchste Instanz einsetzen - "Hier stehe ich, ich kann nicht anders"... Naja, wie dem auch sei...)
Ich begehe ja auch nur deshalb keine Morde, weil ich davon überzeugt bin, dass Morden in (fast) allen Fällen scheiße ist. Und nicht weil ich so treu dem Grundgesetz, dem Christentum, dem Dalailama oder sonstwem ergeben bin, dass ich denke, sie würden schon recht haben, wenn sie sagen, dass das doof ist... Würde ich es für richtig halten, dann wär mir Kants kategorischer Imperatif, das Strafgesetzbuch und der Papst scheißegal und ich würds trotzdem machen... - aber es trifft sich doch gut, dass meine persönliche Überzeugung in diesem Fall den Ansichten fast aller Religionen, Gesetzbücher, PhilosophInnen, whatever entspricht ^^
EDIT: Ich merke grade, dass das mal wieder heftiger/aggressiver/offensiver/whatever klingt, als es beabsichtigt war - Weder ist das eine Kritik an deiner Herangehensweise an Religion, noch am Bahai-Glauben selbst - in wesentlichen Punkten denk ich, im Gegenteil, dass wir recht ähnliche Ansichten haben - das Kritische Denken, dass unter allem Religionskram nicht verlorengehen sollte hast du ja schließlich auch erwähnt und der Bahai-Glauben (Gibt es irgendein Nomen, das "Islam", "Hinduismus", "Christentum" etc. entspricht? Wenn ich das richtig verstanden habe bezeichnet "Bahai" ja die Menschen, nicht die Religion, oder?) scheint dafür auch offener zu sein als viele andere Religionen, was meiner Denkweise eher entgegenkommen dürfte, als ihr zu widersprechen, tendentiell.
Den Begriff des Gewissens, des Ichs usw. als wichtige Instanz zu verteidigen war wohl letztlich die Intention, keine weitergehende Kritik. Abgesehen davon klingen viele Sachen, von denen du erzählst, recht angenehm und sympathisch.
Hm, ich dachte eigentlich, dass ich genug deutlich gemacht hätte, warum ich es okay finde, mich (soviel es mir selbst beliebt) durch eine Religion beeinflussen zu lassen. Und meines Empfindens nach ist es durchaus steuerbar, wie sehr ich Dinge von dort annehme oder eben nicht, und was ich weiterhin mit Skepsis betrachte.
Wenn ich mit einer religiösen Regel konfrontiert bin, dann sollte diese (gemäß dem Zweck einer Religion - hilfe, ich hasse es, diese Formulierung zu verwenden!) eine Art moralische Instanz in meinem Kopf darstellen. Mir bleibt es weiterhin frei, ob ich dieser Instanz folge oder nicht. Das Fasten z.B. habe ich teilweise eingehalten, aber irgendwo auch für mich selbst beschlossen, dass es reichen muss, wenn ich es nicht immer (und nicht immer ganz konsequent) tue. Klar nehme ich dafür in Kauf, mich ein bisschen blöd zu fühlen, weil das Fasten Besinnung sein sollte und ich irgendwie meinen Appetit über dieses Ziel stelle. Andere moralische Instanzen lehne ich komplett ab, wie z.B. die Homophobie, und da ich hier meine eigene Moralvorstellung über die von mir erwartete Einstellung hebe, bin ich weit entfernt davon, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.
Die beiden Dinge haben mMn einen Unterschied...Und allgemein steht das zweitgenannte über dem erstgenannten. Zunächst prüft mein Kopf innerlich, ob ich eine Vorgabe/Regel mit mir selbst vereinbaren kann. Wenn ich dann denke: Prinzipiell ja...dann bemühe ich mich (versuche es zumindest) um Einhaltung.
Ist ein bisschen komisch, dass es in deinem Beitrag so klingt, als würde ich blind irgendwelchen vorgeschriebenen Idealen hinterherlaufen.
Denn der Glaube an einen Gott, der über uns Menschen steht, der uns zur Verantwortung zieht und uns gleichzeitig aber auch sehr viel Positives vermittelt...das alles hat noch lange nichts zu tun mit dem Irrsinn, den manche Glaubensformen annehmen können. Damit meine ich nicht nur Religionen/Sekten, sondern auch z.B. krasse Formen von Esoterik oder radikalen Atheismus, der ohne Unterscheidung in der Religion die Wurzel allen Übels sieht...soll es alles schon gegeben haben...
Wenn mir etwas religiöses unterkommt, prüfe ich wohl innerlich sehr schnell, inwieweit das in meine Gedankengänge eingreift/eingreifen will. Dementsprechend bin ich mehr oder weniger skeptisch und es dauert immer recht lange, mich von etwa szu überzeugen.
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
Ukay, dann haben sich wohl die meisten Konfliktpunkte aufgelöst.
ZitatDie beiden Dinge haben mMn einen Unterschied...Und allgemein steht das zweitgenannte über dem erstgenannten. Zunächst prüft mein Kopf innerlich, ob ich eine Vorgabe/Regel mit mir selbst vereinbaren kann. Wenn ich dann denke: Prinzipiell ja...dann bemühe ich mich (versuche es zumindest) um Einhaltung.
ZitatWenn mir etwas religiöses unterkommt, prüfe ich wohl innerlich sehr schnell, inwieweit das in meine Gedankengänge eingreift/eingreifen will. Dementsprechend bin ich mehr oder weniger skeptisch und es dauert immer recht lange, mich von etwa szu überzeugen.
Das läuft ja letztlich genau auf die Variante hinaus, die auch ich favorisiere, oder nicht? Du selbst und dein Denken stehen über Zeugs, das von Außen an dich herangetragen wird, in dem Fall Religion, und nur wenn es diese "Kontroll" besteht, wenn es mit deinen Überzeugungen kompatibel ist, nimmst du das Zeugs an.
ZitatEin Mensch, der religiös ist, sollte (im Idealfall) aus diesem Grund moralisches Handeln mehr in den eigenen Focus rücken, als wenn es "nur" das eigene Gewissen wäre. Ich weiß, dass besonders im Humanismus das eigene Gewissen als sehr wichtig dargestellt wird, doch so ganz glaube ich nicht daran.
Klang für mich nur so, als solle deiner Meinung nach bei einem religiösem Menschen die Religion das Handeln bestimmen (und Handeln im Sinne der Religion wäre dem entsprechend "moralisch korrekt".) und eben nicht er selbst, bzw. sein Gewissen. Und letzteres schien mir unterpräsentiert, bei dem ganzen Thema... Aber wie gesagt (und auch schon im vorigen Post geschrieben), das scheint ja auf ein Missverständnis obiger Aussage zu basieren...
Mal ein ganz anderes Thema - Wenn ich das richtig verstanden habe gehen die Bahai wegen ihrer Vorstellung von einer fortschreitenden Offenbarung davon aus, dass die großen Weltreligionen letztlich Verkörperungen ein und der selben Idee bzw. des selben Gottes sind. Das heißt ja, dass sowohl Jesus, als auch Buddha, als auch Mohammed usw.usf. als Offenbarer Gottes gesehen werden - spielen die Bibel, der Koran usw. dann für die Bahai auch irgendeine Rolle?
Im Übrigen nimmt Jesus doch für sich in Anspruch, der angekündigte Messias zu sein, also nicht nur ein weiterer Prophet und Offenbarer, sondern die Erfüllung eben jener Offenbarungen usw. - das passt doch nicht zusammen mit der Vorstellung einer fortlaufenden Offenbarung, oder? Grundsetzlich widersprechen sich die großen Weltreligionen doch massiv - wie schaffen es die Bahai, darin eine Einheit zu sehen?
Und zuguterletzt noch eine Frage bezüglich des Hinduismus - der ist ja polytheistisch. Die Bahai sind ja scheinbar streng monotheistisch. Wird der Hinduismus dann, anders als Islam, Buddhismus, Judentum, Islam usw., nicht als weitere Verkörperung des einen Gottes gesehen?
Ich werf die Fragen einfach mal so in den Raum, ohne auf jede einzelne eine ausformulierte, großartige Antwort zu erwarten, die repräsentativ für den Bahai-Glauben ist - aber es sind Fragen die sich für mich nicht auf Anhieb erschließen.
Also was du über die Bibel, den Koran, etc. (auch die Thora) gesagt hast, ist wirklich irgendwie so. Sie werden anerkannt, spielen eine Rolle, und bei Andachten können aus Schriftstücken aller Religionen Texte gelesen werden.
Das Bahaitum unterscheidet sich vielleicht ein wenig dadurch, dass es nicht sowas wie "eine Schrift" gibt, sondern viele "Schriften" (immer Plural), die zwar ein wenig gestaffelt sind, je nachdem, von wem sie verfasst wurden, jedoch alle irgendwie Gültigkeit besitzen. Auch Schriften, die nicht von Bahá'u'llah selbst stammen, gelten nicht als Sekundärliteratur.
Diese Sache mit dem Messias...tja, da unterscheiden sich vielleicht wirklich die Ansichten von Christen, Muslimen und Bahai. Dass die Bahai Christus z.B. eher als einen Messias von mehreren betrachten und Christen niemand außer Christus als Messias sehen, ist eine Divergenz im Glauben. Doch deswegen sind Bahai auch keine Christen. Umgekehrt ist ein Entgegenkommen von Seiten der christlichen Gemeinden oftmals da, es gibt natürlich keine Adaption, aber einen Austausch im Glauben; es wird registriert, dass die Religion nicht neben Bahà'u'llah keine anderen wichtigen Offenbarer zulässt. Ich glaube, in den meisten Städten gibt es solche Häuser der Religionen oder andere Zentren, in denen dieser Austausch gepflegt wird und es Veranstaltungen gibt, die sich ausdrücklich an Gläubige vieler verschiedener Religionen richtet, um Kommunikation zu fördern.
Dennoch ist es wohl ein sehr relevanter Grund dafür, warum die Bahai besonders in muslimischen Ländern so systematisch verfolgt werden.
Die Einheit, die im Bahaitum gesehen wird, bezieht sich wohl eher auf Gott oder das Göttliche. Dass andere Religionen die Sache mit den Offenbarern ganz anders sehen, ist klar und kann wohl kaum geleugnet werden^^
Oder, keine Ahnung...hat das ganze etwas von Bevormundung? Im Sinne von "ihr glaubt, dass das nur euer eigener, persönlicher Gott ist, aber wir wissen es besser und sagen euch, dass es der Gott aller ist"...? Ich weiß es nicht.
Für Anfang August bin ich zu den Jugendkonferenzen eingeladen worden, sowas wie ein dreitägiges Seminar für junge Bahai und Interessierte...ich weiß nicht so recht, was mich da erwartet, aber vielleicht bringt das ja auch einige Erkenntnisse bezüglich der Sachen, über die ich selbst auch öfter grübele, oder sowas, was ich als Unstimmigkeit empfinde. Vielleicht gibt es ja auch irgendwann mal die Möglichkeit, da selbst Fragen zu stellen..ich kann ja mal eine Liste machen, die ich dahin mitnehme.
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
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03.05.2013 21:09
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Pedanterie...) Das ist die lokale Ebene, und es wird in der Gemeinde jährlich geheim gewählt, jedes Mitglied kann gewählt werden.