Ich hab mich vor ein paar Tagen mal gefragt, inwiefern Tatoos, Piercings usw. usf., die nicht im Rahmen einer verankerten Kultur, sondern innerhalb einer "rebellischen" Jugendkultur zur Modeerscheinung werden bewusst ein destruktives Element beinhalten - geht es um Körper-"Verschönerung" oder teilweise um ein Brechen mit Schönheitsidealen durch bewusstes "(zer)stören" bzw. durch bewusstes zuwiderhandeln, also letztlich um einen Ausdruck der Provokation, um ein destruktives Element, das mit einer Kultur, in der eine körperliche Ganzheit und Integrität hochgehalten wird, bricht? (Wie z.B. das Tragen zerrissener Jeans o.Ä.)

Oder anders gefragt - welche (unterschiedlichen) kulturellen Bedeutungen haben Körpermodifikationen, welche haben sie für euch? Es wurden ja schon verschiedene symbolische Ebenen, religiöse Funktionen, politische Bedeutungen genannt - das find ich recht interessant.

Ob ein Piercing "schön" ist, darüber wird sicherlich von vielen Seiten kontrovers diskutiert.
Ich finde diese Art der Körperkunst beindruckend...aber gleichzeitig löst der Anblick eines Menschen mit Piercing bei mir nicht die gleichen Reaktionen aus wie...z.B. ein Mensch mit fluffeligem Haar, großen Augen oder geschwungener Nase. Es ist also nicht die typische Schönheit, von daher könnte es schon sein, dass es der "rebellische" Charakter ist, der mich dabei anspricht.
Mein eigenes Piercing betrachte ich aber neutraler, ich fühle es mehr, als dass ich sehe, ich achte nicht viel darauf, manchmal vergesse ich es ganz. Es kommt mir vor wie ein Teil von mir, es gehört irgendwie dazu. Aber ehrlich gesagt: wenn ich es mal einen Tag nicht trage (was kaum vorkommt), dann vermisse ich das "Gefühl" auch nicht.

Bei Tattoos sieht das anders aus, die sind ja allein in der Ausführung schon viel variabler. Hier bevorzuge ich definitiv Varianten mit Aussagen (aber bitte keine Platitüden!) oder etwas, was meinen Sinn für Schönheit anspricht.
Natürlich liegt Schönheit aber im Auge der Betrachterin, weshalb ich viele Tattoos auch nicht leiden kann, während ihre Träger_innen sie sich sicherlich haben stechen lassen, weil sie sie schön finden (oder fanden...).

Meine eigenen Tattoos finde ich schön, sonst wären es nicht meine. Ich könnte zwar auch Details bemängeln, aber im Großen und Ganzen... Ich habe versucht, eine Mischung aus Bedeutung und Ästhetik zu finden, denn nur irgendwelche Schriftzüge finde ich auch doof.

Aus gegebenem Anlass:

Gestern hatte ich mit der MTA, die auch irgendwie meine Kollegin ist, ein bizarres Gespräch darüber, warum ich als Doktorandin genommen wurde, und sie fing an, aus dem Nähkästchen zu plaudern, was ein wenig unangenehm war, weil ich weiß, dass sie selbst an der Entscheidung beteiligt war.
Und ich habe gelernt, dass Menschen auch im 21. Jahrhundert noch skeptisch sein können, wenn sie eine Person mit Tattoos und/oder Piercings sehen. Dabei hatte ich eigentlich gedacht, dass diese "Accessoires" inzwischen im Mainstream angekommen seien... Jedenfalls erfuhr ich, dass das einer der größten Punkte ihres Zweifels war und war ziemlich verblüfft. Sie sagte wörtlich: "L. (mein Doktorvater) war ja ein bisschen geschockt, weil du so...benadelt bist."
(Und ich so: Hä? Bin ich ein Baum? Was meint sie?)

Andererseits habe ich manchmal, wenn ich Menschen treffe, die z.B. die gleichen Piercings haben wie ich, eine Art Zugehörigkeitsgefühl. So ganz scheint die "Alltäglichkeit" also auch in meinem Kopf noch nicht angekommen zu sein. Wenn so eine Person dann in der Schlange vor mir steht und sich eine "Currywurst mit Pommes" bestellt, dann möchte ich mich fremdschämen...und ihr am liebsten sagen "wenn dir soviel daran liegt, dich von anderen Menschen abzuheben, warum denkst du das dann nicht zu Ende und passt auch dein Verhalten dem an"?

Vermutlich hätte ich der MTA gegenüber freundlich lächelnd diesen Ärzte-Songtext zitieren sollen ("Und wenn ihr schon dabei seid, dann betrachtet auch mein Aussehen als Symbol der Nicht-Identifikation mit euren Werten"), denn als solches war es ja ursprünglich einmal gedacht.

Ich habe einen Tunnel von 10mm Durchmesser, den ich im Laufe des letzten Jahres gedehnt habe.

Um ehrlich zu sein, habe ich diese Entscheidung wohl auch unterschwellig aus dem Wissen heraus, damit aufzufallen, gefällt - aber vor allem tat ich es aus ästhetischen Gründen.

Ich hatte in den letzten zwei Jahren sehr viel Kontakt mit Menschen aus der Punk- und Hardcoreszene, in denen Tunnel ja sehr geläufig sind, und dazu mehrere Menschen in meinem Umfeld, die sich einen stechen ließen, wodurch mein Interesse dafür stieg und ich es nach einer Zeit als wirklich schönen und teils auch attraktiven Aspekt an Menschen wahrnahm.

Dazu spielte auch der Fakt, dass ein Tunnel in dieser Größenordnung auch wieder zuwachsen kann, eine gewichtige Rolle bei meiner Entscheidung. Da ich mir selber im Klaren bin, dass mein Geschmack sich im Laufe der Jahre sicher noch ändern wird und somit auch meine derzeitige Auffassung von Ästhetik nicht von Dauer ist, habe ich bei Tattoos auch mehr Bedenken, obwohl passende Tattoos am menschlichen Körper auch meinem Schönheitsideal entsprechen.

Meiner Meinung nach sind Piercings und Tattoos doch sehr im Mainstream angekommen - ich meine, ich kenne soviele Menschen in meinem Alter die an irgendeiner Stelle tätowiert oder gepierced sind -, und es ist nur eine Frage der Zeit bis man sich nicht mehr das Hemd auf der Arbeit hochkrempeln muss um seine Tattoos zu verbergen. Spätestens dann verlieren Piercings und Tattoos wohl auch ihre Bedeutung als Mittel des Protests gegen das Establishment.

Ja, eben...was ich meinte, war, dass das vielleicht eher nur unserer Generation so vorkommt. Ich kenne viele Menschen, die diesen Stil gernhaben und auch selbst so aussehen.
Und dann rechne eins 15, 20 Jahre drauf und diesen Leuten kommen wir wahrscheinlich alle vor wie Aliens mit Geschmacksverirrung

Das einzig schöne, was über-40-Jährige jemals zu meinem Zeug gesagt haben, war zu den Vögeln, denn die mögen auch manche Ältere. Alles andere ist ihnen irgendwie "bäh".

Oh, gerade habe ich irgendwie schrecklich viel Lust, ein Tattoo zu haben, und ich könnte mir genau vorstellen, was und warum und es wäre wunderschön...

Irgendwie habe ich inzwischen das Gefühl, Erinnerungsanker schaffen zu müssen an Zeiten meines Lebens, damit mir klar wird, dass es sie gab, wenn sie irgendwann einmal vorbei sind. Eigentlich spiele ich schon so lange mit dem Gedanken an ein neues Tattoo. Vielleicht mache ich das ja wirklich nochmal.

Wenn ich meinen Plan in die Tat umsetzen würde, dann würde ich mir die Anfangszeilen der Strophen von "Mr. Tambourine Man" auf mein Bein tätowieren lassen, dann hätte ich sie immer dabei und den Rest der Strophen krieg ich immer aus dem Kopf rekonstruiert, nur die Anfänge vergesse ich regelmäßig. Dann könnte ich jederzeit, wenn eine Gitarre da wäre, mein Hosenbein bis zum Knie hochschieben, mein rechtes Bein auf meinem linken ablegen, das mache ich eh immer, wenn ich Gitarre spiele, und hätte dann die Erinnerungshilfe direkt vor Augen.
Allerdings habe ich vielleicht zuviele Haare am Bein, sodass das schlecht zu lesen wäre. Hm.
Aber es wäre so schön und ich mag diesen Song so gerne und mimimi <3

Ich hatte vor ein paar Wochen eine kurze Diskussion mit einer Person (etwa 33 Jahre alt), die behauptete:
Tattoos tragen doch nur Leute, die in ihrer Kindheit/Jugend irgendwelche psychischen Probleme hatten.
Ich fand die These 1. krass vorverurteilend 2. zu flach/einfach, um wahr zu sein, konnte die Meinung meines Gegenübers aber auch nicht ins Wanken bringen.
So viel also zu der Frage, ob Tattoos als modisches Element akzeptiert sind.
Inzwischen heißt es nicht mehr "Knastinsassen/Seeleute/Sklaven sind tattoowiert.", sondern auch noch "Danke für die Info, dass du krank bist/warst."
Aber wenn man das so annimmt, kann das natürlich in Bewerbungsgesprächen negativ sein.


Ich finde die Idee des Liedanfangs auf dem Bein herrlich... Vielleicht weil ich praktische Dinge einfach mag.
Sonst finde ich Schrift generell etwas heikel... zum einen werden Tattos nunmal irgendwann unscharf und das ist bei Textzeilen ziemlich unschön. Zum anderen hätte ich Angst, dass da hinterher etwas falsches steht, weil man sich ja mal verschreiben kann.

Die Frage ob ich irgendwelche Tattoos haben wollen würde habe ich mir relativ bald mit nein beantwortet... Weil ich mir sicher bin, dass es mir nicht lange genug gefällt. Ich möchte mich nicht über ein, zwei einzelnde Bilder definieren, dafür bin ich zu unstet und vielseitig. Genauso wenig würde ich aber immer wieder auf weitere Bilder "updaten" wollen.
Außerdem ist es mir gesundheitlich ein bisschen zu unsicher... soweit ich weiß, ist die verwendete Farbe für Kosmetisches zugelassen. Das bezieht sich also für die Anwendung auf der Haut. Das möchte ich dann nicht unbedingt im Körper haben.

Nichtsdestotrotz finde ich Tattoos häufig hübsch und bewundere sie als Kunstform.
Mir tun nur manchmal die Künstler leid, wenn sie immer wieder die selben Motive stechen müssen... aber wenigstens die Zeiten von Arschgeweihen sind zum Glück vorbei.

Was irgendwelche Körpermodifikationen angeht, bin ich wohl sehr langweilig. Ein Ohrring im Ohrläppchen (ums mal gemacht zu haben und weil ich Asymmetrie mag) und mehr wirds bei mir wohl nicht geben.

Ich hätte so gern ein Tattoo! Aber ich weiß nicht genau, welches. Ich hätte so gerne ein Piercing! Aber ich habe nicht sehr viel Geld. Ich wäre so gern ich, aber ich muss mit dem arbeiten, was ich habe. Sechs Ringe sind genug Schmuck für einen Mann - meinen Mann - mich.

Ich höre immer noch die Antilopengang... und definiere sie mal ganz vage als Genre... PUNKWRAP... Punkrap. xD