Ich denke ihr werdet solche Fälle kennen, in denen der eigene Verstand einem bezogen auf eine moralische Fragestellung etwas anderes sagt als das eigene Gefühl - Das man aus dem Bauch heraus etwas anderes tun würde, als einem der eigene Kopf sagt, dass einem eine Möglichkeit "richtiger" vorkommt, obwohl rational gesehen die andere Variante sinnvoller erscheint. I n dem Gespräch über Organspende war z. B. mal von "lebenden Organbanken" die Rede, was vielleicht rational gesehen nicht falsch erscheint, aber doch ersteinmal eine abstoßende Vorstellung ist Ein anderes Beispiel wäre die Frage ob man Tote in kauf nehmen oder sogar herbeiführen darf, um eine größere Anzahl an Menschen zu retten, oder ob man beim Versuch, einer kleineren Anzahl Menschen zu helfen eine größere gefährden darf. Oder auch das Gleichnis vom verlorenen Schaf (ohne damit Religions-Diskussionen entfachen zu wollen - nur als Beispiel.) - "Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er "eins" von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. " - im Grunde ist es doch vollkommen irrational, die Herde zurückzulassen um das einzelne Schaf zu retten - emotional gesehen hingegen würden viele das Ganze wohl anders bewerten. Kann sein, dass bei den genannten Beispielen für euch keine Differenz zwischen rationalem und emotionalem Urteil besteht, aber ich hoffe, ich konnte halbwegs ausdrücken, welche Problematik ich meine. Jetzt also die Frage - ist es moralisch richtig, so zu handeln, wie man es nach rationalen Gesichtspunkten tun müsste, auch wenn das eigene Gefühl einem was anderes sagt? Oder muss man sich nach seinem Gefühl richten und in Kauf nehmen, dass man weiß, dass die andere Möglichkeit objektiv betrachtet sinnvoller gewesen wäre?
Naja, wir sind keine Tiere, aber andererseits auch keine Maschinen.. wir müssen irgendwo den Mittelweg finden.
Man muss ja auch nicht alles logisch, rational begründen können. Will man die ?lebende Organbanken? politisch einführen, kann man ja schlecht sagen ?Schaltet doch bitte euer Bauchgefühl aus und betrachtet die Sache nur mit dem Kopf? -denn mann muss ja hinterher auch mit dem ganzen System leben können, mit dem man evtl. ein Problem hat..
Ächz.. irgendwie sind meine GEdanken gerade schrecklich unstrukturiert ^^
Zitat von KlugscheißerNaja, wir sind keine Tiere, aber andererseits auch keine Maschinen.. wir müssen irgendwo den Mittelweg finden.
In dieser Formulierung klingt es, als ob Tiere emotional und Maschinen rational handeln - und Menschen irgendwo dazwischen stehen. Handeln Tiere aber nicht eher rationaler als Menschen?
Aber um auf Jaspers Frage zurückzukommen, spontan würde ich sagen: Wenn eine Handlung richtig ist, lässt sich das auch rational begründen. Zum Beispiel: "Bestimmte Grundsätze wie Niemals-einen-Menschen-töten müssen immer, auch in Extremsituationen befolgt werden, sonst könnte das als Ausrede für andere Motive missbraucht werden." Oder ist das nur ein Versuch, eine emotionale Reaktion zu tarnen? Ich glaube, dass Menschen ihre Gefühle nicht vollkommen abschalten können. Alle Handlungen sind doch zumindest in bisschen emotional beeinflusst.
ZitatAber um auf Jaspers Frage zurückzukommen, spontan würde ich sagen: Wenn eine Handlung richtig ist, lässt sich das auch rational begründen. Zum Beispiel: "Bestimmte Grundsätze wie Niemals-einen-Menschen-töten müssen immer, auch in Extremsituationen befolgt werden, sonst könnte das als Ausrede für andere Motive missbraucht werden."
Oder aber man nimmt in diesem Streit zwischen Konsequenzialisten und Deontologen die erstere Position ein und argumentiert, man müsse so handeln, dass man möglichst viel gutes bewirkt, auch wenn man dafür negative Auswirkungen in Kauf nehmen muss, sofern die positiven überwiegen - das Luftsicherheitsgesetz z. B., das ja vom Bundesverfassungsgericht verhindert wurde, demzufolge man ein entführtes Flugzeug abschießen dürfte, wenn anderenfalls mehr Tote zu beklagen wären. - was richtig ist lässt sich wohl in vielen Fällen rational begründen (ob das per se so sein muss... ja, vermutlich schon, sofern moralische Gesetze notwendig richtig sind, absolut wahr sind und nicht anders sein könnten.), aber es ist halt nicht klar, was richtig ist, oder? Kant als Deontologe etwa ist ja der Auffassung, dass eine Handlung für sich genommen schlecht sein kann, unabhängig von den Konsequenzen, Mord z. B. - mir scheint die konsequenzialistische Position richtiger, wenn auch deutlich gefährlicher, da anfälliger für Missbrauch. Wenn man wirklich davon ausgeht, dass es soetwas wie Gleichheit gibt, dass jeder Mensch ein Recht (und das GLEICHE Recht!) auf Leben hat, wenn man davon ausgeht, dass es sowas wie Menschenwürde gibt - ist es dann nicht das einzig richtige, abzuwägen, in welchem Fall mehr Menschen sterben würden und sich dafür zu entscheiden möglichst viele zu Retten, auch wenn man dafür eventuell etwas tun muss, was für sich genommen unmoralisch wäre? Und ist das bewusste Unterlassen einer Handlung, die einen Menschen retten würde (und keinerlei negative Folgen hätte, wie etwa die Gefährdung des eigenen Lebens) nicht im Grunde moralisch gleichzusetzen mit Mord?
ZitatIch glaube, dass Menschen ihre Gefühle nicht vollkommen abschalten können. Alle Handlungen sind doch zumindest in bisschen emotional beeinflusst.
ZitatNaja, wir sind keine Tiere, aber andererseits auch keine Maschinen.. wir müssen irgendwo den Mittelweg finden.
Klar, faktisch können wir Gefühle nicht vollkommen abschalten und wir sind auch keine Maschinen, die rein rational entscheiden - aber sollte es nicht das Ziel sein, in moralischen Fragen möglichst rational und objektiv zu entscheiden, die eigenen Emotionen auf Richtigkeit zu überprüfen und evt. zu verwerfen? Ist ja auch in der Philosophie sehr umstritten - während Kant seine Ethik ja im Grunde auf solchen rationalen überlegungen aufbaut und moralisches Handeln letzten Endes garnicht als Pflicht anderen gegenüber, sondern als Pflicht sich selbst gegenüber sieht, da man sich anderenfalls als Vernunftwesen verleugnen würde, widerspricht Schiller ihm in dem Punkt und bezieht den emotionalen Aspekt mit ein, sagt, auch der müsse bei unseren Entscheidungen berücksichtigt werden und bei Schopenhauers Mitleidsethik erreicht die Betonung des emotionalen Aspekts ja einen Höhepunkt, da er im Grunde alles moralische Empfinden auf emotionale Verbundenheit mit anderen Menschen zurückführt... Es bleibt doch auch die Frage, warum es überhaupt widersprüche zwischen Gefühl und Verstand gibt, oder? Warum richtet sich nicht ersteres nach letzterem?
ZitatKlar, faktisch können wir Gefühle nicht vollkommen abschalten und wir sind auch keine Maschinen, die rein rational entscheiden - aber sollte es nicht das Ziel sein, in moralischen Fragen möglichst rational und objektiv zu entscheiden, die eigenen Emotionen auf Richtigkeit zu überprüfen und evt. zu verwerfen?
Ich möchte polemisch einwerfen, dass doch das erste Merkmal einer ethischen Argumentation ihre Scheinheiligkeit ist, dass sie zwar innerlich kohärent ist, aber sichtlich in der Luft schwebt. Ich nehme meine Gefühle, meine Sehnsüchte, meine Lieblingsgedanken, verbinde sie mit Logikkitt und formulier alles so, dass es schon wissenschaftlich klingt- und schon hab ich meine Ethik. Gerade die Auswahl von Indikatoren oder einer Instanz, um gut und böse feststzustellen, oder auch nur gut und schlecht, kann ja schwerlich von etwas anderem als persönlichen Eingebungen oder tatsächlichen höheren Instanzen herrühren. Was kann an so etwas objektiv sein? Ethik ist der Ressourcenpool nachvollziehbarer politischer Beeinflussung.
Emotionen auf Richtigkeit zu überprüfen halte ich für unmöglich, denn wie sollte man die Kategorien "richtig" und "falsch" überhaupt auf sie anwenden? Es gibt angemessene und unangemessene, vielleicht, und diese Begriffe gehen bereits von einer Analyse der Situation aus, außerdem geben sie sicher keine Handlungsanleitung. Emotional getroffene Entscheidungen dagegen können sicher mit Argumenten als richtig oder falsch dargestellt werden, nur wo setzt diese Vernunft an, die dazu zuständig ist? Kommt sie von außerhalb? An welchen Maßstäben will sie messen? In den meisten Fällen wohl an willkürlichen, oder an denen, die gerade geeignet scheinen, das gewünschte Resultat herbeizuführen.
Vielleicht kann Vernunft nicht mehr, als in Form eines kritischen Gewissens Gedankenstränge zu zerteilen, an welchen Stellen auch immer, die Stücke zu isolieren und so neue Aspekte zu zeigen, welche auch immer. Wir sind unseren Emotionen, die uns durchziehen, komplett ausgeliefert und können eigentlich nur dafür sorgen, dass wir so viele davon erkennen, wie diese zulassen.
Verzeiht, dass ich dieses Gespräch (Dem ich zwar gerade noch folgen, aber nichts eigenes hinzufügen kann) mit einer so banalen und geistlosen Frage störe, die mir irgendwie bedingt in diese Kategorie zu passen scheint.
Rache und Verzeihen. Beides ist Konfliktabhängig, beides ist eine vermeintlich freie Wahl des Menschen, dem Unrecht getan wurde.
Ist Rache nun das Antonym von Verzeihen? Ist Nichtverzeihen auch automatisch ein Akt der Rache (sofern der andere diese Verzeihung erbittet oder wünscht)?
Kann das überhaupt von diesem Standpunkt aus betrachtet werden? Wenn man möchte, könnte man beides in die im Titel genannten Kategorien einordnen; wäre Rache wohl meist eher ein Akt des Gefühls, Verzeihen hingegen ein Akt des Verstandes.
So kläre man mich auf.
"Sind denn Ideale zum Erreichen da? Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön."
ZitatIch möchte polemisch einwerfen, dass doch das erste Merkmal einer ethischen Argumentation ihre Scheinheiligkeit ist, dass sie zwar innerlich kohärent ist, aber sichtlich in der Luft schwebt. Ich nehme meine Gefühle, meine Sehnsüchte, meine Lieblingsgedanken, verbinde sie mit Logikkitt und formulier alles so, dass es schon wissenschaftlich klingt- und schon hab ich meine Ethik. Gerade die Auswahl von Indikatoren oder einer Instanz, um gut und böse feststzustellen, oder auch nur gut und schlecht, kann ja schwerlich von etwas anderem als persönlichen Eingebungen oder tatsächlichen höheren Instanzen herrühren. Was kann an so etwas objektiv sein? Ethik ist der Ressourcenpool nachvollziehbarer politischer Beeinflussung.
Sie ist sicher in gewissem Maße politisch/gesellschaftlich/durch Erziehung/whatever beeinflusst, was aber noch nichts heißt, oder? Wie der einzelne zu etwas kommt sagt ja noch nichts über dieses etwas aus. (Und auch gesellschaftlicher und politischer Einfluss kommt ja von Menschen, es ändert sich wohl nichts am Ursprung unseres moralischen Denkens, verschiebt ihn nur nach hinten). Du scheinst es ja als gegeben vorauszusetzen, dass ethische Überlegungen rein subjektiv sind, ohne jede absolut gültige Grundlage, dass sie einzig und allein unseren Wünschen entspringen, folglich aus keinen rationalen Erwägungen die unabhängig sind von unseren eigenen egoistischen Gefühlen, oder? Der Aussage, ethische Argumentationen wären zwar in sich kohärent, würden aber frei in der Luft schweben, würden immer nur von Prämissen ausgehen, seien immer nur hypothetisch und hätten keine logische Notwendigkeit widerspreche ich, denk ich. Ich bin mir zumindest sehr sicher, dass das keine klar ersichtliche Tatsache ist, für den Fall, dass es nicht möglich sein sollte, das Gegenteil zu beweisen, auch wenn ich wohl alles in allem dazu tendiere davon auszugehen, dass bezüglich moralischer Fragen in gewissem Ausmaß a priori-Erkenntnisse möglich sind und dass es notwendig richtige Grundsätze gibt. -- Mal angenommen, das wäre nicht der Fall und man wäre sich darüber im Klaren, wäre Nihilismus die einzig mögliche Alternative, oder? Sämtliche moralische Überlegungen würden ihre Relevanz verlieren, wären sie nicht an objektive Maßstäbe gebunden, oder würde von dem überlegenden Subjekt nicht zumindest davon ausgegangen, dass dem so ist, mehr noch, sie würden aufhören zu existieren, oder? Es würde zu reinen Mitteln zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung degradiert und moralisch richtig/gut/falsch/schlecht wäre nicht mehr als eine euphemistische umschreibung von "meinen Bedürfnissen entsprechend/nicht entsprechend". "richtig" und "falsch" sind doch Begrifft, die nur Sinn machen, wenn es etwas gibt, was sie zu gültigen Maßstäben erhebt, oer? Wenn wir über irgendetwas im moralischen Sinne urteilen - gehen wir da nicht automatisch von Maßstäben aus, die wir für objektiv halten? Sonst würde es ja nicht um Werturteile gehen, weil keine allgemeingültigen Werte existierten, auf deren Grundlage man sich ein Urteil erlauben könnte, sondern lediglich um ein abgleichen mit persönlichen Wunschvorstellungen. Zumindest theoretische Grundprinzipien moralisch richtigen Handelns sind m. E. erkennbar, bestimmte elementare Wertevorstellungen unzweifelhaft in "richtig" und "falsch" einzuteilen - praktisch gesehen wird es in realen Situationen natürlich extrem kompliziert, wenn extrem viele Faktoren eine Rolle spielen, das Wissen begrenzt ist, Folgen schwer abzusehen sind und Wahrscheinlichkeiten einzukalkulieren - aber das ist ein Problem, das letzten Endes auf mangelndes Kenntnis der Situation, mangelnde Erkenntnisfähigkeit in anderen Bereichen usw. zurückzuführen ist, nicht auf eine prinzipielle Unmöglichkeit, oder? Nichts in der Absicht zu tun, das Leid auf der Welt zu steigern, nicht bewusst zum Schaden anderer ungerecht handeln, nicht in die Freiheit eines anderen Menschen eingreifen, sofern keine anderen Faktoren eine Rolle spielen, dem eigenen Gewissen entsprechend handeln usw. (ohne jetzt eines dieser Grundprinzipien als richtig hinzustellen, nur als Möglichkeiten, mit denen man sich wohl einzeln auseinandersetzen müsste. Da kommen dann halt Fragen nach Grundlage eines Moralverständnisses, Pflichtenethik/Mitleidsethik, Deontologie/Konsequenzialismus ins Spiel, was für sich genommen sicher auch große Themen sind...), man kann wohl auch sagen, dass moralische Pflichten nur denkenden/fühlenden Wesen gegenüber bestehen, ohne dass man den Vorwurf kriegen wird, dies sei eine nur relativ bzw. subjektiv gültige Ansicht.
ZitatEmotionen auf Richtigkeit zu überprüfen halte ich für unmöglich, denn wie sollte man die Kategorien "richtig" und "falsch" überhaupt auf sie anwenden? Es gibt angemessene und unangemessene, vielleicht, und diese Begriffe gehen bereits von einer Analyse der Situation aus, außerdem geben sie sicher keine Handlungsanleitung.
Mit dem Gefühle auf Richtigkeit überprüfen meinte ich wohl den Versuch, zu erkennen, wo sie von den Schlussfolgerungen des Verstandes abweichen, wo sie, wie du gesagt hast, unangemessen sind, wo ihnen ein Irrtum des Unterbewusstseins zugrundeliegt. Und inwiefern geben sie keine Handlungsanleitungen? Emotionen spielen für unsere Entscheidungen doch häufig eine entscheidende Rolle - und wenn man nun vor einer Entscheidung steht und die eigenen Neigungen als irrational und moralisch verwerflich einschätzt kann das doch eine entscheidende Handlungsanleitung sein, oder?
ZitatVielleicht kann Vernunft nicht mehr, als in Form eines kritischen Gewissens Gedankenstränge zu zerteilen, an welchen Stellen auch immer, die Stücke zu isolieren und so neue Aspekte zu zeigen, welche auch immer. Wir sind unseren Emotionen, die uns durchziehen, komplett ausgeliefert und können eigentlich nur dafür sorgen, dass wir so viele davon erkennen, wie diese zulassen.
Ist Vernunft nicht die Fähigkeit, einen Gegenstand rational zu betrachten, durch logisches Schlussfolgern zu Erkenntnissen zu gelangen, Argumente abzuwägen, auf Grundlage logisch notwendiger Tatsachen oder bestimmter Prämissen einen Gedanken zu entwickeln, der in sich logisch und schlüssig ist? Und wenn du sagst, wir seien unseren Emotionen vollkommen ausgeliefert - heißt das, du denkst, dass es keine vernunftbasierten Entscheidungen gibt? Und was für einen Sinn macht es, wenn man, wie du, davon ausgeht, wir seien ihnen hilflos ausgeliefert, sie zu erkennen? Einem sind doch eh die Hände gebunden?
ZitatRache und Verzeihen. Beides ist Konfliktabhängig, beides ist eine vermeintlich freie Wahl des Menschen, dem Unrecht getan wurde.
Kann man wirklich frei entscheiden, ob man jemandem vergibt? (Ist vergeben das selbe wie verzeihen? Ich verwende es wohl als synonym - wenn es differenziertere Definitionen gibt immer her damit ^^) Man kann sich vielleicht frei dafür entscheiden, sich nicht zu rächen, weil es dabei ja schlicht um eine Handlung geht, während Verzeihen eher eine emotionale Einstellung einem anderen Menschen gegenüber bezeichnet, oder? Wobei, vielleicht muss man auch hier wieder zwischen Verstandes- und Gefühlsebene unterscheiden - man kann sich gedanklich damit abfinden und jemandem vergeben, aus Vernunftsgründen, kann sich dazu entschließen, dem anderen seine Schuld nicht mehr nachzutragen - und es gibt die emotionale Ebene, die man vielleicht nicht wirklich stark beeinflussen kann - ob man wirklich keinen Hass, keine Wut mehr verspürt, sondern dem anderen auch emotional eine neue Chance gibt... diese Gefühlsebene scheint in den meisten Fällen die zu sein, die den Menschen mehr bedeutet, oder? Wenn man jemanden um Verzeihung bittet, hofft man, dass er auch wirklich keinen Groll mehr gegen einen hegt, nicht, dass er auf abstrakter Ebene zu dem Schluss gekommen ist, dass die eigene Schuld vergangen und zu vernachlässigen ist.
ZitatIst Rache nun das Antonym von Verzeihen?
Rache und Verzeihen... sind zumindest recht gegensätzliche Begriffe, klar. Wenn auch nicht so eindeutig wie etwa "Tag" und "Nacht" oder "richtig" und "falsch", "groß" und "klein" - anders als solche Antonyme sind sie nicht über ihr gegenteil definiert, bzw. lassen sich nicht darüber definieren, denk ich, es ist kein klares entweder-oder, keine zwei Kategorien die alleine dastehen, ohne andere, die mit ihnen verknüpft sind. Sind Verzeihen und Nachtragen nicht auch gegensätzlich? Jemandem etwas nicht zu verzeihen setz ich jedenfalls nicht mit sich an jemandem rächen gleich, eher mit jemandem etwas nachtragen. So ganz zutreffend find ich das Gegensatzpaar nicht, glaub ich, auch wenn es sicher tendenziell zutrifft.
ZitatIst Nichtverzeihen auch automatisch ein Akt der Rache (sofern der andere diese Verzeihung erbittet oder wünscht)?
Ob man jemandem verzeiht oder nicht (und ich mein jetzt nicht nur eine plumpe Aussage, sondern einen wirklichen Wandel der Einstellung dieser Person gegenüber) entscheidet man doch nicht danach, ob man dem anderen nun schaden will oder nicht, oder? Und bei Rache geht es doch grundsätzlich darum, dem anderen auf irgendeine Weise Schaden zuzufügen. Insofern würde ich sagen - nein, Nichtverzeihen ist kein Akt der Rache.
Zitatwäre Rache wohl meist eher ein Akt des Gefühls, Verzeihen hingegen ein Akt des Verstandes.
Hm... Die Definition vom Wort "Rache" beinhaltet meinem Gefühl nach schon fast eine gewisse irrationalität, ist wohl immer affektuell, emotional und nicht vernunftgeleitet, da stim ich dir zu. Verzeihen als einen Akt des Verstandes einzuordnen fällt mir schon schwerer, aus weiter oben genannten Gründen. Der Konflikt zwischen Verstand und Gefühl lässt sich aber sicher drauf anwenden, denk ich, schließlich ist es wohl oft so, dass einem der Verstand sagt, man solle jemandem Verzeihen und die eigenen Gefühle verhindern das. Aber in dem Fall ist es halt kein moralischer Konflikt zwischen Verstand und Gefühl, weil Verstand und Gefühl keine gegensätzlichen moralischen Positionen einnehmen, sondern lediglich der Verstand eine vertritt, oder? Entschuldigt den post, er ist lang und wirr. Ein wenig unstrukturiert, mit großen Argumentationslücken, teilweise. Werden vielleicht irgendwann nachgeliefert ^^
ZitatSie ist sicher in gewissem Maße politisch/gesellschaftlich/durch Erziehung/whatever beeinflusst, was aber noch nichts heißt, oder? Wie der einzelne zu etwas kommt sagt ja noch nichts über dieses etwas aus. (Und auch gesellschaftlicher und politischer Einfluss kommt ja von Menschen, es ändert sich wohl nichts am Ursprung unseres moralischen Denkens, verschiebt ihn nur nach hinten).
Falls du dich hiermit auf den Satz "Ethik ist der Ressourcenpool nachvollziehbarer politischer Beeinflussung." beziehst muss ich mich entschuldigen, das ist dann ein Missverständnis. Ich meinte damit, dass eine Ethik nichts anderes ist als die Einkleidung persönlicher Wünsche in eine rational nachvollziehbare Hülle, und zwar zum Zweck der (im weitesten Sinne) politischen Beeinflussung, also einfach der Beeinflussug eines Gegenübers.
ZitatDu scheinst es ja als gegeben vorauszusetzen, dass ethische Überlegungen rein subjektiv sind, ohne jede absolut gültige Grundlage, dass sie einzig und allein unseren Wünschen entspringen, folglich aus keinen rationalen Erwägungen die unabhängig sind von unseren eigenen egoistischen Gefühlen, oder?
Ja. Mit zwei (eher selbstverständlichen, aber doch uU wichtigen) Ergänzungen: - Was auch immer uns zu "Subjekten" macht kommt nicht aus einem uns eigenen Kern, sondern vor allem von außen, unsere Subjektivitäten sind also nicht klar von unserer Umgebung abgegrenzt. - Ich bestreite, dass dass sie Ratio von unserem restlichen "Innenleben" unberührt bleibt. Ich bestreite aber nicht die Existenz einer solchen, relativ unabhängig agierenden Instanz. Was ich schon tu ist, zu hinterfragen, was das eigentlich ist oder sein kann. Du definierst weiter unten sehr schön:
ZitatIst Vernunft nicht die Fähigkeit, einen Gegenstand rational zu betrachten, durch logisches Schlussfolgern zu Erkenntnissen zu gelangen, Argumente abzuwägen, auf Grundlage logisch notwendiger Tatsachen oder bestimmter Prämissen einen Gedanken zu entwickeln, der in sich logisch und schlüssig ist?
So sehe ich das eigentlich auch, nur sehe ich keinen Grund, darin eine Objektivität anzunehmen. "Logik" ist eine schwierige Sache, sobald sie über Variablen hinausgeht und verwendet wird, um mit lebensweltlichen Gegebenheiten zu hantieren. Sie verleitet einerseits zur Vereinfachung, andererseits würde sie es erfordern, im Fall mehrerer verschränkter Gegebenheiten schon vor ihrer Anwendung die Zusammenhänge zu sicher kennen, um Schlüsse aus nicht Zusammengehörigem zu vermeiden. Dann, was ist das, was ich hier eine Gegebenheit nenne? Es handelt sich auf unterster mentaler Ebene um Wahrnehmungen. Wahrnehmungen sind bereits von allem anderen, was "in uns" ist, geprägt. Auch die "subjektive Wahrnehmung" ist mehr als ein Schlagwort: Bestimmte Reize scheinen von Anfang an aufgrund unserer Voreinstellungen nicht durchgelassen zu werden. Wir können in unseren logischen Schlussfolgerungen gar nicht nicht von objektiven Fakten ausgehen.
ZitatSämtliche moralische Überlegungen würden ihre Relevanz verlieren, wären sie nicht an objektive Maßstäbe gebunden, oder würde von dem überlegenden Subjekt nicht zumindest davon ausgegangen, dass dem so ist, mehr noch, sie würden aufhören zu existieren, oder?
Nein, die moralischen Überlegungen würden nicht aufhören zu existieren. Ihre Relevanz würden sie für das Individuum bzw die darum entstehenden Diskurse auch nicht verlieren, aber ihre "mögliche Richtigkeit" wäre stark relativiert. Und genau das sag ich ja: Dass ethische Überlegung, also argumentativ begründbare Bewertung, Maßstäbe braucht, und welche können das sein? In jedem Fall persönliche Überzeugungen wie der Wille Gottes, die Notwendigkeit der Lustvermehrung oder das Streben in Richtung einer basisdemokratischen Gesellschaft. Ich finde keine Möglichkeit, Maßstäbe festzulegen, die außerhalb meines eigenen Empfindungsmorastes liegen. Vielleicht kannst du mir dafür Beispiele geben, damit hättest du meine gesamte Kritik mit einem Mal auf erkenntnistheoretisches Geschwafel reduziert und ich würd dich in Ruhe lassen, sonst bleib ich dabei, dass Ethik in jedem Fall auf getarntes Geschwurbel baut (;
Zitat"richtig" und "falsch" sind doch Begrifft, die nur Sinn machen, wenn es etwas gibt, was sie zu gültigen Maßstäben erhebt, oer?
Richtig und falsch sind allerdings selbst schon Bewertungen, müssen aufgrund einer Skala vorgenommen werden, und mit der sind wir wieder beim vorherigen Punkt.
ZitatWenn wir über irgendetwas im moralischen Sinne urteilen - gehen wir da nicht automatisch von Maßstäben aus, die wir für objektiv halten?
Ja, das tun wir (- wenn wir es m.E. auch nicht in dieser direkten Form zulassen sollten). Wir brauchen dazu allerings nicht mehr als die Fähigkeit, etwas für objektiv zu halten.
Das "keine Handlungsanleitung geben" bezog sich auf die Begriffe, nicht auf die Emotionen. Blöde Schachtelsätze. Ich glaube weiters nicht, dass Emotionen Irrtümer darstellen, wenn wir sie nicht auf andere Art erklären können. Aber das wär wieder was anderes.
ZitatIst Vernunft nicht die Fähigkeit, einen Gegenstand rational zu betrachten, durch logisches Schlussfolgern zu Erkenntnissen zu gelangen, Argumente abzuwägen, auf Grundlage logisch notwendiger Tatsachen oder bestimmter Prämissen einen Gedanken zu entwickeln, der in sich logisch und schlüssig ist?
Weil ich oben gesagt hab, dass ich all das für weniger eindeutig halte, als die Begriffe suggerieren, sage ich hier nun, dass die Mechanismen ja trotzdem bestehen können und es anscheinend auch tun, wir nehmen schlussfolgerndes Denken in uns wahr und auch die berüchtigte "Metaebene". Diese Prozesse sind aber zumindest in dem Maße subjektiv, in dem es auch naturwissenschaftliche Studien sind. Eigentlich noch mehr, weil sie ja direkt Teil von uns sind, was eine Untersuchung von außen erschwert.
ZitatUnd wenn du sagst, wir seien unseren Emotionen vollkommen ausgeliefert - heißt das, du denkst, dass es keine vernunftbasierten Entscheidungen gibt?
Vernunftgeleitete, aber keine vernunftbasierten.
ZitatUnd was für einen Sinn macht es, wenn man, wie du, davon ausgeht, wir seien ihnen hilflos ausgeliefert, sie zu erkennen? Einem sind doch eh die Hände gebunden?
Möh, ich hatte gehofft, diese Frage nie selbst beantworten zu müssen. Sie ist einfach herrlich machtvoll. I'll give it a try. Nein, das meine ich damit ganz und gar nicht. Ich meine es in Bezug auf den Versuch, eine wirklich wasserdichte Ethik aufzustellen, den sehe ich als zum Scheitern verurteilt. Eigentlich meine ich damit gar nichts weiter. Was sollte auch daraus folgen? Naja, dass Gut/Böse-Diskussionen nur entlang vorher festgelegter Maßstäbe als tatsächliche faktenbasierte Diskussionen verstanden werden können, aber das war es schon. Für das Individuum finde ich die Erkenntnis wichtig, dass dem so ist, dass in mir drinnen nichts per se allgemeingültiges entstehen kann (also, mit "per se" mein ich, dass ich die Fälle, in denen ich durch meine Machtsituation zB die Gültigkeit von Gesetzen festlege, ausklammere). Zugleich ist es aber nicht so, dass ich gezwungen wäre, für ein passives Verharren in den eigenen Vorurteilen als einzige Möglichkeit zu plädieren. Die Schulung eben dieser kritischen Instanz, die Selbstbeobachtung, ist notwendig, um die individuellen emotionalen Beeinflussungsprozesse kennen und prognostizieren zu lernen. Unter Umständen hab ich mir gerade selbst widersprochen, das durchblick ich noch nicht ganz. Egal, das war doch echt nicht schlecht für das Rechtfertigen meines ersten Beitrags. Lobe ich mich nun selbst. Und: Handeln kann ich auch aus Überzeugung. Ich kann nicht sagen, warum es schlecht wäre, die verflochtenen Ökosysteme dieses Planeten zu Grunde zu richten. Ich kann es wirklich nicht begründen. Trotzdem handle ich lieber so, dass ich möglichst wenig zerstöre. Obwohl ich das nur gut finde.
Ich glaub, zu Leas Thema schaff ich heute nichts mehr, sorry.
Otherboard
Thema drucken
23.08.2011 01:10
Antworten
